Gespenst der großen Inflation? Keine Panik vor den steigenden Preisen

Der Hamburger Hafen während des Lockdowns. Quelle: dpa

Die Preise ziehen an, richtig. Und Vorsicht ist geboten. Aber bitte keine Panik! Die Wirtschaftspolitik hat es in der Hand, elastisch auf die Erholung der Nachfrage nach Corona zu reagieren. Ein Gastbeitrag.

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In Deutschland schrillen mal wieder die Alarmglocken. Kaum hat die dritte Dekade dieses Jahrhunderts begonnen, zeigt die Rate der Preisinflation nach oben. Sie lag jüngst bei 2,5 Prozent, nachdem sie in den letzten Jahren hierzulande niemals die Zwei-Prozent-Marke überschritt. Ist das wirklich beunruhigend?

Im historischen Vergleich sicherlich nicht. Es hat seit den frühen Sechzigerjahren lange Phasen gegeben, in denen eine Inflationsrate von 2,5 Prozent als gewaltiger stabilitätspolitischer Erfolg gefeiert worden wäre. Dies gilt für die Zeit der Deutschen Mark bis Mitte der Neunzigerjahre. Erst mit dem Aufgalopp zum Euro und dessen Einführung Ende der Neunzigerjahre kam das Zeitalter der säkularen Preisstabilität, soweit man dieses Prädikat wie üblich an Inflationsraten von maximal zwei Prozent bindet.

Auch in der kräftigen konjunkturellen Erholung nach der Weltfinanzkrise (2009 bis 2011) schoss die Preisinflation nur wenig über diese Marke hinaus, so dass die jüngste Erfahrung schon ungewöhnlich ist. Aber sie lässt sich durch eine Reihe von Sondereffekten erklären, von steigenden Energie- und Rohstoffpreisen bis zum Auslaufen der Mehrwertsteuersenkung.

von Malte Fischer, Julian Heißler, Rüdiger Kiani-Kreß, Annina Reimann, Peter Steinkirchner

Nicht nur deshalb lässt sich die Inflation einstweilen mit Gelassenheit hinnehmen. Wichtiger noch ist, dass sie auf einem Pegel ansetzt, der tatsächlich extrem niedrig ist und sich noch überhaupt nicht in inflationären Erwartungen an den Kapital- und Arbeitsmärkten niedergeschlagen hat.

Ganz im Gegenteil: Der langfristige Kapitalmarktzins ist in Deutschland noch immer negativ, wenn auch nicht mehr ganz so tief im Minus wie noch vor einigen Monaten. Aber das ist durchaus willkommen, da die Schrumpfung der Ersparnisse durch Negativzinsen den Anlegern über Jahre Kopfzerbrechen bereitet hat.

Ähnliches gilt bei den Tarifverträgen am Arbeitsmarkt. Tatsache ist, dass fachlich qualifizierte Arbeit immer knapper und teurer wird – dank der demografischen Entwicklung und dem Ausscheiden der Babyboomer aus dem Arbeitsmarkt. Aber dies hat nichts zu tun mit Erwartungen einer beschleunigten Geldentwertung, die es (noch) nicht gibt.

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Wie stets ist natürlich vorsichtige Beobachtung geboten. Die nächsten Monate und Jahre werden darüber entscheiden, ob die deutsche Wirtschaft elastisch genug auf die Erholung der Nachfrage nach Corona reagiert. Diese Elastizität zu erhöhen, hat die Wirtschaftspolitik zum Teil selbst in der Hand. Sie kann und muss nach der nächsten Bundestagswahl die Weichen stellen für mehr private und öffentliche Investitionen sowie eine gestärkte Innovationskraft. Nicht in allen Wahlprogrammen der Parteien ist davon etwas zu lesen.

Mehr zum Thema: Nach dem Coronaschock steigt die Nachfrage, zudem treibt staatliche Regulierung die Preise. Die Zentralbanken aber pumpen ungebremst weiter.

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