Geldgeschenke in der Coronakrise Die Mär vom Helikoptergeld

Die US-Regierung unter Donald Trump will Schecks an die Bevölkerung zur besseren Bewältigung der Coronakrise verteilen. Aber dabei von Helikoptergeld zu sprechen ist irreführend. Quelle: imago images

Die US-Regierung will ihren Bürgern in der Coronakrise Steuerschecks in Form von Kopfpauschalen zukommen lassen. Das hat mit Helikoptergeld aber nichts zu tun.

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Krisenzeiten sind panische Zeiten. Und in panischen Zeiten geht so manches durcheinander. Auch semantisch. Kaum hatte US-Finanzminister Steven Mnuchin angekündigt, die US-Regierung werde wegen der Coronakrise jedem US-Bürger einen Geldbetrag in Form einer Kopfpauschale zukommen lassen, wurde vielerorts gleich von Helikoptergeld gesprochen. So heißt es in einer Pressemeldung des ifo Instituts, Clemens Fuest, Chef des ifo Instituts, lehne „Helikoptergeld für Deutschland ab“.

Doch von Helikoptergeld kann bei den Schecks, die die US-Regierung auf ihre Bürger quasi niederregnen lassen will, keine Rede sein. Der Begriff des Helikoptergeldes geht auf den Wirtschaftsnobelpreisträger Milton Friedman zurück, der einst zur Veranschaulichung der Wirkungen einer Geldmengenausweitung auf Nachfrage und Preise das Bild eines Helikopters bemüht hatte, mit dem die Notenbank Geld auf die Bürger niederprasseln lässt.

Helikoptergeld ist frisch gedrucktes Geld der Notenbank, dem kein Schuldverhältnis zugrunde liegt. Damit ist es ein Fremdkörper in unserem Papiergeldsystem. In diesem bringt die Notenbank Geld in Umlauf, indem sie den Geschäftsbanken Zentralbankgeld leiht, damit diese damit Kredite an ihre Kunden refinanzieren können. Dem Akt der Geldschöpfung liegt also ein Schuldverhältnis zwischen Zentralbank (Gläubiger) und Geschäftsbank (Schuldner) zugrunde.

Buchungstechnisch baut die Zentralbank eine Forderung gegenüber der Geschäftsbank auf, die sie auf der Aktivseite ihrer Bilanz verbucht. Auf der Passivseite erscheint das geschöpfte Zentralbankgeld. Die Geschäftsbank ihrerseits verbucht das erhaltene Zentralbankgeld auf der Aktivseite ihrer Bilanz. Im Gegenzug erscheint auf ihrer Passivseite eine Verbindlichkeit gegenüber der Notenbank. Schließlich muss sie das geliehene Geld ja zurückzahlen.

Die Zentralbank kann auch Staats- oder Unternehmensanleihen von den Geschäftsbanken kaufen und ihnen im Gegenzug dafür Zentralbankgeld zur Verfügung stellen. Auch dieser Form der Geldschöpfung liegt ein Schuldverhältnis (nämlich die Anleihe) zugrunde. Daher ist unser Papiergeldsystem ein Schuldgeldsystem.

Beim Helikoptergeld hingegen stellt die Zentralbank den Bürgern Geld ohne Schuldverhältnis zur Verfügung. Sie schenkt es ihnen vielmehr. Dazu muss sie den Staat, der Konten bei der Notenbank besitzt, einschalten. Denn nur die staatlichen Einwohnermeldeämter können sicherstellen, dass tatsächlich alle Einwohner in den Genuss des Geldgeschenks kommen. Das Helikoptergeld landet also zunächst auf den Zentralbankkonten des Staates, der es dann via Verrechnungsschecks an die Bürger weitergibt.

Weil dem Akt des Schenkens kein Schuldverhältnis zugrunde liegt, baut die Notenbank keine Forderung auf. Es fehlt damit die Gegenbuchung auf der Aktivseite der Notenbankbilanz. Um nicht in eine bilanzielle Schieflage zu geraten, muss die Notenbank dann ihr Eigenkapital auflösen und - wenn dies nicht reicht – mit negativem Eigenkapital das Loch auf der Aktivseite ihrer Bilanz stopfen. Kaufmännisch betrachtet wäre die Zentralbank damit pleite. Doch anders als private Schuldner kann sie Geld selbst drucken und damit ihre Schulden begleichen. Weil damit allerdings die Gefahr der Inflation verbunden ist, könnten die Bürger das Vertrauen in die Zentralbank und das Geldsystem verlieren.

Weil die Ausgabe von Helikoptergeld Terra incognita für die Zentralbanken darstellt und mit vielen Unwägbarkeiten verbunden ist, sind die Hemmschwellen, es einzusetzen, groß.

Die Steuerschecks, mit denen die US-Regierung ihre Bürger beglückt, haben mit dem Helikoptergeld der Zentralbank nichts gemein. Die Steuerschecks treiben das Staatsdefizit und damit den Kreditbedarf des Staates nach oben. Gibt die Regierung daraufhin Anleihen aus, kann die Notenbank diese über die Banken zwar ankaufen und somit frisches Geld in den Finanzsektor pumpen. Doch anders als beim Helikoptergeld liegt dieser Geldschöpfung ein Schuldverhältnis (in Form der Anleihe) zugrunde.

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