Geld allein reicht nicht Was uns wirklich glücklich macht

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Glück ist ein ernstes Thema

Bruno Frey hat sehr viel Zeit der vergangenen Jahrzehnte damit verbracht, sich gegen den Eindruck zu wehren, dass diese Erkenntnis unseriöse Wohlfühl-Wissenschaft sei. Frey, ein Verhaltensökonom aus der Schweiz, steht auf Europas Ranglisten der Wirtschaftswissenschaften weit vorn. Was hilft, das Thema Glück in ernstere Diskussionskreise zu führen. Frey, emeritierter Professor der Universität Zürich, ist überzeugter Liberaler.

Er sagt: „Ich glaube nicht, dass Regierungen ihre Bürger direkt zum Glück führen sollten. Sie sollten eher die Möglichkeiten schaffen, dass die Bürger glücklich werden könnten.“ Und dann nennt er zwei Prämissen, die tief eintauchen in die Ökonomie des Glücks: eine dezentrale Steuerung des Landes; und staatliche Leitplanken, die immaterielle Freuden den materiellen vorziehen.

Erstere zielt darauf ab, dass der Mensch glücklicher ist, wenn er das Gefühl hat, Dinge in seinem unmittelbaren Einzugsbereich selbstbestimmt regeln zu können. Dafür braucht der Mensch Übersicht, die Fähigkeit, die Dinge einordnen zu können. Nur wer versteht, was passiert, versteht auch, was er ändern könnte. Da kommt der Staat als Leitplankengeber ins Spiel. „Je gebildeter die Menschen sind“, sagt Frey, „desto glücklicher sind sie.“

Zehn Strategien zum Glücklichsein
Die Deutschen sind nicht so große Schwarzmaler, wie ihnen nachgesagt wird: Drei Viertel der Menschen hierzulande sind laut Studie lebensfroh, jeder Zweite empfindet sogar „große Lebensfreude”. Doch was genau ist das Geheimrezept zu Glück und innerer Ausgeglichenheit? Quelle: PR
Geld ist es auf jeden Fall nicht. Die Binsenweisheit, dass Geld nicht glücklich macht, hat sich die Mehrzahl der Deutschen tatsächlich zu Herzen genommen: 76 Prozent der Deutschen mit einem monatlichen Haushaltsnettoeinkommen unter 1000 Euro bezeichnen sich als lebensfroh. Quelle: PR
Naheliegend und doch noch nicht bei allen angekommen: Wer den Partner mit seinen Macken akzeptiert, hat mehr vom Leben. Vor allem die Lebensfrohen (84 Prozent) schwören auf Toleranz für dauerhafte Liebe. Das hat das Forsa-Institut in Zusammenarbeit mit dem Coca-Cola Happiness Insitut herausgefunden.Im Bild: Felix von Luxemburg und seine Frau Claire Lademacher nach ihrer standesamtlichen Trauung im September. Quelle: dpa
Glück geht durch den Magen – besonders im Familienkreis: Mit der Familie kochen und essen gilt als Garant für ein gutes Lebensgefühl. Mehr als die Hälfte der Deutschen (53 Prozent) würde gern noch mehr Zeit für die Familie aufbringen. Das gemeinsame Familienessen ist für 86 Prozent der Befragten Bestandteil eines gelungenen Wochenendes aus. Quelle: dpa
Gesellschaft ist das Zauberwort zum Glück: Die Deutschen lachen am häufigsten zusammen mit Freunden und Bekannten (73 Prozent), mit dem Partner und der Familie (71 Prozent) sowie den Kollegen (48 Prozent). Am liebsten bringen sie andere Menschen zum Lachen (74 Prozent). Quelle: dpa
Probier's mal mit Gelassenheit: Auf Platz eins für ein frohes Familienleben steht „Die Dinge gelassen sehen“ (bei 31 Prozent der Lebensfrohen), gefolgt von der Fähigkeit, das Leben „so zu genießen, wie es kommt“. Auf Platz drei rangieren „Humor“ und „miteinander reden können“. Quelle: dpa
Leben mit persönlicher Leidenschaft: Jeder hat etwas, womit er sich gerne in der Freizeit beschäftigt. Dafür nutzen die Deutschen vor allem den Sonntag: 4,8 Stunden verbringen sie an diesem Tag durchschnittlich mit ihren Hobbys. 94 Prozent von 1068 befragten Deutschen zwischen 14 und 69 Jahren empfinden dabei Lebensfreude. Quelle: PR

Materieller Zugewinn ist nur bedingt glücksfördernd

Zweitens: Glück ist relativ, weswegen materieller Zugewinn nur bedingt glücksfördernd ist. Das wiederum hängt mit dem nach dem US-Ökonomen Richard Easterlin benannten Paradox zusammen: Nationen, die reicher werden, werden nicht automatisch glücklicher. Frey hat das am Beispiel der Pendler erforscht: Menschen träumen vom eigenen Haus im Grünen. Die Glücksökonomie aber zeigt: Arbeitnehmer werden mit steigender Pendel-Zeit unglücklicher, ihnen fehlt Zeit für Freunde, Freizeit.

Diese immateriellen Werte wären sinnvoller als das Haus im Vorort, dessen weite Verbreitung gemeinhin als Zeichen für eine Wohlstandsgesellschaft dient. Dabei wird das Pendeln auch noch steuerlich gefördert. „Das abzuschaffen“, sagt Frey, „wäre eine dieser Leitplanken, wie Politik indirekt für Glück sorgen kann.“ Womit wir im Land der Pendlerpauschale schon vor einem großen Hindernis auf dem Weg zum Glück stehen.

