Vier Indikatoren im Überblick Die Wirtschaft atmet auf

Die bundesweite Inzidenz sinkt, die Hoffnung auf den Post-Corona-Aufschwung steigt. Quelle: dpa

Die bundesweite Inzidenz sinkt, die Hoffnung auf den Post-Corona-Aufschwung steigt. Doch nicht alle Branchen profitieren gleichermaßen. Während die Produktion im verarbeitenden Gewerbe bereits seit Monaten wieder auf Hochtouren läuft, kommen Gastronomie und Einzelhandel trotz der Öffnungen erst langsam wieder in Schwung. 

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Die Inzidenzen sinken, Menschen tummeln sich in Parks und gehen shoppen. Im Biergarten stößt man auf die überstandene Durststrecke im monatelangen Lockdown an, im Büro bespricht man Urlaubspläne. Mittlerweile ist mehr als jeder fünfte Bundesbürger geimpft. Das öffentliche Leben atmet auf – und mit ihm die Wirtschaft.

Google-Bewegungsdaten zeigen, dass zuletzt spürbar mehr Menschen in Einkaufszentren, Parks und anderen öffentlichen Plätzen unterwegs waren. Hielten sich in den Monaten Januar bis März im Schnitt noch etwa halb so viele Menschen als zu Vorkrisen-Zeiten im öffentlichen Raum auf, waren es im April und im Mai nur noch rund 30 Prozent weniger. Und der Aufwärtstrend bleibt: Befeuert durch die sonnigen Feiertage und die immer stärker zurückgefahrenen Corona-Maßnahmen waren Anfang Juni bereits zwanzig Prozent mehr Menschen auf den Straßen unterwegs als Ende Mai.

Mit dem Abflauen der Pandemie und dem Impffortschritt hellen sich auch die Konjunkturprognosen auf. Wirtschaftsminister Peter Altmaier etwa erwartet, dass die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr um bis zu vier Prozent wachsen könnte. 

Doch nicht alle Branchen profitieren gleichermaßen. Während der stationäre Einzelhandel und das Gastgewerbe erst seit wenigen Tagen wieder schrittweise zur Normalität zurückkehren können, haben die Bestelleingänge im verarbeitenden Gewerbe das Vorkrisenniveau längst wieder überschritten.

Hochfrequente Aktivitätsindikatoren, die die Commerzbank für die WirtschaftsWoche berechnet hat, zeigen wie schnell sich die verschiedenen Wirtschaftsbereiche erholen. Hier ein Überblick über die einzelnen Sektoren:



Die Entwicklung der einzelnen Indikatoren

Einzelhandel:

Monatelang war das Shoppen vor Ort in Einzelhandelsgeschäften wie Buch- oder Modeläden nur mit Termin und negativem Coronatest erlaubt. Vielen Menschen hat das die Freude am Einkaufsbummel geraubt. Entsprechend ist die Kundenfrequenz im Handel (ohne Lebensmittel) eingebrochen. Mitte April lag die Anzahl der Kunden im stationären Einzelhandel im Sieben-Tage-Durchschnitt um rund 40 Prozent niedriger als vor dem Ausbruch der Coronapandemie. Die sinkenden Inzidenzen und die damit verbundenen Lockerungen machen das Shoppen vor Ort jedoch wieder attraktiv. So waren in der ersten Juniwoche nur noch zehn Prozent weniger Leute in den Läden unterwegs als vor der Pandemie. Eine Woche zuvor lag die Kundenfrequenz noch 25 Prozent unter dem Vorkrisenwert. 

Trotz monatelangen Schließungen hat der Einzelhandel im gesamten vergangenen Jahr preisbereinigt einen kräftigen Umsatzzuwachs von mehr als vier Prozent gegenüber dem Vorjahr erzielt. Maßgeblich dafür war der Boom im Onlinehandel. Von Januar bis November legte der Umsatz der Versandhändler um 23 Prozent gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum zu. Möbel und Einrichtungsgegenstände verkauften sich im vergangenen Jahr ebenfalls wie warme Semmeln (plus sechs Prozent). Schlecht lief es hingegen für die Anbieter von Textilien und Schuhen (minus 21 Prozent). Wer im Homeoffice arbeitet, braucht nun einmal weniger neue Hemden, Hosen und Schuhe.

Eine Umfrage zeigt, dass Weltmarktführer wieder so positiv gestimmt sind wie vor der Pandemie. Corona bleibt aber die größte Bedrohung für das eigene Geschäft – und die Politik bekommt ein schlechtes Zeugnis ausgestellt.

Restaurants:
Fast ein halbes Jahr lang waren Innen- und Außengastronomie geschlossen. Demnach sah die die Lage im Gastgewerbe lange düster aus. Als die Neuinfektionszahlen im Oktober wieder nach oben sprangen, gingen die Restaurantbesuche auf Talfahrt. Im November folgte die Total-Schließung. Bis Ende Mai lagen die Restaurantbesuche fünf Monate in Folge daher faktisch um 100 Prozent unter dem Vorjahresniveau. 

Seit den schrittweisen Öffnungen gibt es jedoch einen regelrechten Ansturm auf Bars, Kneipen und Restaurants. So zeigen die Daten Anfang Juni nur noch 24 Prozent weniger Tischreservierungen als vor der Pandemie. Am Wochenende zuvor haben noch rund 53 weniger Menschen auswärts gegessen. Mitverantwortlich für den jüngsten Run auf Gaststätten ist laut den Analysten der Commerzbank auch das gute Wetter rund um Pfingsten. So lagen die Restaurantbesuche an den sonnigsten Tagen vereinzelt nur noch 16 Prozent unter ihrem Vorkrisen-Niveau. 

