Gefahr einer neuen Krise

Rentenmärkte werden für Notenbanken zum Problem

Die massiven Interventionen der großen Notenbanken haben die Rentenmärkte dramatisch verändert. Beispielsweise ist die Liquidität der Rentenmärkte erheblich gesunken. Darüber hinaus sind die Renditen soweit gefallen, dass sich ein Investment in Staatsanleihen aus Risikoüberlegungen meist nicht mehr lohnt. In den USA gibt es nun Überlegungen sogenannte „Strafgebühren“ einführen. Mit deren Hilfe soll verhindert werden, dass weitere Investoren sich von ihren US-Dollar-Anleihen trennen.

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Mit welchen Maßnahmen Regierungen und Notenbanken Sparer attackieren können
Instrument: NiedrigzinsAusgestaltung: Notenbank kauft (über Banken, die günstig Geld bekommen) Staatsanleihen; Notenbank hält Leitzinsen untennegativ betroffen wären/sind: Konten, Anleihen, Lebensversicherung, Betriebsrenten, VersorgungswerkeEintrittswahrscheinlichkeit: läuft bereits; •••••wie gefährlich für das Vermögen?: Inflation frisst Zinsen; Sparen lohnt sich kaum; ••••∘Vorteil für Staaten: niedrige Zinslast auf eigene Schuldenhistorische Vorbilder: USA• = unwahrscheinlich/ sehr niedrige Einbußen; ••••• = so gut wie sicher/ sehr hohe Einbußen Quelle: dpa
Instrument: Inflation zulassenAusgestaltung: Notenbanken schöpfen weiter Geld; Bürger verlieren Vertrauen; Umlaufgeschwindigkeit des Geldes steigtnegativ betroffen wären/sind: Bargeld, Konten, Anleihen, LebensversicherungEintrittswahrscheinlichkeit: aktuell gering; langfristig wahrscheinlich; •••∘∘wie gefährlich für das Vermögen?: Hohe Inflation kann sämtliche Geldvermögen entwerten; •••••Vorteil für Staaten: Schulden werden nicht auf dem Papier, aber real drastisch verringerthistorische Vorbilder: Deutschland 1923; Frankreich 18. Jahrhundert; Zimbabwe 2009 Quelle: dpa
Instrument: NegativzinsAusgestaltung: Notenbank setzt negativen Leitzins fest; Banken legen negative Zinsen auf die Guthaben von Sparern um oder verteuern Gebühren/Kreditenegativ betroffen wären/sind: KontenEintrittswahrscheinlichkeit: ist bereits in der Diskussion; •••∘∘wie gefährlich für das Vermögen?: Erspartes leidet nominal durch Negativzinsen und real durch Inflation ••••∘Vorteil für Staaten: höheres Wachstum durch ausgeweitete Kreditvergabe erhoffthistorische Vorbilder: Schweiz 1964, 1970er; Schweden; Dänemark Quelle: dpa
Instrument: VermögensabgabeAusgestaltung: Staat schneidet sich von allen Vermögenswerten einmalig ein Stück abnegativ betroffen wären/sind: Konten, Aktien, Anleihen, ImmobilienEintrittswahrscheinlichkeit: wird diskutiert, aber starker Widerstand zu erwarten; ••∘∘∘wie gefährlich für das Vermögen?: je reicher desto härter; ••••∘Vorteil für Staaten: kann Schulden sofort drastisch senkenhistorische Vorbilder: Deutschland 1918/19, 1952 Quelle: dpa
Instrument: ZwangsanleiheAusgestaltung: Staat zwingt Bürger, einen Teil ihres Vermögens in Staatsanleihen zu packen; wird (teilweise) zurückgezahltnegativ betroffen wären/sind: Konten, Aktien, Anleihen, ImmobilienEintrittswahrscheinlichkeit: wird diskutiert, aber starker Widerstand zu erwarten; ••∘∘∘wie gefährlich für das Vermögen?: hängt von Rückzahlungen ab; •••∘∘Vorteil für Staaten: verschafft Spielraum bis zum Rückzahlungsdatumhistorische Vorbilder: Deutschland 1914, 1922/23 Quelle: dpa
Instrument: Neue SteuernAusgestaltung: Vermögensteuer, zum Beispiel ein Prozent auf steuerpflichtiges Vermögen (nach Abzug von Freibeträgen)negativ betroffen wären/sind: Vermögen generellEintrittswahrscheinlichkeit: politische Forderung; ••••∘wie gefährlich für das Vermögen?: für Vermögende; •••∘∘Vorteil für Staaten: weitere Einnahmenhistorische Vorbilder: Deutschland, wurde 1997 abgeschafft Quelle: dpa
Instrument: Neue SteuernAusgestaltung: Transaktionsteuer von 0,1 Prozent auf Aktien und Anleihen und 0,01 Prozent auf Derivate; fällig für jedes Geschäft negativ betroffen wären/sind: Aktien, Anleihen, Derivate; indirekt auch Fonds und LebensversicherungenEintrittswahrscheinlichkeit: politisch herrscht Konsens; •••••wie gefährlich für das Vermögen?: drückt auch Rendite von Fonds und Versicherungen; •••∘∘Vorteil für Staaten: weitere Einnahmenhistorische Vorbilder: Deutschland 1881–1991; Schweden 1985–1992 Quelle: dpa

