
Diese Botschaft an die deutsche Politik ist eindeutig: Für 73 Prozent der Bürger sind Bildungsthemen ein "wichtiger" oder "sehr wichtiger" Faktor bei ihrer Entscheidung, wo sie bei Landtagswahlen das Kreuzchen machen. Unter jenen, die immer oder meistens zur Wahl gehen, sind es sogar 76 Prozent, die darauf schauen, was die Parteien für Kitas, Schulen und Universitäten leisten (wollen). Zu diesen Ergebnissen kommt das so genannte Bildungsbarometer des Münchner ifo-instituts. Im ifo-Auftrag hat das Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest rund 4200 Bundesbürger befragt. Es ist laut ifo die bislang größte Meinungsumfrage zum Thema Bildung in Deutschland.

Die Bürger haben klare Vorstellungen davon, wohin es bildungspolitisch gehen gehen soll; die ifo-Forscher registrieren in ihrer Studie eine "erstaunliche Reformbereitschaft" im Volk. Die Mehrheit plädiert dafür, dass Eltern die Grundschule ihrer Kinder frei wählen können (63 Prozent) - bisher gilt meist die so genannte "Sprengelpflicht", wonach Eltern die Sprösslinge ortsnah anmelden müssen. 64 Prozent fänden es richtig, wenn allein die Noten darüber entscheiden, auf welchen Schultyp ein Kind nach der Grundschule wechselt - derzeit entscheiden in vielen Bundesländern darüber die Eltern.

In Kindertagesstätten sollen verbindliche Qualitätsstandards für die Ausbildung der Erzieherinnen und die Gruppengröße gelten, sagen 87 Prozent der Befragten. Über 60 Prozent plädieren zudem dafür, das so genannte Kooperationsverbot im Schulbereich aufzuheben. Laut Grundgesetz ist Bildungspolitik stets Ländersache, der Bund darf also weder Finanzhilfen im Bildungsbereich zahlen noch eigene bildungspolitische Initiativen ergreifen. Die künstliche Trennung hat sich in der Praxis offenbar nicht bewährt.

Nicht ganz so eindeutig ist die Stimmungslage beim Thema Ganztagsschulen. Zwar ist eine Mehrheit von 61 Prozent dafür, dass Deutschland ein flächendeckendes und verpflichtendes Ganztagsschulsystem einführt. Derzeit gibt es das nur in Ansätzen. "Allerdings ist die Länge des Schultags in Ganztagsschulen für viele ein wichtiges Kriterium", schreiben die ifo-Forscher. Eine breite Mehrhereit gibt es nur dann, wenn der Unterricht für die Kinder spätestens um 15 Uhr endet. Einen Ganztag bis 17 Uhr wollen nur noch 47 Prozent.
Eine Abfuhr erteilen die Bürger dem von der Bundesregierung auf Druck der CSU eingeführten Betreuungsgeld. Diese Sozialleistung für Eltern, die ihre zwei- und dreijährigen Kinder zu Hause lassen und nicht in einer Kita anmelden, war im Juli vom Bundesverfassungsgericht als grundgesetzwidrig verworfen worden. Dadurch ist im Bundesetat knapp eine Milliarde Euro frei geworden. Jetzt tobt in Berlin ein Parteienstreit darüber, was mit den frei werdenden Mitteln geschehen soll. In Bayern will die CSU das Betreuungsgeld als Landesleistung weiterzahlen.
Und was sagen die Bürger? Je nach Parteipräferenz sind zwischen 57 und 64 Prozent prinzipiell gegen eine "Herdprämie". 75 Prozent fordern gleichwohl "steigende" oder "stark steigende" Bildungsausgaben des Staates, unter den Eltern sind es sogar 85 Prozent. Die Bürger haben auch durchaus Ideen, wo das Geld hinfließen könnte. Fast 80 Prozent befürworten zum Beispiel steigende Gehälter für Erzieherinnen. Informiert man die Befragten über die derzeit gezahlten Löhne im Erziehungsbereich, sind noch 69 Prozent für Tariferhöhungen beim Kita-Personal.