Das muss aber doch nicht von Nachteil sein.
Nein, da haben Sie recht. Grundsätzlich begrüße ich eine kritische Haltung gegenüber spendablen Regierungen und legeren Notenbankern. Ich fürchte nur, dass die Deutschen mehr und mehr dogmatisch an die Frage herangehen und nicht pragmatisch. Deutschland darf nicht zu stur auf Haushaltsdisziplin setzen. Als Führungsnation in Europa muss Berlin auch immer die ganze Währungsunion im Blick halten. Momentan ist festzustellen: Der Druck auf die Preise ist in Südeuropa an einigen Stellen zu stark. Eine leichte Lockerung der Sparpolitik, ein bisschen Inflation würde hier helfen. Die Deutschen müssen von ihren Ängsten loslassen.
Ist die Lehre aus der Entstehung der Schuldenkrise nicht gerade, dass Griechenland, Portugal & Co. über ihre Verhältnisse gelebt haben und es verpasst wurde, sie rechtzeitig zu disziplinieren?
Natürlich haben die Länder über ihre Verhältnisse gelebt. Die Angleichung an die wirtschaftlichen starken Nationen sollte mit aller Macht vollzogen werden. Da wurden überhastet große Lohnerhöhungen durchgesetzt. Das sehen inzwischen auch Teile der griechischen Gesellschaft so. Die meisten Griechen verstehen, dass es nicht so weitergehen konnte wie vor dem Ausbruch der Krise 2010. Doch aus den Fehlern der Vergangenheit sollte man Griechenland & Co. heute keinen Strick drehen. Ohne fiskalpolitische Disziplin geht es nicht. Aber ohne Wirtschaftswachstum kommt Griechenland nicht aus der Krise.
Reicht entschiedenes Handeln der Regierungen, um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen. Oder sollte die Politik auch durch die Europäische Zentralbank flankiert werden?
Notenbanken stehen immer wieder unter dem Druck der Regierungen. Die Vertreter der Weimarer Republik drängten die Bundesbank nach der Unterzeichnung des Versailler Vertrags zu einer immer lockeren Geldpolitik. Die Folgen sind bekannt. Heute gibt es auf die Europäische Zentralbank aus 17 europäischen Hauptstädten Druck und Forderungen. Nein, eine Notenbank sollte niemals Politik betreiben und nie genötigt werden, Regierungen zu assistieren.
Die EZB ist in der Krise immer mehr zu einer heimlichen Regierung geworden. Sie pumpt massiv Geld in den Markt, um die Wirtschaft anzukurbeln, erklärt aber, rechtzeitig auf die Bremse zu treten. Wie glaubhaft ist die Bekenntnis der Notenbank?
Es ist ein Drahtseilakt. Es ist sehr sehr schwer, den entscheidenden Moment zu finden, die geldpolitischen Zügel wieder anzuziehen. Kommt man zu spät, galoppiert die Inflation möglicherweise schon und dann wird es immer schwerer, die Kontrolle zurückzugewinnen.
Im Moment sind die inflationären Tendenzen in der Euro-Zone aber gering.
Auch hier muss man differenzieren. Künstlichen Niedrigzinsen sind schließlich auch eine Art Inflation und vernichten Vermögen. Wenn Sie nur 0,5 Prozent Zinsen auf Ihre Ersparnisse bei der Bank bekommen, die Inflationsrate aber 1,5 oder 2,0 Prozent beträgt, dann verlieren Sie schleichend Geld. Es braucht keine Hyperinflation, um Vermögen zu zerstören. Und ein zweiter Punkt ist entscheidend: Nicht ich muss überzeugt sein, dass die EZB rechtzeitig eingreift, sollte die Inflation anziehen, sondern die Bürger in Europa und die Investoren. Man kann auch ohne hohe Inflationsraten das Vertrauen in eine Währung reduzieren. Die EZB ist auf dem besten Weg dahin.