Die US-Notenbank hat wegen der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Auswirkungen des neuen Coronavirus ihren Leitzins überraschend um einen halben Prozentpunkt gesenkt. Der Leitzins liege nun im Korridor von 1 bis 1,25 Prozent, erklärte die Notenbank Federal Reserve (Fed) am Dienstag. Es handelt sich um die erste Notfall-Zinssenkung der Fed seit der weltweiten Finanzkrise.
Die Aktienmärkte reagierten nach der Fed-Ankündigung teils heftig. Der New Yorker Aktienmarkt legte eine schwankungsreiche erste Handelsstunde hin. Der deutsche Leitindex Dax erhielt am Nachmittag vor Handelsschluss noch einmal neue Aufwärtsimpulse. Nach der rasanten Talfahrt der vergangenen Woche erholte er sich zeitweise wieder. Auch der Leitindex der Eurozone zog spürbar an.
Zuvor hatten die Finanzminister und Notenbankchefs der führenden westlichen Industriestaaten (G7) in einer gemeinsamen Erklärung mitgeteilt, die Auswirkungen auf Finanzmärkte und Wirtschaft durch das Virus würden genau beobachtet. Man sei bereit, auch fiskalische Maßnahmen - also beispielsweise höhere Staatsausgaben - zu ergreifen, soweit dies notwendig sei.
Nach der überraschenden Zinssenkung durch die Fed forderte US-Präsident Donald Trump weitergehendere Schritte. Die Zentralbank müsse ihre Geldpolitik lockern und den Leitzins noch weiter senken, forderte Trump auf Twitter. Die Zinsen in den USA seien immer noch höher als jene in Ländern, mit denen die US-Wirtschaft in Konkurrenz stehe, klagte Trump: „Nicht fair für die USA.“
Die Notenbank werde die Situation und deren wirtschaftliche Folgen weiter genau beobachten und „ihre Mittel nutzen, um angemessen zu reagieren, um die Wirtschaft zu stützen“, teilte die Fed weiter mit. Die nächste reguläre Sitzung der Notenbank, bei der über die Höhe des Leitzinses entschieden werden sollte, sollte eigentlich erst in zwei Wochen stattfinden. US-Präsident Donald Trump forderte von der Fed weitere Zinssenkungen und mahnte zugleich Schritte auch anderer Wirtschaftsmächte an.
Die Notenbank hatte bereits Ende vergangener Woche erklärt, dass sie die Auswirkungen der Epidemie des neuen Coronavirus aufmerksam verfolge und notfalls zu handeln bereit sei. US-Präsident Donald Trump forderte die - von der Regierung unabhängige - Notenbank wegen der Auswirkungen des Coronavirus wiederholt zu Zinssenkungen auf. Er fürchtet - wohl auch im Hinblick auf die Präsidentschaftswahl im November - infolge der Epidemie eine Wachstumsdelle.
Die Auswirkungen der Coronavirus-Epidemie belasten bereits die globale Wirtschaftsentwicklung. In den USA sind bislang jedoch erst rund 100 Ansteckungen und sechs Todesfälle gemeldet. Die Fed hatte ihren Leitzins im vergangenen Jahr drei Mal um je 0,25 Prozentpunkte gesenkt, ihn bei den letzten beiden Sitzungen jedoch in Anbetracht der soliden Wirtschaftsentwicklung und niedrigen Arbeitslosigkeit in den USA unverändert belassen.
Die G7 erklärten, „angesichts der möglichen Auswirkungen von Covid-19 auf das globale Wachstum bekräftigen wir unsere Verpflichtung, alle geeigneten politischen Instrumente einzusetzen, um ein starkes und nachhaltiges Wachstum zu erreichen und gegen Abwärtsrisiken zu sichern“.
Der japanische Finanzminister Taro Aso sagte, geldpolitische Reaktionen oder höhere Ausgaben der Staaten seien denkbar. Letztlich werde die Antwort aus dem Kreis der sieben Staaten - Deutschland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Japan, die USA und Kanada - von Land zu Land jeweils unterschiedlich ausfallen.