Profitieren werden davon allerdings nur jene Betriebe, die die umsatzlose Zeit überlebten. Wundern könnten sich die Gäste jedoch über die Preise, die dann für Speisen und Getränke aufgerufen werden. Viele Gastwirte dürften versuchen, die Umsatzverluste aus der Zeit des Lockdowns durch Preiserhöhungen auszugleichen. Wer sich Essen nach Hause liefern lässt, merkt das schon seit Monaten.

Stromverbrauch:
Schon seit Mitte März steigt der Stromverbrauch bundesweit deutlich an  – ein Zeichen dafür, dass die Industrie, der größter Stromverbraucher in Deutschland, ihre Produktion wegen der guten Auftragslage bereits seit Monaten wieder hochgefahren hat. 

In der Karwoche lag der Stromverbrauch im Schnitt sogar dauerhaft über ein Prozent höher als im Vergleichsjahreszeitraums 2017 bis 2019 und kratzte zeitweise an der Zwei-Prozent-Marke.

Nur über die Osterfeiertage brach der Stromverbrauch leicht ein. Das dürfte jedoch nicht zuletzt an den Werksferien gelegen haben, die vor allem in der Industrie üblich sind. Ein ähnliches Muster zeigte sich im Schnitt der Jahre 2017 bis 2019. Ansonsten liegt der Stromverbrauch seit Mitte März sogar konstant höher als vor der Coronakrise, weshalb die Commerzbank die Erhebung der Elektrizitätsdaten mit Ende April eingestellt hat. 

Lkw-Verkehr:
Ein ähnliches Bild wie beim Stromverbrauch bietet sich beim Lkw-Verkehr. Die Fahrleistungen großer Lkw auf deutschen Bundesautobahnen sackte in der Zeit um den Jahreswechsel deutlich unter dem Vorkrisenniveau. Die damalige Einschätzung der Ökonomen der Commerzbank, die den Einbruch auf Probleme mit der Saisonbereinigung nicht aber auf einen Aktivitätseinbruch zurückführten, hat sich nun bestätigt. Seit Mitte Februar hat sich die Fahrleistung deutlich erholt und liegt konstant zwischen zwei und drei Prozent über dem Vorkrisenniveau.

Im März und im April waren zeitweise sogar bis zu sechs Prozent mehr Lkw auf den Autobahnen unterwegs als vor der Pandemie. Die jüngsten Verkehrsdaten für Mai schwanken stark. Sie liegen zwischen 5,8 und 1,4 Prozent über dem Vorkrisen-Werten, was laut Experten auf die vielen Feiertage zurückzuführen ist. Im Schnitt liegt das Güterverkehrsaufkommen im Mai 3,4 Prozent höher als vor der Coronakrise. Das zeigt: Die kräftige Industrieproduktion und der Bestellboom der Konsumenten bei Online-Händlern kurbeln das Geschäft der Speditionen an.

Die Methodik im Detail

Indikator Stromverbrauch: Rund drei Viertel des in Deutschland verbrauchten Stroms entfallen auf den Unternehmenssektor, allein die Industrie steht für fast 50 Prozent des Gesamtverbrauchs. Daher lässt sich für die vergangenen Jahre ein Zusammenhang zwischen dem Stromverbrauch und der Industrieproduktion sowie dem Bruttoinlandsprodukt nachweisen. Die Rohdaten zum Strom werden von der Bundesnetzagentur im 15-Minuten-Takt zur Verfügung gestellt. Um natürliche Schwankungen auszugleichen, geht in den „Recovery Monitor“ ein Sieben-Tage-Durchschnitt ein, der mit der durchschnittlichen Entwicklung der vergangenen drei Jahre verglichen wird.

Indikator Kundenfrequenz im Handel: Volle Geschäfte machen logischerweise mehr Umsatz als leere: Die Ökonomen analysieren daher, wie viele Kunden (beziehungsweise deren Mobiltelefone) sich in Einzelhandelsgeschäften (ohne Lebensmittel) befinden. Verglichen werden die aktuellen Werte mit dem Median der entsprechenden Wochentage zwischen dem 3. Januar und 6. Februar, also vor dem Shutdown.

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Indikator Restaurantbesuche: Beleben sich Wirtschaft und soziales Leben, verlassen die Leute auch häufiger das Haus – und gehen zum Beispiel essen. Mithilfe einer Reservierungsplattform analysieren die Commerzbank-Ökonomen, wie sich die Zahl der abendlichen Restaurantbesuche entwickelt.

Indikator Lkw-Verkehr: Über 80 Prozent des Güterverkehrs in Deutschland läuft über die Straße. Lahmt die Wirtschaft, werden weniger Waren transportiert – und umgekehrt. Insofern lassen sich Rückschlüsse auf die Industrieproduktion ziehen. Wie stark der Warenverkehr zu- oder abnimmt, lässt sich mithilfe der Lkw-Mautdaten erfassen, die das Statistische Bundesamt wöchentlich aktualisiert.

Mehr zum Thema: Die Inzidenzzahlen sinken, das Ende des Lockdowns gerät in Sichtweite. Eine neue Studie sagt: Im zweiten und dritten Quartal dürfte die Wirtschaftsleistung spürbar zunehmen – dank der Konsumenten. WiWo-Konjunkturradar: Wie es nach dem Lockdown weitergeht

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