Was wir fürs Glücklich sein aufgeben sollten
An den Schwächen arbeitenJeder sollte sich auf seine Schwächen konzentrieren – heißt es. Das ist jedoch die falsche Einstellung. Denn dabei wenden wir viel Energie auf, um wenig Fortschritte zu machen. Wenn Menschen den gleichen Aufwand in ihre Stärken stecken würden, könnten sie in der gleichen Zeit deutlich mehr erreichen – und wären damit glücklicher. Quelle: Fotolia
Abschied von der Denke, immer mehr immer schneller erledigen zu wollenManchmal müssen wir uns einfach Zeit nehmen – für sich selbst, für die Familie, für Freunde. Der technische Fortschritt ermöglicht uns, immer mehr in immer weniger Zeit zu machen.  Und was machen wir mit der gesparten Zeit? Mehr arbeiten, mehr erledigen. Stattdessen sollten wir uns selbst nicht aus den Augen verlieren. Quelle: Fotolia
Mit Scheuklappenblick durch die Welt gehenDas Leben ist kurz. Keiner weiß, wie lange sie oder er leben wird.  Also sollten wir die Zeit genießen, die wir haben. Man kann sich schon an den kleinen Dingen erfreuen – also gilt es den Scheuklappenblick abzunehmen und beispielsweise im ICE nicht auf den Laptop zu schauen, sondern auf die vorbeirauschende Landschaft. Quelle: Fotolia
Mit Gewohnheiten brechenDas Leben soll nicht zum Trott verkommen. Menschen, die in Routine verfallen, entwickeln sich nicht weiter. Wer neues wagt, entdeckt auch neue Seiten an sich und ein Potenzial, das man noch nicht ausgeschöpft hat. Daher gilt es neue Projekte anzugehen – sei es privat oder beruflich, indem man im Unternehmen neue Aufgaben wahrnimmt. Eintönigkeit macht keinen glücklich, selbst ein Gewohnheitstier braucht ab und zu Farbtupfer ins einem grauen Alltag.   Quelle: ZBSP
Dinge runter schluckenImmer wieder drücken uns tagtäglich Dinge auf dem Magen. Je mehr uns auf den Magen schlägt, desto schlechter fühlen wir uns. Also gilt es diese Dinge raus zu lassen, sich von diesem Gefühl zu befreien und darüber zu sprechen. Niemand hat etwas davon, wenn Menschen ihre Probleme in sich hinein fressen. Quelle: Fotolia
Weniger auf die Meinung von anderen gebenDu musst studieren, du musst ein Auslandsemester machen, du musst dich sozial engagieren, du musst einen Master machen – mindestens. Was wir nicht alles müssen. All diese gesellschaftlichen Ansprüche sorgen dafür, dass wir uns unter Druck setzen – ein Gefühl, dass uns nicht glücklich macht. Das gilt für die ganze Einstellung, so zu leben, wie andere es gerne hätten. Dabei sollte man auf die Meinung anderer nicht so viel geben – Hauptsache, man ist selbst glücklich. Quelle: Fotolia
Alles persönlich nehmenEine Grundannahme der Wirtschaftswissenschaften ist: Jeder Mensch will seinen eigenen Nutzen maximieren und handelt dementsprechend nach seinem Eigeninteresse.  Also sollte man nicht alles persönlich nehmen, was andere in der eigenen Gegenwart sagen oder machen. Quelle: Fotolia

Ökonomische Glücksforschung

Dabei ist die ökonomische Glücksforschung so alt wie die Nationalökonomie. Für die Utilitaristen um Jeremy Bentham (1748–1832) und John Stuart Mill (1806–1873) gab es eine Identität von Glück und individueller Nutzenmaximierung. Für Bentham war die menschliche Existenz vom „Streben nach Lust“ geprägt. Er entwarf ein „Maximum happiness principle“, wonach die Menschen (und Wirtschaftsakteure) so handeln sollten, dass ein größtmögliches Maß an Glück entsteht. „Mit dem Prinzip des Nutzens ist jenes Prinzip gemeint, das jede beliebige Handlung gutheißt oder missbilligt entsprechend ihrer Tendenz, das Glück derjenigen Gruppe zu vermehren oder zu vermindern, um deren Interessen es geht“, schrieb Bentham 1789 in „Introduction to the Principles of Morals and Legislation“.

Trotzdem galt die Glücksforschung über viele Jahrzehnte als Tummelplatz für Exoten. Das änderte sich um die Jahrtausendwende. Zum einen, weil eine Erkenntnis Ökonomen irritierte: Zwar stiegen im Westen seit den Sechzigerjahren Wirtschaftsdaten und Einkommen – aber immer weniger Menschen bezeichneten sich als glücklich.

Gleichzeitig standen mit Verhaltensökonomie und experimenteller Wirtschaftsforschung nun Instrumente zur Analyse zur Verfügung. Seither steigt die Zahl der Aufsätze und Studien. Vom World Happiness Report der Vereinten Nationen bis zum Happy Planet Index.

Sie wollen folgende Frage beantworten: Wie stark drücken materielle Werte wie das Bruttoinlandsprodukt den Erfolg von Mensch und Gesellschaft aus, und wie sehr tun dies immaterielle Dinge?

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