WirtschaftsWoche: Herr Beck, die Euro-Krise ist nach Jahren nicht gelöst. Es ist Zeit für große Lösungen. Brauchen Spanien, Frankreich und Griechenland üppige Konjunkturprogramme, um wieder auf die Beine zu kommen?
Hanno Beck: Nein, ganz und gar nicht. Diese Länder haben Struktur-, aber keine Konjunkturprobleme. Sie brauchen nicht mehr Geld, sondern Reformen. Nehmen Sie zum Beispiel Frankreich: Das Land leidet unter hohen Steuern und Lohnkosten, einem starren Arbeitsmarkt und seinen teuren Sozialsystemen. Diese Probleme wird kein Konjunkturprogramm der Welt lösen. Geld in die Wirtschaft zu pumpen, um die Nachfragen anzufeuern, könnte die Härte des Aufschlags, der droht, abfedern und Zeit kaufen. Aber die Milliarden werden nicht die Ursachen der Probleme beseitigen. Billiges Geld, sei es aus Konjunkturprogrammen oder durch eine laxe Geldpolitik, birgt zudem die Gefahr, zu Fehlinvestitionen zu verleiten.
So wie in Spanien, wo nach der Jahrtausendwende ein Bauboom über das Land zog.
Exakt. Spanien wurde mit billigem Geld überschwemmt. Die Folge: Es wurden Investments getätigt, die man bei normalen Zinsen nicht umgesetzt hätte. Heute stehen an Spaniens Küsten unzählige Bauruinen und es ist nachhaltig nicht ein Arbeitsplatz entstanden.
Hintergrund
Hanno Beck, Jahrgang 1966, war bis 2006 Mitglied der Wirtschaftsredaktion der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Seit 2006 ist er Professor für Volkswirtschaftslehre und Wirtschaftspolitik an der Hochschule Pforzheim. Hanno Beck ist Autor zahlreicher Bücher.
Der Wert unseres Geldes, unser Vermögen und unsere Wirtschaft stehen auf dem Spiel. Die Notenbanken der Welt haben sich zu Geiseln der Politik degradieren lassen. Bürger, Steuerzahler und Sparer sind die Leittragenden: Der anhaltende Niedrigzins frisst ihr Erspartes auf, die Flut billigen Zentralbank-Geldes führt zu immer neuen gefährlichen Blasen, die Rettungsaktionen für marode Banken übersteigen jedes Maß. Hanno Beck und Aloys Prinz zeigen, wie Geld, Schulden, Geschäfts- und Zentralbanken wirklich funktionieren - und warum die Politik endlich aufhören muss, mit unserem Geld zu spielen.
Aloys Prinz, Jahrgang 1956, war von Ende 1993 bis Frühjahr 2006 Professor für Wirtschaftspolitik an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Seit April 2000 ist er Professor für Finanzwissenschaft an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.
"Wer über Ersparnisse verfügt, sollte dieses Buch lesen, denn dann erfährt er, wie er sie durch die Eurokrise und die vermeintlichen Rettungsaktionen verlieren wird. Ruhig schlafen kann er nach der Lektüre nicht mehr, aber die Unruhe, die das Buch erzeugt, ist die Basis für die Entwicklung von privaten und politischen Abwehrstrategien. Ein sehr lesenswertes Buch mit wichtigen Einsichten" - Hans-Werner Sinn
Frankreich und Italien sehen das anders. Wissen die es nicht besser, oder wollen die Regierungen in Paris und Rom es nicht besser wissen?
Sie müssen es besser wissen. Es ist doch seit Jahrzehnten das gleiche. Wir kriegen eine Krise und pumpen Geld ins System, um die Krise zu lindern. So geschehen nach der Dotcom-Blase, und erneut nach dem 11. September. Das billige Geld löste erst die Immobilienkrise und später die Euro-Schuldenkrise aus. Und was passiert? Wir pumpen erneut Geld nach. Wir tun immer das gleiche, erwarten aber ein anderes Ergebnis: Das ist doch Wahnsinn! Italien und Frankreich wissen um diesen Widerspruch. Sie hoffen schlicht - das ist jedenfalls meine Interpretation -, dass jemand anderes die Zeche für ihre Schuldenpolitik zahlt. Denn das wird doch die entscheide Frage in den kommenden Monaten innerhalb der Währungsunion sein: Bekommen wir eine Transferunion – oder setzen wir auf das Prinzip der Eigenverantwortung?