Crowding Out ist ein Begriff aus der Makroökonomie und beschreibt die Effekte wenn der Staat Aufgaben in der Wirtschaft übernimmt und dabei - gewollt oder ungewollt - privatwirtschaftliche Unternehmen vom Markt verdrängt. Dabei gilt in den meisten Fällen, dass die staatlichen Unternehmen weniger effizient arbeiten als privatwirtschaftliche Unternehmen. Am Ende dieses Prozesses sinkt also die gesamtwirtschaftliche Effizienz mit negativen Auswirkungen auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Dieses Phänomen des Crowding Out lässt sich zur Zeit aber an Orten feststellen, wo man es wohl nie erwartet hätte: an den Märkten für Staatsanleihen.

Einen großen Anteil an der niedrigen Liquidität am Rentenmarkt haben zweifelsohne die immensen Ankaufprogramme der Notenbanken rund um den Globus. Das Vereinigte Königreich, die Vereinigten Staaten, Japan – nicht nur hier waren „Quantitative Easing“ und „Credit Easing“ über die Krisenjahre seit 2007 probate Mittel, um geldpolitisch Flagge zu zeigen. In Zeiten, in denen die Leitzinsen nahezu weltumspannend gegen Null tendierten, griffen viele Notenbanken auf einen großangelegten Ankauf gerade von Staatsanleihen zurück, um die Geldpolitik noch stärker als zuvor auf Expansion auszurichten.

Seit 2009 und damit innerhalb von weniger als fünf Jahren hat beispielsweise die Bank von Japan ihren Anteil an den insgesamt ausstehenden Staatsanleihen Nippons (JGBs) von 7,4 Prozent auf rund 19 Prozent per erstes Quartal 2014 gesteigert – Tendenz weiter ansteigend. Dabei ist in diesem Zeitraum das Gesamtvolumen der Staatsanleihen keinesfalls gleich geblieben, sondern um knapp ein Viertel angewachsen. Dies zeigt, wie überproportional stark sich die Bank of Japan momentan am Staatsanleihemarkt ihres Landes engagiert.

Die Folgen der EZB-Niedrigzinspolitik

Vor dem Hintergrund einer empfindlichen Dominanz der japanischen Notenbank am Markt für japanische Staatsanleihen verwundert eine Meldung aus der zurückliegenden Woche nicht. Demnach ist der Börsenhandel in japanische Staatsanleihen an gleich mehreren Handelstagen jeweils für Stunden eingestellt worden. Die kaum vorhandene Liquidität im Markt hat offensichtlich keine andere Entscheidung möglich gemacht. Ein Sprecher des japanischen Finanzministeriums hat in diesem Zusammenhang aus einer Umfrage unter Investoren zitiert. Demnach sind viele JGB-Investoren der Meinung, dass primär die anhaltenden Staatsanleihekäufe der japanischen Notenbank für das gegenwärtig stark gedrückte Handelsgeschehen am JGB-Markt verantwortlich seien.

Offensichtlich treten die japanischen Währungshüter bei den halbwegs liquiden Emissionen unter den JGBs praktisch als einziger Käufer auf, während die Halter von JGBs nur wenig Antrieb verspüren, ihre Bestände zu aktivieren und diese anzubieten, da es an Anlagealternativen fehlt.

Zentralbanken dominieren das Handelsgeschehen

Ein ähnliches Phänomen lässt sich aktuell auch im Euroraum feststellen, wenn auch nicht ganz so dramatisch. Ein Indiz hierfür sind die Kursschwankungen im Bund-Future, dem zentralen Barometer des Rentenmarktes im Euro-Raum. Zu den Hochzeiten der Euro-Krise waren bei diesem Bund-Future Tagesschwankungen zwischen Hoch und Tief von 80 Ticks eher die Regel als die Ausnahme.

