Fed-Entscheid US-Notenbank bekämpft Inflation mit größtem Zinssprung seit Jahrzehnten

Hauptgebäude der US-Zentralbank in Washington: Die Fed ist den Zielen der Preisstabilität und Vollbeschäftigung verpflichtet. Quelle: REUTERS

Im Kampf gegen die Inflation greift die Fed zu einer historisch starken Zinserhöhung. Weitere Anhebungen werden folgen, sind sich Experten sicher. Die Fed wagt sich damit an einen schwierigen Balanceakt.

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Angesichts rasant steigender Preise hat die US-Notenbank Federal Reserve den Leitzins so stark angehoben wie seit mehr als 20 Jahren nicht mehr. Die Währungshüter um Fed-Chef Jerome Powell beschlossen am Mittwoch eine Erhöhung um einen halben Prozentpunkt auf die neue Spanne von 0,75 bis 1,00 Prozent. Experten hatten mit diesem aggressiven Schritt gerechnet, nachdem die Notenbank die Zinswende im März mit einer Erhöhung um einen Viertel Prozentpunkt eingeleitet hatte. Für die kommenden Monate erwarten Experten eine Serie weiterer kräftiger Anhebungen. An den Terminmärkten wird zum Jahresende fest mit einem Zinsniveau von mindestens 2,75 Prozent gerechnet.

Flankiert wird der Kampf gegen die Inflation von einem Abbau der in der Corona-Krise auf rund neun Billionen Dollar aufgeblähten Bilanz der Fed. Dieses Manöver soll im Juni starten, wie die Notenbank nun beschloss. Zunächst soll das Portfolio um bis zu 47,5 Milliarden Dollar pro Monat schrumpfen, ab September soll das Abbau-Tempo auf bis zu 95 Milliarden Dollar gesteigert werden.

Anleger reagierten erleichtert auf den Fed-Entscheid. „Ein positives Zeichen ist, dass die heutige Zinsentscheidung einstimmig gefällt wurde“, sagte Portfolio-Manager Thomas Altmann vom Vermögensberater QC Partners. „Es war im Vorfeld durchaus damit zu rechnen, dass einzelne Fed-Mitglieder für einen noch größeren 75 Basispunkte Schritt stimmen würden.“ Der Wall Street gab dies aber nur kurzzeitig Rückenwind. Die Leitindizes Dow Jones, Nasdaq und S&P 500 konnten ihre zwischenzeitlichen Gewinne nicht halten und lagen nach wenigen Minuten wieder auf dem Niveau kurz vor Bekanntgabe der Zinserhöhungen. Im Gegenzug näherte sich der Dollar-Index, der den Kurs zu wichtigen Währungen widerspiegelt, nach einem Durchhänger wieder seinem jüngsten 19-1/2-Jahres-Hoch.

Die Fed reagiert mit dem größten Zinsschritt nach oben seit 22 Jahren auf die aus dem Ruder laufende Inflation. Die Teuerungsrate erreichte zuletzt mit 8,5 Prozent den höchsten Stand seit über 40 Jahren. Dadurch wird die Kaufkraft der Verbraucher geschmälert, womit eine gefährliche Lohn-Preisspirale in Gang kommen kann. Die Fed steht daher unter Zugzwang, dem Preisauftrieb entgegenzuwirken, indem der Preis des Geldes erhöht wird. Laut Powell will die Notenbank „zügig“ zu einem neutralen Zinsniveau gelangen, das die Konjunktur weder ankurbelt noch bremst. Die Wirtschaft hatte zu Jahresbeginn überraschend einen Durchhänger und schrumpfte im ersten Quartal um aufs Jahr hochgerechnet 1,4 Prozent.

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Die Fed ist den Zielen der Preisstabilität und Vollbeschäftigung verpflichtet. Inzwischen brummt die US-Wirtschaft wieder, die Arbeitslosenquote war zuletzt auf niedrige 3,6 Prozent gefallen. Viele Firmen klagen bereits über einen Mangel an Arbeitskräften. Die Verbraucherpreise steigen allerdings seit Monaten rasant. Im März stiegen sie gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,5 Prozent. Die Fed strebt mittelfristig eine Inflationsrate von zwei Prozent an. Dieses Ziel hat auch die Europäische Zentralbank (EZB). Der Leitzins im Währungsraum der 19 Länder liegt seit nunmehr rund sechs Jahren auf dem Rekordtief von null Prozent. Inzwischen wird angesichts der Rekordinflation eine erste Zinserhöhung im Euroraum in diesem Sommer erwartet. Mehrere Mitglieder des EZB-Rats hatten zuletzt eine Erhöhung im Juli nicht ausgeschlossen.



„Die Fed tritt scharf auf die Bremse, um den hohen Inflationsdruck einzudämmen. Weitere Leitzinserhöhungen sind unterwegs, die mit der üblichen Wirkungsverzögerung die Konjunktur bremsen werden“, prophezeit Ökonom Bastian Hepperle von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe.

Die US-Notenbank stehe dieses Jahr vor dem Balanceakt die Rekordinflation mit einer restriktiveren Geldpolitik einzufangen, ohne Gefahr zu laufen die Konjunktur zu stark abzuwürgen, meint KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib. Eine solche „sanfte Landung“ sei ein äußerst heikles Unterfangen, das der Fed in den vergangenen 60 Jahren lediglich ein einziges Mal vollständig gelungen sei. Nach Ansicht der US-Finanzministerin und Vorgängerin Powells, Janet Yellen, braucht die Fed dafür neben Geschick auch Glück.

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