Zinssenkung zeigt Sorge der Zentralbanken
Laut Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer zeigt die Zinssenkung in den USA, dass die Zentralbanken die Corona-Krise "sehr, sehr ernst" nehmen. Die US-Notenbank reagiere als erste, obwohl die US-Wirtschaft am wenigsten betroffen sei: "Dies macht deutlich, wie beunruhigt die Zentralbanken weltweit sind." LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert verweist darauf, dass es bei der Fed einen außerplanmäßigen Beschluss und eine Veränderung um einen halben Prozentpunkt zuletzt in der Finanzkrise vor gut zehn Jahren gab: "Die US-Währungshüter hoffen darauf, die Märkte mit diesem entschiedenen Schritt nachhaltiger zu beruhigen, so dass keine weiteren Zinsschritte notwendig werden, denn die US-Wirtschaft befindet sich laut Einschätzung der Fed weiterhin in guter Verfassung."
Bundesfinanzminister Olaf Scholz erklärte, die Corona-Krise werde genau beobachtet. "Wenn es nötig werden sollte, stehen uns alle Mittel zur Verfügung, um einem weltweiten Abschwung entgegenzuwirken", twitterte der SPD-Politiker. Ifo-Präsident Clemens Fuest hält eine Rezession hierzulande wegen der Virus-Epidemie für möglich. Steuersenkungen oder ein Investitionsprogramm der Regierung seien aber nicht die richtige Antwort auf diese Krise. Stattdessen sollte die Politik den Konkurs von Unternehmen verhindern, die eigentlich gesund seien - etwa mit Notkrediten.
Die Europäische Zentralbank (EZB) arbeitet bereits konkret an gezielten Geldspritzen für Firmen, die von den Folgen der Epidemie betroffen sind, wie drei mit den Überlegungen vertraute Personen Reuters sagten. Den Insidern zufolge wird geprüft, ob langfristige gezielte Kreditspritzen (TLTRO) besonders kleinen und mittleren Unternehmen zugutekommen sollten. Der Grund sei, dass kleine Firmen generell nicht so leicht an Kredite gelangten im Vergleich zu großen Konzernen. Daher bekämen diese auch die Folgen der Viruskrise deutlicher zu spüren. EZB-Präsidentin Christine Lagarde hatte am Montagabend erklärt, die Notenbank stehe bereit, mit angemessenen, gezielten geldpolitischen Schritten auf die Virus-Krise zu antworten. Die nächste Zinssitzung der EZB ist am 12. März in Frankfurt.
Aus Sicht von Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der Großbank ING in Deutschland, sind die Mittel der Geldpolitik bei dieser Krise begrenzt. Es gebe wenig, was die EZB machen könne, außer die Finanzmärkte zu beruhigen. "Um es offen zu sagen, zum gegenwärtigen Zeitpunkt würde ein Impfstoff definitiv mehr helfen als eine weitere Zinssenkung", sagte der Experte.
Anders als die US-Notenbank Fed hat die EZB bei den Zinsen allerdings nicht mehr viel Spielraum. Ihr Leitzins liegt bereits auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Eine Senkung auf unter Null wird von den meisten Experten ausgeschlossen. Darüber hinaus müssen Banken bereits seit 2014 Strafzinsen zahlen, wenn sie bei der EZB über Nacht Geld parken. Damit soll der Druck auf die Geldhäuser steigen, das Geld in Form von Krediten auszugeben und damit die Wirtschaft zu unterstützen.
Im September hatte die EZB diesen "Einlagensatz" genannten Strafzins verschärft. Er beträgt jetzt minus 0,5 Prozent. Investoren am Geldmarkt halten es zu mehr als 60 Prozent für wahrscheinlich, dass die Daumenschrauben hier nochmals angezogen werden - auf minus 0,6 Prozent bei der EZB-Sitzung im März.