Nach der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers, nach der Griechenlandkrise 2010 und zu Zeiten der Euro-Fiskalkrise ein gutes Jahr später waren selbst 100 Ticks Tagesschwankung im Monatsdurchschnitt über viele Wochen hinweg keine Seltenheit. Verglichen hiermit hat sich das Handelsgeschehen im laufenden Jahr nahezu vollständig „normalisiert“. Für die Zeit seit Jahresbeginn pendelt die durchschnittliche Handelsspanne eines Tages unterhalb von 60 Ticks – nicht mehr allzu weit entfernt von den gut 40 Ticks vom Beginn des Jahres 2007. In Renditestellen ausgedrückt: Von acht bis zehn Basispunkten Handelsspanne am Tag zurück zu den angestammten Größenordnungen von rund drei Basispunkten.

Wie in Zentralbanken hineinregiert wird
Europäische Zentralbank (EZB)"Das vorrangige Ziel ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten", heißt es in Artikel 105 des Maastricht-Vertrags. Zwar soll die EZB auch für Stabilität an den Märkten sorgen und die Wirtschaftspolitik der EU unterstützen. Das allerdings nur, wenn dadurch das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigt wird. Diese klare Abgrenzung hat anfangs funktioniert. Seit der Euro-Krise jedoch ist die Geldpolitik Teil der EU-Wirtschaftspolitik. Die EZB begründet ihre Eingriffe mit ihrem Mandat der Marktstabilität und behauptet, dass hierdurch die Geldwertstabilität nicht gefährdet sei. Quelle: dapd
Europäische Zentralbank (EZB)Auch wenn EZB-Chef Mario Draghi früher bei Goldman Sachs arbeitete, besitzen private Banken bei der Zentralbank keine direkte Mitsprache. Das EZB-Kapital von 5,76 Milliarden Euro liegt bei den 27 Notenbanken der EU, die sich – bis auf ein paar Anteile der österreichischen Nationalbank – in öffentlichem Besitz befinden. Die Euro-Finanzminister wählen die Mitglieder des sechsköpfigen Direktoriums per Mehrheitsentscheid, die Regierungschefs bestätigen die Wahl. Auch das EU-Parlament darf mitreden. Vergangene Woche lehnten die Abgeordneten die Nominierung des angesehenen Luxemburger Nationalbankpräsidenten Yves Mersch für einen Sitz im EZB-Direktorium ab. Einziger Grund: sein Geschlecht. Sharon Bowles, Vorsitzende des Währungsausschusses: "Wir sind dagegen, dass die mächtigste Institution der EU ausschließlich von Männern geleitet wird." Quelle: dapd
Bank of England (BoE)Die "Old Lady" von der Londoner Threadneedle Street ist die älteste Notenbank der Welt. Doch erst 1997 wurde sie nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank in eine – relative – politische Unabhängigkeit entlassen. Der Einfluss der Politik ist geblieben: Der britische Schatzkanzler gibt der Notenbank ein konkretes Inflationsziel von 2,0 Prozent vor. Wird dieses Ziel verfehlt, muss der Notenbankchef dies gegenüber der Regierung rechtfertigen. Quelle: REUTERS
Bank of England (BoE)Am meisten leidet die Unabhängigkeit der BoE aber dadurch, dass sie mit Aufgaben zugeschüttet wird. Die BoE muss sich nicht nur um eine stabile Währung, sondern auch um die Konjunktur und Stabilität des Finanzsektors kümmern, im nächsten Jahr kommt die Bankenaufsicht hinzu. Zudem ist die persönliche Unabhängigkeit mancher Mitglieder im Zentralbankrat fraglich: Ben Broadbent etwa arbeitete vor seiner Zeit bei der BoE jahrelang für Goldman Sachs. Zuvor war schon sein Kollege David Robert Walton, Chefökonom von Goldman Sachs in Europa, Mitglied im Zentralbankrat geworden. Bis Ende August 2012 saß dort zudem mit Adam Posen ein Geldpolitiker, der enge Verbindungen zu Starinvestor George Soros pflegt. Quelle: dpa
Federal Reserve System (Fed)Die amerikanische Fed – ein Hort politischer Unabhängigkeit? Mitnichten. Die unter einem Dach zusammengeschlossenen zwölf regionalen US-Zentralbanken gehören 3000 privaten Instituten, darunter Großbanken wie Goldman Sachs oder Morgan Stanley. Die Geldhäuser können direkt bei der Geldpolitik mitmischen, denn sie bestimmen die Direktoren der regionalen Fed-Ableger. Die Direktoren sind an der Wahl der regionalen Fed-Präsidenten beteiligt – und von diesen wiederum sitzen einige im Offenmarktausschuss, dem wichtigsten Gremium der Notenbank, das über die Geldpolitik der USA entscheidet. Der amerikanische Kongress hat der Zentralbank drei Ziele gesetzt, die nicht unbedingt miteinander harmonieren: Die Fed soll die Preise stabil halten, so viele Arbeitsplätze wie möglich garantieren und die Zinsen möglichst niedrig halten. Quelle: REUTERS
Federal Reserve System (Fed)Die Regierung darf den Währungshütern zwar nicht ins Tagesgeschäft hineinreden, aber Zentralbankpräsident Ben Bernanke muss dem Parlament regelmäßig Rede und Antwort stehen. Sollte es anhaltende Konflikte zwischen Fed und Politik geben, kann der Kongress die Unabhängigkeit der Fed beschneiden. Jüngste Debatten ließen darauf schließen, "dass es breite Unterstützung für Restriktionen geben könnte, wenn der Kongress mit der Fed-Politik nicht zufrieden ist", warnt der renommierte US-Ökonom Martin Feldstein. Die Notenbank stehe vor einem Dilemma: "Strafft sie die Geldpolitik, um die Inflation einzudämmen, riskiert sie Gegenmaßnahmen des Kongresses, die ihr die künftige Inflationsbekämpfung erschweren." Quelle: dapd
Bank of Japan (BoJ)Auf dem Papier ist die BoJ unabhängig, aber der politische Druck steigt. Mittlerweile ist es zur Regel geworden, dass ranghohe japanische Politiker offen drohen, das Notenbankgesetz zu ändern, falls die BoJ ihre Geldpolitik nicht noch stärker lockert. Was die Ankäufe von Fremdwährungen betrifft, um den Auftrieb des Yen abzumildern, handelt die Notenbank bereits im Auftrag der Regierung. Quelle: REUTERS

