Gbureks Geld-Geklimper

Das Inflationsgespenst wird Realität

Manfred Gburek Freier Finanzjournalist

Notenbanken und Regierungen wollen auf keinen Fall, dass es zur Deflation kommt. Also werden sie die Inflation in Kauf nehmen müssen. Einen Mittelweg gibt es nicht. Anleger sind gewarnt.

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Quelle: Marcel Stahn

Es ist höchste Zeit, sich mit dem Thema Inflation zu beschäftigen. Welche Inflation? Das werden sogleich viele Leser einwenden; die schlappen aktuellen 1,8 Prozent Inflationsrate seien nur Peanuts. Doch eben das sind sie nicht, denn immerhin lassen sie die Renditen von Tages- und Festgeld, Bundesanleihen und Rentenfonds real ins Minus abrutschen. Dieser Effekt hat unter dem Begriff finanzielle Repression ja schon längst Eingang in die Sprache der Anleger gefunden. Er besagt, dass Schuldner – Banken, Staaten, Unternehmen und andere – sich über die Entwertung ihrer Schulden mittels Inflation von diesen zu Lasten der Anleger sukzessive befreien.

Wer das rechtzeitig erkannt hat, ist in Sachwerte eingestiegen. Oder treffender formuliert, was man allgemein für Sachwerte hält: erst in Gold und Silber, dann in Aktien und Immobilien, zuletzt womöglich in Oldtimer vom Typ Porsche oder sogar BMW Isetta. Und weil deren Preise zum Teil kräftig gestiegen sind oder immer noch steigen, gibt es auch dafür einen passenden Begriff: Asset Inflation. Er reiht sich nahtlos ein in die Inflationitis, die wir seit über einem Jahrhundert erleben: schleichende, trabende, galoppierende, aufgestaute, importierte, exportierte, gefühlte, manipulierte und erwartete Inflation. Dazu Monat für Monat die offiziellen Zahlen aus dem Statistischen Bundesamt, von Eurostat und von den weiteren führenden Wirtschaftsblöcken der Welt, fertig ist die Begriffsverwirrung.

Überall Geldvermehrung

Es wird indes noch komplizierter. Denn ganz egal, um welche Art von Inflation es geht, es handelt sich nicht um blanke Zahlen, sondern allemal um dynamische Prozesse: Der schleichenden Inflation folgt in der Regel die trabende und dieser die galoppierende, wie im Deutschen Reich zu Beginn der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts. Oder um auf zwei jüngere Beispiele zu kommen: Während der vergangenen Jahre hielten in den USA Computer mit doppelter Geschwindigkeit Einzug in die Statistik der Verbraucherpreise, indem man sie dort nur noch mit dem halben Preis einsetzte, schon war die Inflationsrate nach unten manipuliert. Und was derzeit in Japan geschieht, ist an Dynamik kaum zu überbieten: Auf Geheiß der Regierung peilt die Notenbank des zwei Jahrzehnte lang von der Deflation gepeinigten Landes 2 Prozent Inflation an und überschüttet zu diesem Zweck die Finanzmärkte mit Yen.

Dagegen wirken - wie zuletzt wieder an diesem Mittwoch – die mit viel unverständlicher Rhetorik kommentierten Geldvermehrungskünste von Fed-Chef Ben Bernanke zunächst harmlos, so wie die von EZB-Präsident Mario Draghi zuvor. Doch in Wahrheit sind sie alles andere als das, denn beide Geldzauberer befinden sich in einem Dilemma: Sie müssen die Inflationserwartungen - notfalls mithilfe der Vorgabe von Inflationszielen - gerade so hoch halten, dass in der Wirtschaft weder Inflations- noch Deflationsmentalität aufkommt. Im ersten Fall drohen nämlich Preise wie auch Zinsen nach oben zu schießen, während im zweiten Fall Unternehmer und Verbraucher wegen der Aussicht auf niedrigere Preise mit Ausgaben warten und so die Wirtschaft in eine Depression abgleiten lassen würden.

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