Globalisierung Deutschland tickt nicht global genug

Seite 2/4

Werkbank war gestern

Jahrelang haben Unternehmen wie Apple von den günstigen Lohnverhältnissen in Schwellenländern profitiert - Und haben sich damit selbst ihren größten Konkurrenten erschaffen Quelle: REUTERS

Jahrelang hat der Westen Globalisierung kurzsichtig als reinen Wettlauf um komparative Kostenvorteile begriffen, weil nach dem Ende des Kalten Krieges plötzlich zwei Milliarden billiger Werktätiger auf den globalen Arbeitsmarkt gespült wurden, die man nur anheuern musste – vom früheren Sowjetblock bis zum Billigkaufhaus China, das Reformer Deng Xiaoping eröffnete.

Über zwei Jahrzehnte hat der Westen die Schwellenländer als Niedriglöhner ausgeschlachtet. Virtuos beherrschte Apple das Spiel. Das iPad schrauben Tagelöhner für 6,50 Dollar in China zusammen – das Gros des Verkaufspreises von knapp 500 Dollar bleibt bei Apple in Kalifornien.

Das Modell Apple hat ausgedient. Jetzt sind die Löhne so hoch, dass Apple-Lohnfertiger Foxconn das Heer an Wanderarbeitern durch eine Million Roboter ersetzen will, was Montagepreise erhöht und Gewinne schrumpfen lässt. Der Führung in Peking ist das nur recht, denn sie will das Wachstumsmodell ohnehin ändern: China soll künftig über selbst entwickelte Exporte und durch Binnenkonsum wachsen und nicht mehr nur Handys für Langnasen zusammenschrauben. Peking möchte die Wertschöpfung im Inland erhöhen, um ein Heer an Uniabsolventen in Lohn und Brot zu bringen – zulasten der Wanderarbeiter, die statt in Fabriken auf dem Bau geparkt werden.

Welche Länder die meisten Gold- und Devisenreserven haben

Vom Lieferanten zum Finanzier

Paradox daran ist: Indem der Westen die Schwellenländer eigennützig als billige Werkbänke benutzt hat, versorgte er sie mit Know-how und züchtete so seine neuen Konkurrenten heran. Zumal mit dem Outsourcing nach Asien die Schulden stiegen: Als Jobs in die ferne Welt abwanderten und daheim die Arbeitslosigkeit stieg und die Kaufkraft versiegte, heizten die meisten Regierungen den Binnenkonsum durch billige Kredite an – refinanziert über die Staatsfonds aus China oder Russland. Aus Lieferanten wurden Finanziers.

Ob das gut geht, wird die Zukunft zeigen. Kein Land der Welt ist vor Krisen gefeit. Aber selbst wenn China in eine Rezession driftet, bleibt die Volksrepublik ein gewaltiger Absatzmarkt, der eine ordentliche Entwicklungsbasis erreicht hat. Allein dies hat zur Folge, dass weiter Geld ins Reich der Mitte fließt und China die Lokomotive der Weltwirtschaft bleibt – trotz aller Ungleichheit im Inland.

Denkfehler der Demokraten

Schon kommt es täglich im ganzen Land zu Demonstrationen wegen sozialer Schieflagen, was im Westen gern als demokratische Regung gedeutet wird. Sind die Städter erst einmal satt, so die Interpretation, wollen sie mitbestimmen – und fordern Rechtssicherheit, unzensierte Presse, Meinungs- und Versammlungsfreiheit. Das Internet sehen abendländische Beobachter als jenes Ventil, über das sich eine vitale Blogger-Community Luft verschafft. Die Ventile, heißt es hierzulande, sie pfeifen schon. Eines Tages werden die Chinesen die autoritäre Führung aus ihren Sesseln prügeln und seufzend in den Schoß der Demokraten fallen.

Derselbe Denkfehler ist dem Westen im arabischen Frühling unterlaufen. Da ging es den Menschen im Maghreb weniger um abstrakte Demokratie. Vielmehr trieb Frust ob der Arbeitslosigkeit junge Leute auf die Straße. Am Ende triumphierten islamistische Parteien, nicht die Parteigänger des Westens – auch dies ein Zeichen für den Bedeutungsverlust der westlichen Kultur.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%