Einher geht die aktuell verminderte Handelsspanne mit einem im Trend nachlassenden Handelsvolumen. In zehn der zurückliegenden zwölf Monate hat sich die Anzahl der über die Börse gehandelten Bund-Future gegenüber dem jeweiligen Vorjahresvergleichsmonat nennenswert vermindert. So hat im vergangenen Mai das Handelsvolumen im Bund-Future den Vergleichswert zwölf Monate zuvor um nahezu ein Drittel unterschritten. Seit Ausbruch der Weltfinanz-, Weltwirtschafts- und Eurokrise scheint sich die Anzahl getauschter Stücke grundsätzlich verringert zu haben. Seit dem Heraufziehen der Lehman-Turbulenzen sind, anders als zuvor, nie wieder mehr als 25 Millionen Kontrakte im Bund-Future pro Monat gehandelt worden. Für die Zeit seit Anfang 2012 liegt der Durchschnittswert bei gerade einmal knapp 15 Millionen Stück.

Passend dazu, dass die Kapitalmarktteilnehmer weniger aktiv sind beim liquidesten Rentenmarktinstrument des Euro-Finanzmarktes, meldet die Deutsche Finanzagentur nicht zufällig eine bemerkenswerte Verschiebung im Anlegerkreis deutscher Bundesanleihen. Auf Basis der aktuellsten bislang vorliegenden Zahlen zum Jahr 2012 zeigt sich, wie sehr gerade Zentralbanken das Handelsgeschehen bei den Bunds dominieren. Weit mehr als die Hälfte aller Netto-Käufe von Bunds entfielen 2012 auf diese Investorenklasse. Bei Verkäufen an Zentralbanken außerhalb des Euro-Raums hieß dies in vielen Fällen: Stärkung der jeweiligen Devisenreserven.

Der Einstieg in eine neue Wirtschaftskrise?

Vergleichbare Effekte sind auch in den Vereinigten Staaten sichtbar. Hier hat die Notenbank über die Krisenjahre zwischen 2007 und 2013 ihren Anteil an den ausstehenden US-Staatsanleihen von Werten unterhalb von zehn Prozent auf gut 15 Prozent ausgeweitet. Dies gibt bereits längere Zeit Anlass zu der Vermutung, dass die offiziellen Stellen in den Vereinigten Staaten versucht sein könnten, den global operierenden Investoren einen zukünftig gegebenenfalls anstehenden Ausstieg aus US-Anleihen zu versauen.

