
Als James Tobin seine Idee erstmals formuliert, schreibt man das Jahr 1972 – und das Echo in Fachwelt und Öffentlichkeit ist gering. Was er vorschlage, sei „wie ein Stein in einen tiefen Brunnen gefallen“, wird sich der US-Ökonom und Nobelpreisträger später beschweren. Bis zu seinem Tod 2002 glaubt er nicht ernsthaft daran, dass die von ihm entwickelte „Tobin Tax“, eine Steuer auf Devisentransaktionen, jemals realisiert wird. Doch mehrere Währungskrisen und eine Weltfinanzkrise später ist Tobins Grundgedanke, den Finanzmärkten „Sand ins Getriebe zu streuen“, in Politik und Öffentlichkeit so populär und salonfähig wie nie zuvor.
Elf EU-Staaten, darunter Deutschland und Frankreich, wollen 2014 im Alleingang eine Finanztransaktionssteuer einführen. Im Februar hat die EU-Kommission einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt. Auf den Handel mit Aktien und Anleihen soll ein Steuersatz von 0,1 Prozent und auf Derivate von 0,01 Prozent erhoben werden. Profiteure sind die Finanzminister – die neue Steuer soll ihnen bis zu 35 Milliarden Euro in die Kasse spülen.
Aktuelle Analysen zur Finanztransaktionssteuer
"Nichtfinanzielle Unternehmen und Privatanleger werden die Steuer bezahlen"
Titel der Studie: Zum Vorschlag der EU-Kommission für eine Richtlinie des Rates über die Umsetzung einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Finanztransaktionssteuer
Quelle: Deutsches Aktieninstitut (DAI); www.dai.de
„Die Finanztransaktionssteuer wird unverhältnismäßig von Privatanlegern getragen"
Titel der Studie: Financial Transaction Tax: How severe
Quelle: Goldman Sachs: www.gs.com
„Durch die vorgeschlagene Finanztransaktionssteuer entsteht ein Kaskadeneffekt, der die tatsächliche Steuerbelastung weit höher ausfallen lässt als die ursprünglich veranschlagten 0,1 bzw. 0,01 Prozent.“
Titel der Studie: A European Financial Transaction Tax - When good politics make for bad market economics
Quelle: Citibank; www.ir.citi.com
„Die vorgeschlagene europäische Finanztransaktionssteuer fügt der Realwirtschaft möglicherweise großen Schaden zu.“
Titel der Studie: Financial Transaction Tax - toll or roadblock
Quelle: Bank of America / Merrill Lynch; www.boaml.com
„Einbußen bei der privaten Rente in der Größenordnung von 2,5 bis 5,5%“.
Titel der Analyse: Finanztransaktionssteuer und Altersvorsorge – Wirkungen
und Nebenwirkungen
Quelle: Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft; www.insm-oekonomenblog.de
„Für private Anleger würde sich das vielfältige Angebot deutlich verschlechtern“.
Titel der Studie: Welche Auswirkungen hat eine Finanztransaktionssteuer auf Optionsmärkte?
Quelle: Deutscher Derivate Verband; www.deutscher-derivate-verband.de
„Die Finanztransaktionssteuer führt zu einer Umverteilung der Handelsvolumina. Dies könnte einen Rückgang der Liquidität nach sich ziehen. Infolge dessen würden die indirekten Transaktionskosten um über 110 Prozent steigen.“
Titel der Studie: Proposed EU Comission Financial Transaction Tax Impact Analysis On Foreign Exchange
Quelle: Association des Banques et Banquiers, Luxembourg; www.abbl.lu
„Die FTS belastet besonders wertsicherungsorientierte Anlagestrategien oder auch Riester-Fonds mit gesetzlich vorgegebenem Kapitalerhalt.“
Titel der Mitteilung: BVI: Finanztransaktionssteuer belastet Fondssparer
Quelle: Deutscher Fondsverband (BVI); www.bvi.de
Tobin indes wollte die Steuer weltweit und einheitlich einführen, national erheben und die Einnahmen an den Internationalen Währungsfonds (IWF) oder die Weltbank abführen. Er schlug vor, alle globalen Währungsgeschäfte am Devisenkassamarkt zu besteuern. Dies umfasst alle Transaktionen an den Finanzmärkten, die den Tausch einer Währung in eine andere implizierten – von klassischen Währungsgeschäften bis hin zu Aktiendeals. Die Steuer sollte – wie in der EU geplant – prozentual zum Volumen der Transaktion erhoben werden, allerdings mit einem höheren Prozentsatz von 0,5 Prozent.
Tobins Ziel war es, die Spekulation auf Währungsschwankungen einzudämmen, um destabilisierende Effekte auf die Realwirtschaft zu vermeiden. Der Ökonom hatte vor allem kurzfristig agierende Finanzinvestoren im Blick, die das in ein Land investierte Finanzkapital im Zweifel schnell abziehen und damit ökonomische Turbulenzen provozieren können. Mit seiner Steuer wollte Tobin die Kapitalflucht eindämmen und den Volkswirtschaften größeren wirtschaftspolitischen Spielraum geben.