Geldpolitik Soll der Inflationsgeist zurück in die Flasche, müssen Fed und EZB eine Rezession riskieren

Jerome Powell, Präsident der Federal Reserve, spricht während einer Pressekonferenz im Gebäude des Federal Reserve Board. Quelle: dpa

Die US-Notenbank Fed erhöht ihren Leitzins erneut um 75 Basispunkte und schmilzt ihre Bilanz ab. Der geldpolitische Graben zwischen den USA und Europa weitet sich. Das stärkt den Dollar und schwächt den Euro. 

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Der Zinserhöhungszyklus in den USA geht in die nächste Runde. Am Mittwoch hoben die Notenbanker der Fed den Leitzins wie von der Mehrheit der Analysten erwartet erneut um 75 Basispunkte an. Der Zielsatz für Tagesgeld am Interbankenmarkt liegt nun bei 2,25 bis 2,5 Prozent. Statt sich mit Trippelschritten voranzutasten, hat die US-Notenbank die Sieben-Meilen-Stiefel angezogen. Nach dem großen Zinsschritt im Juni von 75 Basispunkten folgte in dieser Woche nun ein weiterer ebenso großer Zinsschritt. 

Die forcierte Gangart der Notenbank hat ihren Grund. Im Juni sprang die US-Inflationsrate gemessen an den Verbraucherpreisen auf 9,1 Prozent. Viel Puffer bis zu zweistelligen Werten bleibt da nicht mehr. Auch der Deflator für die privaten Konsumausgaben ohne Energie- und Nahrungsmittel, auf den die Notenbank besonders intensiv schaut, legte zuletzt mit einer Rate von fast fünf Prozent deutlich stärker zu als es dem Zielwert der Fed von zwei Prozent entspricht. 

Die Notenbanker stehen daher unter Druck. Sie müssen den Finanzmärkten und der Öffentlichkeit beweisen, dass sie es ernst meinen mit ihrem Mandat, die Preise stabil zu halten, um die Inflationserwartungen einzuhegen. 

Aggressivste Straffung seit 40 Jahren

Und so hat es die geldpolitische Straffung der Fed denn auch in sich. Einschließlich des jüngsten Zinsschritts haben die Washingtoner Notenbanker den Leitzins in den vergangenen fünf Monaten um insgesamt 225 Basispunkte angehoben. Das ist der aggressivste Straffungszyklus seit 40 Jahren. Dagegen verblasst selbst das harte Bremsmanöver von 1994, als die Fed den Leitzins in den ersten fünf Monaten nach Beginn des Straffungszyklus um 125 Basispunkten anhob. 

Die Entschlossenheit der Notenbank scheint ihre Wirkung nicht zu verfehlen. Die von der Uni Michigan durch Umfragen ermittelten langfristigen Inflationserwartungen der Verbraucher haben sich im Juli leicht um 0,3 Punkte auf 2,8 Prozent zurückgebildet. Setzt sich dieser Trend in den nächsten Monaten fort, wäre das zwar noch nicht der Sieg, zumindest aber ein erster Erfolg im harten Kampf gegen die Inflation. 

Schneller schlau: Inflation

Dass dieser Kampf weitergeht, machte Jerome Powell, Chef der Fed, auf der Pressekonferenz nach dem Zinsentscheid deutlich. Die Notenbank werde den Leitzins weiter anheben, ein erneuter großer Zinsschritt von 75 Basispunkten bei der nächsten Sitzung im September sei nicht auszuschließen, so Powell. Stabile Preise seien die Voraussetzung für einen nachhaltig hohen Beschäftigungsstand, betonte Powell unter Verweis auf das duale Mandat der Fed, die Preise stabil und die Beschäftigung hoch zu halten. 

Der Leitzins muss in den restriktiven Bereich 

Damit die Inflation wieder auf ihren Zielwert von zwei Prozent sinkt, sei es nötig, dass die Wachstumsrate der Wirtschaft unter ihren langjährigen Trendwert fällt und der Arbeitsmarkt sich abkühlt, erklärte Powell. Analysten rechnen für die ausstehenden Sitzungen in diesem Jahr (September, November und Dezember) daher mit weiteren Zinserhöhungen. Ende des Jahres könnte der Leitzins bei 3,0 bis 3,75 Prozent liegen und im nächsten Jahr mit vier Prozent seinen Höhepunkt erreichen, erwarten Ökonomen. 

Damit lägen die Geldbeschaffungskosten nach Einschätzung der Fed im restriktiven Bereich. So verorten die Notenbanker den neutralen Zins, bei dem die Wirtschaft spannungs- und inflationsfrei wächst, bei rund 2,5 Prozent. Die offenkundige Bereitschaft der Fed, den Leitzins über das neutrale Niveau hinaus anzuheben, zeigt, dass für sie der Kampf gegen die Inflation derzeit oberste Priorität besitzt. Dabei nimmt sie auch in Kauf, dass die Wirtschaft im Gefolge der geldpolitischen Straffung in die Rezession rutscht. 

Legt man die landläufige Definition einer Rezession von zwei Quartalen mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts in Folge zugrunde, könnte sich die US-Wirtschaft bereits in einer Rezession befinden. Analysten gehen davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt nach dem Minus von annualisiert 1,6 Prozent im ersten Quartal auch im zweiten Quartal geschrumpft ist. 

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