Dies könnte umso virulenter auf die Tagesordnung kommen, wenn die US-Notenbank einen neuen Leitzinserhöhungszyklus beginnen sollte und damit einen breit angelegten Renditeaufwärtstrend initiiert, zumindest für den US-Dollar-Raum.

"EZB hat völliges Neuland betreten"
"Eher symbolische Maßnahmen""Für sich betrachtet sind die Zinssenkungen und der negative Einlagezins eher symbolische Maßnahmen: Sie werden weder die Kreditvergabe in den Krisenländern maßgeblich verbessern noch das Deflationsrisiko deutlich mindern", kommentierte DIW-Chef Marcel Fratzscher die EZB-Entscheidung. "Ich interpretiere sie aber als Startsignal und Anfang einer neuen EZB-Strategie einer stärkeren geldpolitischen Expansion. Als erste Schritte in einer Reihe von weiteren Maßnahmen in den kommenden Monaten sind sie bedeutungsvoll. Die EZB-Maßnahmen bergen große Risiken: Sie könnten die Blasenbildung und das riskante Verhalten von Banken noch verstärken. Allerdings wäre es noch riskanter und eine deutlich schlechtere Option, wenn die EZB nichts täte." Quelle: dpa
"Genau das falsche Rezept""Der Schritt der EZB markiert eine neue Eskalationsstufe. Damit wird das Niedrigzinsniveau weiter verfestigt, zulasten der Vorsorgesparer in Deutschland. Ihre Sparanstrengungen werden durch die EZB untergraben", kritisiert Alexander Erdland, Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV). "Deshalb sind wir in Sorge. Ökonomisch ist die Maßnahme genau das falsche Rezept. Denn die niedrigen Zinsen lösen kaum noch Wachstumsimpulse aus. Viel wichtiger wäre die Fortsetzung der Strukturreformen zur Wiedergewinnung der Wettbewerbsfähigkeit. Die Politik des billigen Geldes wird zum Irrweg." Quelle: AP
"Zinspulver fast verschossen""Geldgeneral Draghi hat sein Zinspulver nun (fast) verschossen. Aktionäre und Immobilienbesitzer dürfen jubeln, Kontensparer und Versicherungssparer dürfen kapitulieren", sagt Ingo Theismann von der Vermögensverwaltung Consulting Team. "Erstmals müssen Banken Strafzinsen für ihre Einlagen zahlen, damit sollen über höhere Kreditvergaben Konjunktur und Inflation herbeigezaubert werden. Doch was sagte dazu bereits Ex-Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller vor 47 Jahren: 'Man kann die Pferde zur Tränke führen, saufen müssen sie selber.' Wir können nur hoffen, dass diese riskante Wette der EZB auch aufgeht."
"Erhebliche Risiken""Ich sehe erhebliche Risiken durch die Niedrigzinspolitik und die vergleichsweise üppige Geldversorgung durch die EZB", sorgt sich Michael Fuchs, stellvertretender Fraktionschef der Unionsparteien im Bundestag. "Der Druck der Märkte auf Reformen und Einsparungen gerade in den EU-Krisenländern schwindet. Darüber hinaus gefährden Niedrigzinsen in der gesamten EU die Bereitschaft zum Sparen und zur Altersvorsorge in der Bevölkerung." Quelle: dapd
„Der Handlungsspielraum der EZB ist mehr homöopathisch“Der Wirtschaftsweise Peter Bofinger hält die Wirkung weiterer Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank (EZB) für sehr begrenzt. „Der Handlungsspielraum der EZB ist mehr homöopathisch“, sagte das Mitglied des Sachverständigenrates der Bundesregierung dem Südwestrundfunk. Ein Leitzins, der noch näher bei null liege, und ein Strafzins für Geschäftsbanken, die überschüssiges Geld bei der EZB parken wollten, stellten als Konjunkturimpulse keine schweren „Geschütze“ dar. Um die Wirtschaft im Euroraum zu beleben, sollten die Politiker darüber nachdenken, wie man die Investitionsanreize stärken kann, sagte Bofinger: „Dass also mehr Kreditmittel auf den Märkten von Investoren aufgenommen werden, und dann steigen auch die Zinsen wieder.“ Eine Hauptkritik aus Deutschland an der Politik des billigen Geldes ist, dass das niedrige Zinsniveau die Sparer belaste. Quelle: dapd
"Völliges Neuland""Die EZB hat völliges Neuland betreten, in ihrer Mission, die Wirtschaft in der Euro-Zone zu unterstützen", konstatiert Carsten Brzeski, Chefvolkswirt der ING Diba. "Wird das die Wirtschaft anschieben? Wahrscheinlich nicht, aber es zeigt zumindest die Entschlossenheit der EZB und ihre Handlungsmöglichkeiten." Quelle: PR
"Ein ganz gefährlicher Weg, den die EZB da einschlägt."Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon (im Bild links neben dem Co-Chef der Deutschen Bank Jürgen Fitschen) wettert gegen die EZB-Ankündigungen, die Geldschleusen weiter zu öffnen. „Statt der erhofften Impulse für die Wirtschaft in den Krisenländern werden durch die erneute Zinssenkung die Sparer in ganz Europa weiter verunsichert und Vermögenswerte zerstört“, sagte der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), Georg Fahrenschon. Die Maßnahmen machten die Finanzmärkte auch nicht stabiler - „im Gegenteil, das überreichliche Geld quillt schon jetzt aus allen Ritzen und sucht sich immer riskantere Anlagemöglichkeiten“. Schon am Morgen vor der EZB-Entscheidung äußerte Fahrenschon im ARD-Morgenmagazin seine Sorgen darüber aus, dass viele Menschen, die mit Versicherungen für ihr Alter vorgesorgt hätten, jetzt ungefragt zur Kasse gebeten würden: „Das ist ein ganz gefährlicher Weg, den die EZB da einschlägt.“ Allein in Deutschland würden Sparer, die fürs Alter vorsorgen, 15 Milliarden Euro verlieren: „Das sind vom Baby bis zum Großvater 200 Euro pro Kopf. Und das ungefragt. Und das Geld fehlt. Es ist weg.“ Quelle: dpa