Was die Kritiker der Sparpolitik sagen
"Wachstum und Beschäftigung müssen an erster Stelle kommen, und das, indem wir alle Spielräume des Stabilitätspakts nutzen."
François Hollande, französischer Staatspräsident
"Seit Beginn der Krise haben die Konservativen Europa mit einem Kürzungsfeldzug nach dem anderen überzogen."
Udo Bullmann, Vorsitzender der SPD-Abgeordneten im Europaparlament
"Unsere Regierung will unterstreichen, dass die Politik des Rigorismus und der Austerität nichts gebracht hat und für beendet erklärt werden muss."
Matteo Renzi, italienischer Ministerpräsident
"Bisher haben wir für Krisenländer Rettungsprogramme gemacht, aber wenn man aus der Intensivstation herauskommt, muss eine Reha-Phase folgen."
Peter Bofinger, Wirtschaftsweiser
"Das Setzen auf reine Sparpolitik ist gescheitert."
Sigmar Gabriel, SPD-Vorsitzender und Vizekanzler
"Sparmaßnahmen von einem Prozent des BIPs reduzieren das Produktionspotenzial der Wirtschaft um rund ein Prozent. Das zeigt: Austeritätspolitik ist in höchstem Maße kontraproduktiv."
Paul Krugman, US-Ökonom und Nobelpreisträger
Die Frage ist doch bereits beantwortet: Wir haben Rettungsschirme gespannt, die Geldpolitik aufgeweicht und eine Notenbank, die marode Staatsanleihen aufkauft.
Ja, da ist was dran. Wenn man so will, haben wir de facto bereits eine Transferunion. Sie ist lautlos und noch nicht so ausgeprägt, wie es einige Mitgliedsländer der Euro-Zone gerne hätten, aber ja: Der deutsche Steuerzahler haftet schon heute für Missmanagement der anderen Unionsmitglieder.
Wer trägt die Schuld an dem wackeligen Zustand der Euro-Zone: Die EZB oder die Nationalstaaten, die die gewonnene Zeit nicht für Reformen genutzt haben?
Der EZB kann man keinen Vorwurf machen. Wenn sie nicht getan hätte, was sie getan hat, wäre der Euro heute Geschichte. Man kann einer Institution wie der Zentralbank nicht vorwerfen, dass sie alles tut, um sich nicht selbst abzuschaffen. Denn ohne Euro gäbe es auch keine EZB mehr. Gleichzeitig gilt natürlich: Man kann schwerlich behaupten, dass die EZB-Politik der vergangenen Jahre nachhaltig gewesen ist. Auf Dauer ist es kein Rezept, einfach mehr Papier mit einem Euro-Zeichen zu versehen und unters Volk zu streuen.
„Wir erleben eine Vermögenspreisinflation"
Das sehen einige namhafte Volkswirte durchaus anders – und verweisen auf die gesunkenen und inzwischen sehr geringen Renditen für Staatsanleihen der Euro-Mitgliedsstaaten. Ist das kein Erfolg?
Das kommt drauf an, auf welcher Seite sie stehen. Wenn Sie Bundesfinanzminister sind, dann können Sie guten Gewissens sagen: Die Geldpolitik ist eine super Sache. Ich kann fast gratis neue Schulden aufnehmen und schneller als gewünscht einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren. Die Renditen sind letztlich ja nur so niedrig, weil die Märkte darauf spekulieren, dass die EZB im Zweifel das Risiko übernimmt. Für Schuldner ist die Politik weniger gut. Denn einer muss ja die Zeche zahlen. Das sind in diesem Beispiel all jene, die in Staatsanleihen investieren. Das sind nicht nur amerikanische Hedgefonds, sondern auch deutsche Häuser, die Lebensversicherungen anbieten. So leidet der Bürger über Umwege ebenso, wie auch der Sparer, der sein Geld auf dem Sparbuch bunkert. Zudem gibt es noch einen Punkt, der in der öffentlichen Diskussion oft übersehen wird.
