Der Zinserhöhungszyklus in den USA geht in die nächste Runde. Am Mittwoch hoben die Notenbanker der Fed den Leitzins wie von der Mehrheit der Analysten erwartet erneut um 75 Basispunkte an. Der Zielsatz für Tagesgeld am Interbankenmarkt liegt nun bei 2,25 bis 2,5 Prozent. Statt sich mit Trippelschritten voranzutasten, hat die US-Notenbank die Sieben-Meilen-Stiefel angezogen. Nach dem großen Zinsschritt im Juni von 75 Basispunkten folgte in dieser Woche nun ein weiterer ebenso großer Zinsschritt.
Die forcierte Gangart der Notenbank hat ihren Grund. Im Juni sprang die US-Inflationsrate gemessen an den Verbraucherpreisen auf 9,1 Prozent. Viel Puffer bis zu zweistelligen Werten bleibt da nicht mehr. Auch der Deflator für die privaten Konsumausgaben ohne Energie- und Nahrungsmittel, auf den die Notenbank besonders intensiv schaut, legte zuletzt mit einer Rate von fast fünf Prozent deutlich stärker zu als es dem Zielwert der Fed von zwei Prozent entspricht.
Die Notenbanker stehen daher unter Druck. Sie müssen den Finanzmärkten und der Öffentlichkeit beweisen, dass sie es ernst meinen mit ihrem Mandat, die Preise stabil zu halten, um die Inflationserwartungen einzuhegen.
Aggressivste Straffung seit 40 Jahren
Und so hat es die geldpolitische Straffung der Fed denn auch in sich. Einschließlich des jüngsten Zinsschritts haben die Washingtoner Notenbanker den Leitzins in den vergangenen fünf Monaten um insgesamt 225 Basispunkte angehoben. Das ist der aggressivste Straffungszyklus seit 40 Jahren. Dagegen verblasst selbst das harte Bremsmanöver von 1994, als die Fed den Leitzins in den ersten fünf Monaten nach Beginn des Straffungszyklus um 125 Basispunkten anhob.
Die Entschlossenheit der Notenbank scheint ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Die von der Uni Michigan durch Umfragen ermittelten langfristigen Inflationserwartungen der Verbraucher haben sich im Juli leicht um 0,3 Punkte auf 2,8 Prozent zurückgebildet. Setzt sich dieser Trend in den nächsten Monaten fort, wäre das zwar noch nicht der Sieg, zumindest aber ein erster Erfolg im harten Kampf gegen die Inflation.
Schneller schlau: Inflation
Wenn die Preise für Dienstleistungen und Waren allgemein steigen – und nicht nur einzelne Produktpreise – so bezeichnet man dies als Inflation. Es bedeutet, dass Verbraucher sich heute für zehn Euro nur noch weniger kaufen können als gestern noch. Kurz gesagt: Der Wert des Geldes sinkt mit der Zeit.
Die Inflationsrate, auch Teuerungsrate genannt, gibt Auskunft darüber, wie hoch oder niedrig die Inflation derzeit ist.
Um die Inflationsrate zu bestimmen, werden sämtliche Waren und Dienstleistungen herangezogen, die von privaten Haushalten konsumiert bzw. genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB) beschreibt das wie folgt: „Zur Berechnung der Inflation wird ein fiktiver Warenkorb zusammengestellt. Dieser Warenkorb enthält alle Waren und Dienstleistungen, die private Haushalte während eines Jahres konsumieren bzw. in Anspruch nehmen. Jedes Produkt in diesem Warenkorb hat einen Preis. Dieser kann sich mit der Zeit ändern. Die jährliche Inflationsrate ist der Preis des gesamten Warenkorbs in einem bestimmten Monat im Vergleich zum Preis des Warenkorbs im selben Monat des Vorjahrs.“
Eine Inflationsrate von unter zwei Prozent gilt vielen Experten als „schlecht“, da sie ein Zeichen für schwaches Wirtschaftswachstum sein kann. Auch für Sparer sind diese niedrigen Zinsen ein Problem. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflation von zwei Prozent an.
Deutlich gestiegene Preise belasten Verbraucherinnen und Verbraucher. Sie können sich für ihr Geld weniger leisten. Der Privatkonsum ist jedoch eine wichtige Stütze der Konjunktur. Sinken die Konsumausgaben, schwächelt auch die Konjunkturentwicklung.
Von Disinflation spricht man, wenn die Geschwindigkeit der Preissteigerungen abnimmt – gemeint ist also eine Verminderung der Inflation, nicht aber ein sinkendes Preis-Niveau.
Dass dieser Kampf weitergeht, machte Jerome Powell, Chef der Fed, auf der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid deutlich. Die Notenbank werde den Leitzins weiter anheben, ein erneuter großer Zinsschritt von 75 Basispunkten bei der nächsten Sitzung im September sei nicht auszuschließen, so Powell. Stabile Preise seien die Voraussetzung für einen nachhaltig hohen Beschäftigungsstand, betonte Powell unter Verweis auf das duale Mandat der Fed, die Preise stabil und die Beschäftigung hoch zu halten.
Der Leitzins muss in den restriktiven Bereich
Damit die Inflation wieder auf ihren Zielwert von zwei Prozent sinkt, sei es nötig, dass die Wachstumsrate der Wirtschaft unter ihren langjährigen Trendwert fällt und der Arbeitsmarkt sich abkühlt, erklärte Powell. Analysten rechnen für die ausstehenden Sitzungen in diesem Jahr (September, November und Dezember) daher mit weiteren Zinserhöhungen. Ende des Jahres könnte der Leitzins bei 3,0 bis 3,75 Prozent liegen und im nächsten Jahr mit vier Prozent seinen Höhepunkt erreichen, erwarten Ökonomen.
Damit lägen die Geldbeschaffungskosten nach Einschätzung der Fed im restriktiven Bereich. So verorten die Notenbanker den neutralen Zins, bei dem die Wirtschaft spannungs- und inflationsfrei wächst, bei rund 2,5 Prozent. Die offenkundige Bereitschaft der Fed, den Leitzins über das neutrale Niveau hinaus anzuheben, zeigt, dass für sie der Kampf gegen die Inflation derzeit oberste Priorität besitzt. Dabei nimmt sie auch in Kauf, dass die Wirtschaft im Gefolge der geldpolitischen Straffung in die Rezession rutscht.
Legt man die landläufige Definition einer Rezession von zwei Quartalen mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Folge zugrunde, könnte sich die US-Wirtschaft bereits in einer Rezession befinden. Analysten gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt nach dem Minus von annualisiert 1,6 Prozent im ersten Quartal auch im zweiten Quartal geschrumpft ist.