Geistesblitze der Ökonomie (XII) Thünens Ringe helfen den Bauern

Johann Heinrich von Thünen gilt als Begründer der modernen Agrar- und Raumwirtschaft. Mit seinen Thünenschen Ringen lieferte er ein Modell, wie sich Flächen am effizientesten nutzen lassen.

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Wo sollte was am besten angebaut werden? Johann Heinrich von Thünen hat eine Lösung gefunden Quelle: dpa

Es gibt unter den großen Wirtschaftswissenschaftlern der Geschichte so einige ökonomische Autodidakten. Adam Smith, der Urvater der Volkswirtschaftslehre, verstand sich als Moralphilosoph und hatte eine Professur für Logik. David Ricardo arbeitete als Börsenmakler. Franz Böhm, ein wichtiger Vertreter der Freiburger Schule, war Jurist. Der amerikanische Ökonomie-Nobelpreisträger Kenneth Arrow ist Mathematiker.

Aber ein Landwirt?

Johann Heinrich von Thünen Quelle: Gemeinfrei

Johann Heinrich von Thünen (1783–1850) gilt mit seiner erdnahen Profession als Exot unter den intellektuellen Vordenkern der Nationalökonomie – und hat doch „erstmals eine in sich geschlossene landwirtschaftliche Produktions- und Standorttheorie entwickelt “, sagt Heinz Kurz, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Graz und einer der führenden Experten für Dogmengeschichte im deutschsprachigen Raum.

Agrarwirtschaft im Umbruch

Im friesischen Canarienhausen geboren, begründete Thünen die landwirtschaftliche Betriebswirtschaftslehre und gab der Regionalwissenschaft und der Wirtschaftsgeografie wichtige Impulse. In seinem 1826 veröffentlichten Hauptwerk „Der isolierte Staat in Beziehung auf Landwirtschaft und Ökonomie“ analysiert Thünen, warum und wie sich Land- und Forstwirtschaft rund um ein städtisches Zentrum ansiedeln – und welches Agrarprodukt in welcher Entfernung vom Zentrum anzubauen ist, damit eine optimale „Bodenrente“ erzielt wird.

Thünen wächst auf einem landwirtschaftlichen Betrieb auf. Die Agrarwirtschaft in dieser Zeit ist im Umbruch. Die Selbstversorgung der Landwirte tritt in den Hintergrund, das starke Bevölkerungswachstum in den Städten lässt die Nachfrage nach Lebensmitteln steigen. Der mathematisch begabte Thünen macht eine landwirtschaftliche Ausbildung, danach studiert er an der Universität Göttingen zwei Semester Ökonomie. 1806 heiratet er eine mecklenburgische Gutsbesitzertochter und pachtet ein Gut bei Anklam im heutigen Landkreis Vorpommern-Greifswald. 1809, mit einem Erbe von 23 000 Goldtalern versehen, kauft er sich in Tellow am Rande der mecklenburgischen Schweiz seinen eigenen Hof. Den rund 465 Hektor großen Betrieb verwandelt er in den folgenden Jahren in ein hocheffizientes Vorzeigeunternehmen und lebt dort den Rest seines Lebens.

Ineffizienz ist ihm zuwider

Vor allem eine Frage treibt den Gutsbesitzer um: Wie lässt sich landwirtschaftliche Fläche am effizientesten bewirtschaften? Zehn Jahre lang erledigt der kränkliche und unter Augenproblemen leidende Thünen die komplette Buchführung selber; er experimentiert, er notiert akribisch alle Einnahmen und Ausgaben des Gutsbetriebs – und erfindet nebenbei neue Pfluggeräte. „Nichts gibt wohl für einen denkenden Landwirt eine bessere Grundlage, als wenn er im Anfang ganz den Gang der gewöhnlichen Landwirtschaft mitmacht, er wird dann vor zu raschen, unausführbaren Ideen gewarnt“, schreibt der „gnadenlose Objektivist“ (Kurz) später. Jede Ineffizienz in der Produktion ist ihm zuwider: „Wir vergeuden unser Vermögen, wir verschwenden den Schweiß des Arbeiters, um ein Übermaß an Korn hervorzubringen, welches von Menschen nicht verzehrt werden kann, sondern den Ratten, Mäusen und Kornwürmern als Nahrung dient.“

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