Und zwar?
Wir erleben seit mehreren Monaten eine Vermögenspreisinflation. Das Geld, was in die Wirtschaft gepumpt wurde, wandert in Sachwerte. Denn die Bürger sind klüger als die Politik oftmals denkt. Sie versuchen, ihr Geld in Sicherheit zu bringen und investieren in Sach- oder Vermögenswerte.
Also in Immobilien.
Nicht nur. Das ist sicher der bekannteste Markt, aber die Bildung von Preisblasen erleben wir auf allen erdenklichen Ebenen. Schauen Sie sich Briefmarken, Gemälde, Münzen oder auch alte Gitarren an, für die ich eine Leidenschaft habe. Es gibt Indizes für historische Musikinstrumente: Dort können sie lesen, wie sehr die Preise in den vergangenen Monaten gestiegen sind. Das Problematische an dieser Form der Inflation: Die Verlierer sind noch nicht ausgemacht. Denn die Frage ist, wie weit sich die Blase noch aufbaut, bis sie platzt. Wenn Sie platzt, wird viel Geld vernichtet. Und die Verteilungswirkungen einer solchen Blase sind kaum kalkulierbar; zudem ist das eine äußerst undemokratische Veranstaltung.
So kommen Immobilien-Anleger durch das Zinstal
Fallen die Zinsen, können sich mehr Interessenten eine Immobilienfinanzierung leisten
Die Rendite vermieteter Immobilien wird im Vergleich zu Zinsanlagen attraktiver, das steigert die Nachfrage
Es gibt immer weniger Verkäufer, denn auf dem Tagesgeldkonto brächte ihnen der Verkaufserlös kaum Ertrag. Auch das treibt die Preise
Immobilieneigentümer können sich über Wertsteigerungen freuen
Kaufwillige können in Ruhe nach dem richtigen Objekt suchen, ohne steigende Kreditzinsen fürchten zu müssen (siehe Baukredite)
Lange Laufzeit (15 Jahre oder mehr) vereinbaren und Zinsersparnis für höhere Tilgung nutzen
Anfangs drängen noch Käufer in den Markt, die kaufen wollen, bevor die Kreditraten für sie nicht mehr zu stemmen sind
Nach diesem kurzen Schlussverkauf sinkt die Nachfrage. Das Angebot steigt, weil vermietete Immobilien im Vergleich zu Zinsanlagen weniger attraktiv werden. Sinkende
Nachfrage bei steigendem Angebot lässt die Immobilienpreise fallen
Kaufwillige, die Kredit brauchen, sollten sich sputen
Steigende Zinsen sind aber kein Grund, überteuerte Immobilien zu kaufen
Immobilieninvestoren, die ohne Kredit auskommen, sollten den ersten Schlussverkauf abwarten
Eigentümer können sich im Voraus niedrige Zinsen für den Anschlusskredit sichern (siehe Baukredite)
Eigentümer profitieren von fallenden Zinsen, die preistreibend wirken. Käufer haben weniger Vorteile, da steigende Kaufpreise die niedrigen Kreditraten teilweise ausgleichen. Steigende Zinsen belasten den Markt generell
Wie erkenne ich, wann eine Blase unmittelbar vor dem Platzen steht?
Das ist nicht zu sehen. Sie kennen vielleicht den Spruch: An der Börse wird zum Ausstieg nicht geklingelt. Auf dem Immobilienmarkt auch nicht. Vielleicht geht die Geldschwemme noch zwei Jahre gut. Vielleicht auch fünf. Genau so gut kann es sein, dass übermorgen die Blase platzt und Preise erodieren. So oder so: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ungeschoren aus der Krise kommen, ist relativ gering.
