Bruno Frey hat sehr viel Zeit der vergangenen Jahrzehnte damit verbracht, sich gegen den Eindruck zu wehren, dass diese Erkenntnis unseriöse Wohlfühl-Wissenschaft sei. Frey, ein Verhaltensökonom aus der Schweiz, steht auf Europas Ranglisten der Wirtschaftswissenschaften weit vorn. Was hilft, das Thema Glück in ernstere Diskussionskreise zu führen. Frey, emeritierter Professor der Universität Zürich, ist überzeugter Liberaler.
Er sagt: „Ich glaube nicht, dass Regierungen ihre Bürger direkt zum Glück führen sollten. Sie sollten eher die Möglichkeiten schaffen, dass die Bürger glücklich werden könnten.“ Und dann nennt er zwei Prämissen, die tief eintauchen in die Ökonomie des Glücks: eine dezentrale Steuerung des Landes; und staatliche Leitplanken, die immaterielle Freuden den materiellen vorziehen.
Erstere zielt darauf ab, dass der Mensch glücklicher ist, wenn er das Gefühl hat, Dinge in seinem unmittelbaren Einzugsbereich selbstbestimmt regeln zu können. Dafür braucht der Mensch Übersicht, die Fähigkeit, die Dinge einordnen zu können. Nur wer versteht, was passiert, versteht auch, was er ändern könnte. Da kommt der Staat als Leitplankengeber ins Spiel. „Je gebildeter die Menschen sind“, sagt Frey, „desto glücklicher sind sie.“
Materieller Zugewinn ist nur bedingt glücksfördernd
Zweitens: Glück ist relativ, weswegen materieller Zugewinn nur bedingt glücksfördernd ist. Das wiederum hängt mit dem nach dem US-Ökonomen Richard Easterlin benannten Paradox zusammen: Nationen, die reicher werden, werden nicht automatisch glücklicher. Frey hat das am Beispiel der Pendler erforscht: Menschen träumen vom eigenen Haus im Grünen. Die Glücksökonomie aber zeigt: Arbeitnehmer werden mit steigender Pendel-Zeit unglücklicher, ihnen fehlt Zeit für Freunde, Freizeit.
Diese immateriellen Werte wären sinnvoller als das Haus im Vorort, dessen weite Verbreitung gemeinhin als Zeichen für eine Wohlstandsgesellschaft dient. Dabei wird das Pendeln auch noch steuerlich gefördert. „Das abzuschaffen“, sagt Frey, „wäre eine dieser Leitplanken, wie Politik indirekt für Glück sorgen kann.“ Womit wir im Land der Pendlerpauschale schon vor einem großen Hindernis auf dem Weg zum Glück stehen.
Ökonomische Glücksforschung
Dabei ist die ökonomische Glücksforschung so alt wie die Nationalökonomie. Für die Utilitaristen um Jeremy Bentham (1748–1832) und John Stuart Mill (1806–1873) gab es eine Identität von Glück und individueller Nutzenmaximierung. Für Bentham war die menschliche Existenz vom „Streben nach Lust“ geprägt. Er entwarf ein „Maximum happiness principle“, wonach die Menschen (und Wirtschaftsakteure) so handeln sollten, dass ein größtmögliches Maß an Glück entsteht. „Mit dem Prinzip des Nutzens ist jenes Prinzip gemeint, das jede beliebige Handlung gutheißt oder missbilligt entsprechend ihrer Tendenz, das Glück derjenigen Gruppe zu vermehren oder zu vermindern, um deren Interessen es geht“, schrieb Bentham 1789 in „Introduction to the Principles of Morals and Legislation“.
Trotzdem galt die Glücksforschung über viele Jahrzehnte als Tummelplatz für Exoten. Das änderte sich um die Jahrtausendwende. Zum einen, weil eine Erkenntnis Ökonomen irritierte: Zwar stiegen im Westen seit den Sechzigerjahren Wirtschaftsdaten und Einkommen – aber immer weniger Menschen bezeichneten sich als glücklich.
Gleichzeitig standen mit Verhaltensökonomie und experimenteller Wirtschaftsforschung nun Instrumente zur Analyse zur Verfügung. Seither steigt die Zahl der Aufsätze und Studien. Vom World Happiness Report der Vereinten Nationen bis zum Happy Planet Index.
Sie wollen folgende Frage beantworten: Wie stark drücken materielle Werte wie das Bruttoinlandsprodukt den Erfolg von Mensch und Gesellschaft aus, und wie sehr tun dies immaterielle Dinge?