Gefahr einer neuen Krise

Rentenmärkte werden für Notenbanken zum Problem

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Zentralbanken dominieren das Handelsgeschehen

Ein ähnliches Phänomen lässt sich aktuell auch im Euroraum feststellen, wenn auch nicht ganz so dramatisch. Ein Indiz hierfür sind die Kursschwankungen im Bund-Future, dem zentralen Barometer des Rentenmarktes im Euro-Raum. Zu den Hochzeiten der Euro-Krise waren bei diesem Bund-Future Tagesschwankungen zwischen Hoch und Tief von 80 Ticks eher die Regel als die Ausnahme.

Nach der Insolvenz der Investmentbank Lehman Brothers, nach der Griechenlandkrise 2010 und zu Zeiten der Euro-Fiskalkrise ein gutes Jahr später waren selbst 100 Ticks Tagesschwankung im Monatsdurchschnitt über viele Wochen hinweg keine Seltenheit. Verglichen hiermit hat sich das Handelsgeschehen im laufenden Jahr nahezu vollständig „normalisiert“. Für die Zeit seit Jahresbeginn pendelt die durchschnittliche Handelsspanne eines Tages unterhalb von 60 Ticks – nicht mehr allzu weit entfernt von den gut 40 Ticks vom Beginn des Jahres 2007. In Renditestellen ausgedrückt: Von acht bis zehn Basispunkten Handelsspanne am Tag zurück zu den angestammten Größenordnungen von rund drei Basispunkten.

Wie in Zentralbanken hineinregiert wird
Europäische Zentralbank (EZB)"Das vorrangige Ziel ist es, die Preisstabilität zu gewährleisten", heißt es in Artikel 105 des Maastricht-Vertrags. Zwar soll die EZB auch für Stabilität an den Märkten sorgen und die Wirtschaftspolitik der EU unterstützen. Das allerdings nur, wenn dadurch das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigt wird. Diese klare Abgrenzung hat anfangs funktioniert. Seit der Euro-Krise jedoch ist die Geldpolitik Teil der EU-Wirtschaftspolitik. Die EZB begründet ihre Eingriffe mit ihrem Mandat der Marktstabilität und behauptet, dass hierdurch die Geldwertstabilität nicht gefährdet sei. Quelle: dapd
Europäische Zentralbank (EZB)Auch wenn EZB-Chef Mario Draghi früher bei Goldman Sachs arbeitete, besitzen private Banken bei der Zentralbank keine direkte Mitsprache. Das EZB-Kapital von 5,76 Milliarden Euro liegt bei den 27 Notenbanken der EU, die sich – bis auf ein paar Anteile der österreichischen Nationalbank – in öffentlichem Besitz befinden. Die Euro-Finanzminister wählen die Mitglieder des sechsköpfigen Direktoriums per Mehrheitsentscheid, die Regierungschefs bestätigen die Wahl. Auch das EU-Parlament darf mitreden. Vergangene Woche lehnten die Abgeordneten die Nominierung des angesehenen Luxemburger Nationalbankpräsidenten Yves Mersch für einen Sitz im EZB-Direktorium ab. Einziger Grund: sein Geschlecht. Sharon Bowles, Vorsitzende des Währungsausschusses: "Wir sind dagegen, dass die mächtigste Institution der EU ausschließlich von Männern geleitet wird." Quelle: dapd
Bank of England (BoE)Die "Old Lady" von der Londoner Threadneedle Street ist die älteste Notenbank der Welt. Doch erst 1997 wurde sie nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank in eine – relative – politische Unabhängigkeit entlassen. Der Einfluss der Politik ist geblieben: Der britische Schatzkanzler gibt der Notenbank ein konkretes Inflationsziel von 2,0 Prozent vor. Wird dieses Ziel verfehlt, muss der Notenbankchef dies gegenüber der Regierung rechtfertigen. Quelle: REUTERS
Bank of England (BoE)Am meisten leidet die Unabhängigkeit der BoE aber dadurch, dass sie mit Aufgaben zugeschüttet wird. Die BoE muss sich nicht nur um eine stabile Währung, sondern auch um die Konjunktur und Stabilität des Finanzsektors kümmern, im nächsten Jahr kommt die Bankenaufsicht hinzu. Zudem ist die persönliche Unabhängigkeit mancher Mitglieder im Zentralbankrat fraglich: Ben Broadbent etwa arbeitete vor seiner Zeit bei der BoE jahrelang für Goldman Sachs. Zuvor war schon sein Kollege David Robert Walton, Chefökonom von Goldman Sachs in Europa, Mitglied im Zentralbankrat geworden. Bis Ende August 2012 saß dort zudem mit Adam Posen ein Geldpolitiker, der enge Verbindungen zu Starinvestor George Soros pflegt. Quelle: dpa
Federal Reserve System (Fed)Die amerikanische Fed – ein Hort politischer Unabhängigkeit? Mitnichten. Die unter einem Dach zusammengeschlossenen zwölf regionalen US-Zentralbanken gehören 3000 privaten Instituten, darunter Großbanken wie Goldman Sachs oder Morgan Stanley. Die Geldhäuser können direkt bei der Geldpolitik mitmischen, denn sie bestimmen die Direktoren der regionalen Fed-Ableger. Die Direktoren sind an der Wahl der regionalen Fed-Präsidenten beteiligt – und von diesen wiederum sitzen einige im Offenmarktausschuss, dem wichtigsten Gremium der Notenbank, das über die Geldpolitik der USA entscheidet. Der amerikanische Kongress hat der Zentralbank drei Ziele gesetzt, die nicht unbedingt miteinander harmonieren: Die Fed soll die Preise stabil halten, so viele Arbeitsplätze wie möglich garantieren und die Zinsen möglichst niedrig halten. Quelle: REUTERS
Federal Reserve System (Fed)Die Regierung darf den Währungshütern zwar nicht ins Tagesgeschäft hineinreden, aber Zentralbankpräsident Ben Bernanke muss dem Parlament regelmäßig Rede und Antwort stehen. Sollte es anhaltende Konflikte zwischen Fed und Politik geben, kann der Kongress die Unabhängigkeit der Fed beschneiden. Jüngste Debatten ließen darauf schließen, "dass es breite Unterstützung für Restriktionen geben könnte, wenn der Kongress mit der Fed-Politik nicht zufrieden ist", warnt der renommierte US-Ökonom Martin Feldstein. Die Notenbank stehe vor einem Dilemma: "Strafft sie die Geldpolitik, um die Inflation einzudämmen, riskiert sie Gegenmaßnahmen des Kongresses, die ihr die künftige Inflationsbekämpfung erschweren." Quelle: dapd
Bank of Japan (BoJ)Auf dem Papier ist die BoJ unabhängig, aber der politische Druck steigt. Mittlerweile ist es zur Regel geworden, dass ranghohe japanische Politiker offen drohen, das Notenbankgesetz zu ändern, falls die BoJ ihre Geldpolitik nicht noch stärker lockert. Was die Ankäufe von Fremdwährungen betrifft, um den Auftrieb des Yen abzumildern, handelt die Notenbank bereits im Auftrag der Regierung. Quelle: REUTERS