Wie lässt sich der drohende Verlust denn abfedern?
Erstens: Panik ist kein Investmentberater. Sagen Sie nicht: ,Oh Gott, die Inflation kommt, ich kaufe ein Haus.‘ Das ist eine ganz schlechte Idee. Schauen Sie, was Ihre Bedürfnisse sind und wie ihre finanziellen Aussichten sind. Was können Sie sich leisten, wie viel Risiko wollen Sie gehen?
Zehn wichtige Tipps für Privatanleger
Edward Bonham Carter, Chairman des britischen Fondsanbieters Jupiter, gibt zehn Ratschläge, die Privatanleger bei der Geldanlage beherzigen sollten.
30. April 2014
"Anleger sind häufig zu ungeduldig. Sie glauben, dass es ihnen hilft, eine gute Performance zu machen, wenn sie häufig die Anlage wechseln. Viele schneiden dadurch nicht besser ab, als wenn sie mittel- bis langfristig investiert bleiben würden."
"Kein Fonds kann immer besser abschneiden als ein Vergleichsindex. Deshalb ist es auch für die Kunden so schädlich, wenn sie immer in den Performancelisten nach den besten Fonds schauen. Wenn sie die jeweils kaufen, wird das auf lange Sicht keinen Erfolg haben."
"Kein Fonds kann immer besser abschneiden als ein Vergleichsindex. Deshalb ist es auch für die Kunden so schädlich, wenn sie immer in den Performancelisten nach den besten Fonds schauen. Wenn sie die jeweils kaufen, wird das auf lange Sicht keinen Erfolg haben."
"Anleger sollten jedoch die Verteilung ihrer Anlageklassen jährlich überprüfen. Sind Aktien sehr stark gestiegen, sollten sie einen Teil davon als Gewinn abschöpfen und in die anderen Anlagearten stecken. Dadurch bleibt langfristig die für die Risikoabsicherung wichtige Anlageaufteilung erhalten."
"Wer sich Dividenden immer ausschütten lässt, profitiert nicht vom Zinseszinseffekt. Daher ist es sinnvoll, Ausschüttungen auch bei Fonds jährlich automatisch wieder anlegen zu lassen."
"Neue Ideen bei Anlageprodukten sind oft Verkaufsschlager. Aber Anleger sollten bei ihnen vorsichtig sein und lieber zunächst auf den Erfolgsnachweis warten, bevor sie zugreifen."
"Wertsicherungsversprechen sind in, aber Anleger müssen beachten, dass jede Wertsicherung Rendite kostet."
"Menschen, die versprechen, dass sie bei der Geldanlage alles im Griff haben und alles können, sollte man mit Vorsicht genießen."
"Psychologie ist wichtig. Man darf nie zu optimistisch oder pessimistisch werden. Und man sollte sich von der Masse fern halten."
"In einem Bullenmarkt mit stark steigenden Aktienkursen will man Fondsmanager haben, die 22 Jahre alt und unbekümmert sind. Aber im Sturm ist es besser, einen erfahrenen Fondsmanager zu haben."
Das sind jetzt aber keine ganz neuen Rezepte.
Ich weiß. Aber glauben Sie mir: Es gibt keine Zaubermittel, um dem Unheil zu entkommen. Und wenn einer einen Königsweg kennt, dann wird er Ihnen den nicht verraten. Vielleicht auf einem Seminar, für das Sie 1000 Euro Teilnahmegebühr zahlen müssen. Aber selbst das ist unwahrscheinlich, der einzige, der mit diesen Seminaren wirklich reicher wird, ist der Anbieter. Der Grund ist ganz einfach: Nehmen wir an, es gäbe einen Ausweg. Etwa: historische Turnschuhe. In dem Moment, wo ich Ihnen sage, investieren Sie in ausgelatschte Sneaker, rennen Sie los, kaufen – und treiben die Preise hoch. Damit wäre mein Weg verbaut. Ich möchte kein Crashprophet sein, aber ich sehe kein Investment, keine Rettung, keine Hoffnung, dass wir den Kosten dieser Krise entkommen.
