
Krise? Welche Krise? In der Heimat der Goldbärchen ist die Welt noch in Ordnung. Sein Unternehmen spüre nicht die Bohne vom globalen Desaster, ließ Hans Riegel, 85-jähriger Firmenpatriarch des Bonner Gummibärchen-Imperiums Haribo, in der vergangenen Woche wissen. Und dann machte der Herr über Maoam, Lakritzschnecken und Colafläschchen seine 5000 Mitarbeiter so richtig froh: „Sorgt euch nicht. Ihr werdet das Jahr bei Haribo gut überstehen.“
Riegel weiß, warum. Schon während der Rezession 2002/03 entwickelten die Deutschen einen wahren Heißhunger auf Süßes. Während sie im Supermarkt Spirituosen, Wasch- und Putzmittel links liegen ließen, stürzten sie sich auf Schokolade, Pralinen, Bonbons und andere Knabbereien. Naschen gegen die Krise – für die Anbieter von Süßigkeiten erweisen sich Rezessionen als regelrechter Umsatz-Turbo.
Konjunkturauguren und Ökonomen reiben sich die Augen. Befindet sich die Weltwirtschaft nicht am Rande der Depression, sozusagen kurz vor dem ökonomischen Super-GAU? Müssen da die ersten Lebenszeichen, die von den Frühindikatoren kommen, nicht als Fehlsignal gewertet werden?
Tatsächlich bietet die aktuelle Lage ein Bild von Trübsal und Finsternis. Rund um den Globus schreiben die Banken milliardenschwere Verluste und müssen vom Staat gestützt werden, Airlines legen Flugzeuge still, in den Werkshallen der Autobauer laufen die Bänder nur noch mit halber Kraft, Zulieferbetriebe rutschen reihenweise in die Pleite, Aufträge brechen weg.
Hiobsbotschaften reißen nicht ab
Die Horrormeldungen von der Unternehmensfront reißen nicht ab. Das Remscheider Unternehmen Edscha, Weltmarktführer für Schiebedächer und Scharniere mit weltweit 5800 Mitarbeitern, meldete in der vergangenen Woche Insolvenz an. Dem Modelleisenbahnhersteller Märklin drehten die Banken den Kredithahn ab. Und der fränkische Wälzlagerhersteller Schaeffler meldete vergangene Woche für drei Viertel der 25 Standorte in Deutschland Kurzarbeit an.
Längst hat das Rezessionsvirus die gesamte Wirtschaft erfasst. Die Folgen am Arbeitsmarkt werden immer deutlicher. Im Januar gingen saisonbereinigt 56.000 Jobs gegenüber Dezember verloren. Noch versuchen viele Firmen, Entlassungen zu vermeiden. Seit Oktober 2008, als die Finanzkrise die Realwirtschaft erreichte, schickten die Betriebe insgesamt 775.000 Arbeitnehmer in Kurzarbeit, vor allem in der Automobilindustrie und im Maschinenbau.