Eberhard Karwinski von Karwin hat viele Verbesserungsvorschläge - und die sind teuer. Der Vorsitzende des Cottbuser Seniorenbeirats zählt auf, was die älteren Menschen von ihrer Stadt erwarten: Der öffentliche Nahverkehr muss umgebaut, Wohnungen altengerecht und bezahlbar werden. Zusätzlich braucht Cottbus Pflegeeinrichtungen, Kultur- und Bildungsangebote, Freizeit- und Sportmöglichkeiten. Die Stadtverordnetenversammlung hat dies erst im Dezember in ihren seniorenpolitischen Leitlinien festgeschrieben. „Die Problematik ist endlich im Stadtparlament angekommen“, sagt Karwinski von Karwin.
Fast jeder vierte Cottbuser ist zwischen 50 und 65 Jahre alt, Tendenz steigend. Im Vergleich der kreisfreien Städte ab 100.000 Einwohner liegt die brandenburgische Stadt damit an der Spitze. Heike Konzack, seit 2009 Cottbuser Seniorenbeauftragte, beeilt sich zu betonen: „Die seniorenpolitischen Leitlinien sind keine Wunschliste der Senioren.“ Viele Maßnahmen seien essentiell, um einen immer größeren Teil der Einwohner nicht vom täglichen Leben auszuschließen.
Was genau passieren muss, ist allerdings noch nicht ganz klar. Bis Oktober 2014 will die Stadt einen Maßnahmenplan beschließen. Erst dann wird deutlich, wie viel die Stadt investieren muss, um der Generation Ü 50 gerecht zu werden – und wie viel sie investieren kann. Auch in anderen Städten wie Berlin, München oder Münster haben die Verwaltungen bereits Konzepte erarbeitet, um ihrer alternden Bevölkerung gerecht zu werden.
Investitionsstau von 53 Milliarden Euro
Deutschlandweit müssen Kommunen rund 53 Milliarden Euro in den Aus- und Umbau barrierefreier Infrastruktur stecken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Deutschen Instituts für Urbanistik (Difu) unter Vertretern von Kommunen. Der „hohe Nachholbedarf an barrierefreien Umbauten“ mache die hohen Investitionen notwendig.
Konkret heißt das: In den kommenden Jahren müssen Bushaltestellen so umgebaut werden, dass ältere Menschen ebenerdig einsteigen können. Winterdienste sollen Straßen freigeräumt haben, bevor Menschen mit einem Rollator zum Arzt gehen. In Verwaltungsgebäuden und Wohnhäusern müssen Rampen und Aufzüge eingebaut werden. So viel zu den Ansprüchen.
Die Haushaltslage vieler Kommunen lässt allerdings auf eine andere Entwicklung schließen. Angesichts klammer Kommunen hat Busso Grabow, Leiter des Bereichs Wirtschaft und Finanzen am Difu, wenig Hoffnungen, dass die Städte derartige Investitionen bald angehen: „Die Städte können sich das nicht leisten.“ Ähnlich sieht das der Präsident des Deutschen Städtetags, Ulrich Maly. „Der Investitionsstau ist alarmierend“, sagte er kürzlich der Berliner Zeitung.
Wo lebt die Generation Ü50?
Aufgrund sinkender Geburtenzahlen und steigender Lebenserwartung steigt der Anteil der Über 50-Jährigen an der Bevölkerung. Aktuell hat Mecklenburg-Vorpommern den höchsten Anteil an 50 bis 65-Jährigen, am wenigsten Menschen in dem Alter leben in Hamburg.
Der Vergleich der 71 kreisfreien Städte ab 100.000 Einwohner zeigt: Durchschnittlich jeder fünfte Einwohner in diesen Städten ist zwischen 50 und 65 Jahre alt. Städte mit einem großen Anteil an sogenannten Best Ager liegen im Ruhrgebiet. Verhältnismäßig weniger gibt es hingegen in Städten mit vielen Studenten wie München, Dresden und Münster.
Nicht nur ein Kostenfaktor
In Cottbus will man die ältere Generation nicht nur als Kostenfaktor sehen. Seniorenbeauftragte Heike Konzack weiß, wie sehr die Stadt auf die Senioren angewiesen ist. „Wenn deren ehrenamtliches Engagement wegbräche, könnten wir die Stadt zumachen“, sagt sie. Vor allem in den Sportvereinen hielten Senioren den Betrieb am Laufen, zum Beispiel als Übungsleiter.
Eine Studie des Deutschen Zentrums für Altersfragen kommt zu dem Schluss, dass der Anteil der erwerbstätigen und ehrenamtlich beschäftigten Rentner in Deutschland seit Jahren steigt. Konzack hat schon häufig beobachtet, dass sich Stadtverwaltung und Unternehmen um Mitarbeiter im Ruhestand bemühen. „Teilweise arbeiten die Älteren dort im Ruhestand sogar ehrenamtlich weiter“, sagt sie.
Die wachsende Zahl der Über 50-Jährigen hat noch eine weitere Auswirkung. Sie verschiebt das Machtgefüge innerhalb der Städte. In Cottbus wurde der Seniorenbeirat 2011 in die Hauptsatzung der Stadt aufgenommen und hat so enorm an Bedeutung gewonnen. Seine Mitglieder werden seitdem gewählt und beraten die Verwaltung in vielen Punkten, berichtet Seniorenbeauftragte Heike Konzack. „Wenn es mehr Senioren gibt, wird der Einfluss automatisch größer.“ In der Verwaltung gebe das die richtigen Impulse, sagt sie. Sie stellt aber auch klar: „Wir wollen keine Seniorenstadt werden.“