Tatsächlich meldet die Presse aktuell, dass offizielle Vertreter der Fed den Gedanken hegen, alsbald schon Gebühren in nennenswerter Größenordnung zu erheben, sollten Investoren darangehen, ihre Bestände an US-Dollar-Anleihen zu reduzieren. Den bislang vorliegenden Bekundungen nach sollen sich diese Gebühren schwerpunktmäßig gegen Privatanleger richten, nicht so sehr gegen institutionelle Investoren; auch werde, wie es heißt, nicht der US-Staatsanleihemarkt als gefährdet und daher als schützenswert erachtet, sondern der Markt für US-Unternehmensanleihen. Nichtsdestotrotz: Austrittsbarrieren sind auch immer Eintrittsbarrieren für potentielle Investoren. Ein bereits jetzt auch am US-Staatsanleihemarkt zu spürendes Liquiditätsdefizit wird durch eine Initiative für Austrittsgebühren nur verstärkt.

Ein dysfunktionaler Rentenmarkt, ob nun durch fehlende Liquidität oder durch institutionelle Hürden wie Verkaufsgebühren, ist in der aktuellen Phase sicherlich das letzte was die Notenbanken beabsichtigen. In den USA wird nun schon seit einiger Zeit über den Zeitpunkt der anstehenden Zinswende spekuliert. Gleichzeitig zieht sich die Fed mit immer geringeren Anleihekäufen langsam aus dem Markt zurück. In Großbritannien wird offen diskutiert, ob die Bank of England noch in 2014 oder erst Anfang 2015 anfängt die Zinsen anzuheben.

Wenn die Notenbanken beginnen das aktuell extrem lockere geldpolitische Umfeld zu straffen und die Funktionsfähigkeit der Rentenmärkte nicht gegeben ist, kann es zu starken Kursrückgängen bei Staatsanleihen kommen. Die damit dann merklich ansteigenden Renditen für Staatsanleihen, dürften die zunächst nur leicht restriktiven Effekte der langsam steigenden Notenbankzinsen, deutlich übertreffen und sich entsprechend deutlich negativ auf die realwirtschaftliche Entwicklung der einzelnen Länder, aber auch der Weltwirtschaft auswirken.

Bei solchen Effekten an den Rentenmärkten lässt sich eine Normalisierung der Geldpolitik nicht sinnvoll managen. Es ist den Notenbanken also dringend anzuraten, wieder für eine Normalisierung der Liquidität an den Rentenmärkten zu sorgen und von institutionellen Handelsbarrieren abzusehen. Wenn man dies versäumt, kann der Ausstieg aus der lockern Geldpolitik, der Einstieg in eine neue Wirtschaftskrise werden.

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