"Bernd Lucke weiß, wovon er redet"
Was ist mit der Wahl einer politischen Protestpartei?
Das ist eine nette Idee, die ich so noch nicht bedacht habe. Grundsätzlich spricht man in der Politik ja von zwei Möglichkeiten, um Krisen zu entgehen: exit oder voice – flüchten oder die Stimme erheben. Mit Blick auf die Schuldenkrise und der Preisblasenbildung können Sie also versuchen, irgendwo hinzugehen, wo eine sehr strenge Geldpolitik gelebt wird. Da gibt es nicht viele Möglichkeiten. Oder sie stehen auf und sagen, ich wähle nicht mehr die Parteien, die uns den Schlamassel eingebrockt haben.
Die AfD – neue Volkspartei oder kurze Protestepisode?
Es steckt einiges von der Union früherer Zeiten in der Alternative für Deutschland (AfD). Nur in der Europapolitik grenzt sich die AfD klar von dem ab, was Helmut Kohl zu seinen Kanzlerzeiten wichtig war. Die AfD besetzt aber andere zentrale Themen der Union wie Familie, Kriminalität und Zuwanderung - Themen, wie sie die früheren Vorsitzenden von CDU und CSU, Helmut Kohl und Franz Josef Strauß, verkörperten: starke Polizeipräsenz, begrenzte Zuwanderung und ein Familienbild mit Vater, Mutter und Kindern. Die Warnungen der AfD vor einer Überlastung der Sozialsysteme durch Asylbewerber erinnern an die aufgeheizte Das-Boot-ist-voll-Debatte Anfang der 90er Jahre. Die AfD knüpft zudem an die konservative Gedankenwelt von Bundesministern wie Manfred Kanther (CDU) und Theo Waigel (CSU) an.
Doch. Auch heute sind das Schwerpunkte der Union. Doch die CSU war im Europa-Wahlkampf mit ihrer auf Ausländer gemünzten Parole „Wer betrügt, der fliegt“ und dem Herziehen über die EU-Kommission nicht erfolgreich. Und CDU und CSU bekamen unter Angela Merkel und Horst Seehofer bei der Bundestagswahl 41,5 Prozent - mit einer liberaleren Einstellung zu Homosexuellen, mit einer neuen Definition von Familie, aber ohne einen Law-and-Order-Mann als Bundesinnenminister. So machte die Union die Erfahrung, dass ein Kurs der Mitte mehr Stimmen bringt als das Beharren auf konservativen Positionen.
Die AfD setzt sich für mehr Basisdemokratie ein – und steht damit im Kontrast zur CDU. Einige ihrer Mitglieder stammen außerdem aus der Konkursmasse kleinerer rechter, liberaler und konservativer Parteien. Ehemalige Angehörige von NPD und DVU können dagegen nicht Mitglied der AfD werden. Im Osten wirbt die Partei um DDR-Nostalgiker, die zwar den Sozialismus nicht zurückhaben wollen, aber zum Beispiel Elemente des alten Bildungssystems gut finden.
Ja - auch wenn die CDU in Brandenburg und Thüringen trotz Stimmenverlusten an die AfD zulegen konnte. Erstens hat die Union durch ihren Wandel hin zu einer modernen, urbanen Partei eine Flanke an ihrem rechten Rand aufgemacht und könnte weiter Konservative, die in der Union keine Heimat mehr sehen, verlieren. Und zweitens wirbelt die AfD die Parteienlandschaft so durcheinander, dass die Machtoptionen für die Union schwinden. Eine Koalition mit der AfD schließt die CDU genauso aus wie mit der Linken, und auf die FDP kann sie nicht mehr zählen. Unabhängig davon, dass Schwarz-Grün im Bund ein Novum wäre, könnte es mit den Grünen knapp werden - wenn die AfD denn 2017 in den Bundestag einzöge. Bliebe ein Bündnis mit der SPD - das sollte aber aus Sicht beider Parteien kein Dauerzustand sein.