Einher geht die aktuell verminderte Handelsspanne mit einem im Trend nachlassenden Handelsvolumen. In zehn der zurückliegenden zwölf Monate hat sich die Anzahl der über die Börse gehandelten Bund-Future gegenüber dem jeweiligen Vorjahresvergleichsmonat nennenswert vermindert. So hat im vergangenen Mai das Handelsvolumen im Bund-Future den Vergleichswert zwölf Monate zuvor um nahezu ein Drittel unterschritten. Seit Ausbruch der Weltfinanz-, Weltwirtschafts- und Eurokrise scheint sich die Anzahl getauschter Stücke grundsätzlich verringert zu haben. Seit dem Heraufziehen der Lehman-Turbulenzen sind, anders als zuvor, nie wieder mehr als 25 Millionen Kontrakte im Bund-Future pro Monat gehandelt worden. Für die Zeit seit Anfang 2012 liegt der Durchschnittswert bei gerade einmal knapp 15 Millionen Stück.

Passend dazu, dass die Kapitalmarktteilnehmer weniger aktiv sind beim liquidesten Rentenmarktinstrument des Euro-Finanzmarktes, meldet die Deutsche Finanzagentur nicht zufällig eine bemerkenswerte Verschiebung im Anlegerkreis deutscher Bundesanleihen. Auf Basis der aktuellsten bislang vorliegenden Zahlen zum Jahr 2012 zeigt sich, wie sehr gerade Zentralbanken das Handelsgeschehen bei den Bunds dominieren. Weit mehr als die Hälfte aller Netto-Käufe von Bunds entfielen 2012 auf diese Investorenklasse. Bei Verkäufen an Zentralbanken außerhalb des Euro-Raums hieß dies in vielen Fällen: Stärkung der jeweiligen Devisenreserven.

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