Gastbeitrag Zentralbanken tragen mehr Schuld, als sie denken

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Im Mittelpunkt müsste der Kredit stehen

Wenn das Geld nichts mehr wert ist
Staatskrisen und politischer WilleDer Tausch einer Währung kann viele Gründe haben. In Deutschland waren es politische, wie beim der Einführung des Euro. Aber auch Inflation wie bei der Einführung der Rentenmark mit drohendem Staatsbankrott könne Gründe für einen Währungswechsel sein. Auch nach Kriegen werden die Geldsorten gewechselt, in Deutschland etwa im Jahre 1948. Foto: Peter Hintze, ehemaliger CDU-Bundesgeschaeftsführer, stellt ein Plakat zur Euroeinführung vor. Quelle: AP
Staatliche WechselstubeDie Auswirkungen sind enorm und Währungswechsel kommen sehr häufig vor. So erlebte etwa ein Deutscher, der im Jahr 1921 in Leipzig geboren wurde, sechs Währungen. Im Durchschnitt wechselte bei ihm die Währung alle 15 Jahre. Handelsblatt Online zeigt auf den nächsten Seiten die wichtigsten Währungsreformen in Deutschland. Quelle: dpa
1871 bis 1873Nach der Gründung des deutschen Reichs aus zahlreichen souveränen Einzelstaaten sollte auch eine einheitliche Währung her. Im Laufe der Jahre tauschten die Deutschen ihre Taler, Gulden und Kreuzer in Mark. Als letztes Land führte Bayern die Mark ein. Quelle: WirtschaftsWoche
1923 bis 1925 Die Hyperinflation in der Weimarer Republik besiegelte das Schicksal der Mark. Wegen des Weltkrieges hatte die Währung bereits mehr als die Hälfte an Kaufkraft verloren. In den Folgejahren verlor die Währung- auch wegen Kriegskosten und Reparationsleistungen drastisch an Wert. Quelle: Handelsblatt Online
ReichsmarkIn der Folge wurde die Mark auf die Renten- und später Reichsmark umgestellt. Der Wechselkurs betrug eine Billion Mark zu einer Reichsmark. Auch wenn die Reichsmark als Goldkernwährung keinen Goldstandard hatte, bewirkte sie eine Entspannung bei der Inflation. Der Währungskurs pendelte sich zum US-Dollar auf den Stand vor 1914 ein. Nach der Machtübernahe der Nazis und im folgenden Krieg stieg das Geldvolumen wieder stark an. Quelle: Handelsblatt Online
1948 (BRD)Nach den Verheerungen des Zweiten Weltkrieges wurde in den alten Bundesländern die Deutsche Mark eingeführt. Die Reichsmark hatte keinen Wert mehr, die Deutschen schlugen sich mit Tauschgeschäften durch oder rechneten mit Zigaretten ab. Quelle: Handelsblatt Online
D-MarkDie Deutschen konnten ihre neue D-Mark an den Ausgabestellen für Lebensmittelmarken abholen: 40 DM sofort und weitere 20 DM zwei Monate später. Nach der Einführung folgte ein enormer Wirtschaftsaufschwung.Bild: Am 20. Juni 1948, dem Stichtag der Wahrungsreform in den westlichen Besatzungszonen, drängen sich die Bürger in einer Hamburger Umtauschstelle, um sich die neue Währung auszahlen zu lassen. Quelle: AP

Wenn aber der gegenwärtige Kurs der Geldpolitik nur tiefer in die Krise hinein statt aus ihr heraus führt, dann müssen Alternativen zu dieser Politik ernsthaft geprüft werden. Dazu liegen Vorschläge auf dem Tisch, die eine grundsätzliche Änderung unserer Geldordnung anstreben. Kern dieser Vorschläge ist die Abschaffung des Systems der teilgedeckten Reservehaltung der Banken und damit der privaten Kredit- und Geldschöpfung aus dem Nichts. Unterschiede gibt es bei der Bereitstellung von Zentralbankgeld. Anhänger der österreichischen Schule der Ökonomie misstrauen allen staatlichen Eingriffen und werben für eine Rückkehr zur Golddeckung. Andere Volkswirte, die sich in einer Monetative genannten Bewegung zusammengeschlossen haben, wollen, dass die Zentralbank in völliger Unabhängigkeit von der Politik Zentralbankgeld gemäß den langfristigen Bedürfnissen der Wirtschaft bereitstellt. Statt der Abschaffung der privaten Kredit- und Geldschöpfung in einer neuen Geldordnung ist aber auch eine bessere Kontrolle dieser Aktivitäten innerhalb unserer bestehenden Geldordnung denkbar. Dies dürfte wohl eher durchsetzbar sein als eine grundlegende Neuordnung.

Im Mittelpunkt eines neuen Ansatzes für die Geldpolitik müsste der Kredit stehen. Wie mein Kollege Michael Biggs und ich in zahlreichen Publikationen für viele Länder und über lange Zeiträume gezeigt haben, sind Veränderungen der Kreditbestände mit der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage sehr gut korreliert. Ebenso lässt sich theoretisch und empirisch zeigen, dass auch das Wachstum der Kreditbestände mit der gesamtwirtschaftlichen Produktionsauslastung (dem Output Gap) in hohem Maß korreliert (siehe zum Beispiel Michael Biggs und Thomas Mayer, "Bring credit back into the monetary policy framework!", PEFM Policy Brief, University of Oxford, August 2013). Eine Geldpolitik, die auf eine Verstetigung und Begrenzung des Kreditwachstums abzielt, könnte daher nicht nur auf eine Verstetigung der Konjunktur hinwirken (da Veränderungen des Kreditwachstums mit Veränderungen des Output Gap einhergehen), sondern auch eine Überschuldung der Wirtschaftssubjekte vermeiden helfen, indem sie die Summe der vom Finanzsektor gewährten Kredite relativ zum Bruttoinlandsprodukt begrenzt.

Mit dem Kredit als Zwischenziel für die Geldpolitik könnte diese über das höhere Zwischenziel Finanzstabilität das Endziel Preisstabilität anstreben. Die gegenwärtig herrschende künstliche Teilung in eigentliche Geldpolitik und makro-prudentielle Aufsicht, in der sich die Unzulänglichkeit der konventionellen Geldtheorie widerspiegelt, würde entfallen. Schließlich würde die gegenwärtig eklektische Politik der Zentralbanken, die ein Einfallstor in die Geldpolitik für die allgemeine Politik öffnet, überflüssig werden.

Der Jäger würde also nicht wie im Märchen einfach fortgeschickt, aber er müsste lernen, seinen Hund so zu kontrollieren, dass dieser vom Wild ablässt, bevor es Flurschaden anrichtet. Die Bauern würden es ihm danken.

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