Nicht einheitlich. CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagt: „Wir wollen die Wähler zurückgewinnen.“ Fraktionschef Volker Kauder (CDU) will die AfD ignorieren und sich mit ihren Politikern nicht einmal in eine Talkshow setzen. Wolfgang Bosbach vom konservativen „Berliner Kreis“ der CDU hält das für falsch. Viele Unionspolitiker raten inzwischen, sich intensiv mit der AfD auseinanderzusetzen. Parteichefin und Kanzlerin Angela Merkel ging im Brandenburger Wahlkampf deutlich auf die Grenzkriminalität ein, nachdem die AfD bei der Sachsen-Wahl damit punktete. Koalitionen mit der AfD schließt sie aber aus.
Die AfD stellt sich als Partei der braven Sparer und Steuerzahler dar, deren Wohlstand durch die Rettung maroder Banken und überschuldeter Euro-Länder gefährdet ist. Sie fordert, dass außer Flüchtlingen nur noch „qualifizierte und integrationswillige“ Ausländer nach Deutschland kommen dürfen und bemüht dafür gerne das Beispiel des Einwanderungslandes Kanada. Die AfD, die sich seit ihrem guten Abschneiden bei drei Landtagswahlen als „kleine Volkspartei„ bezeichnet, wettert gegen die in Deutschland inzwischen weit verbreitete Kultur der „politischen Korrektheit“. Ihrer Führungsriege gehören etliche Ex-Mitglieder von CDU und FDP an. Deshalb finden einige wertkonservative Wähler die Strategie der CDU, die AfD wie eine nicht-salonfähige Randgruppe zu behandeln, wenig glaubwürdig.
Nein. „Eintagsfliege“, „Protestpartei“ – diese Etiketten wurden der AfD in den ersten Monaten oft aufgeklebt. Doch im Gegensatz zu den Piraten, die sich lange vor allem der Selbstzerfleischung widmeten, halten sich die internen Streitereien noch im Rahmen. Außerdem hat sich die AfD rasch von einer Ein-Thema-Partei (Eurorettung) zu einer gemausert, die verschiedene Politikfelder besetzt.
Ist das ein Wahlaufruf für die AfD?
Nein. Ich bin kein Fan der AfD, ich habe sie bisher auch nicht gewählt. Ich stelle lediglich fest, dass es nicht viele politische Alternativen zur Euro-Rettungspolitik auf Bundesebene gibt. Gleichzeitig hat die AfD mit Bernd Lucke jemanden an der Spitze, der weiß, wovon er redet. Er ist ohne Frage ein ernstzunehmender Ökonom. Gleichwohl sehe ich auch, dass die Euro-Kritiker, wie alle neuen Parteien, noch in einer Findungsphase stecken, wo es oftmals drunter und drüber geht und wo auch Querulanten negativ auffallen. Aber zurück zu unserem Gedankenspiel: Wenn ich mit der Geldpolitik in Europa nicht einverstanden bin, kann ich also Protest wählen und hoffen, dass die großen Parteien sich beeindruckt zeigen. Möglicherweise kommt es aber auch zum gegenteiligen Effekt: Die AfD-Wähler werden als für die Volksparteien verloren abgeschrieben und die große Mehrheit verbündet sich gegen eine kleine Minderheit, die so mit ihren Anliegen nicht durchdringt. Dennoch ist es kein schlechter Rat zu sagen: Eine Möglichkeit sein Vermögen zu schützen, ist es, politisch zu denken und politisch zu handeln.
Stimmen zu den Wahlen in Thüringen und Brandenburg
„Wir müssen uns härter und offensiver mit der AfD und ihrem Programm auseinandersetzen.“
„Man kann es einfach nicht mehr abstreiten, die Bürger dürsten nach einer politischen Erneuerung im Lande. Sie dürsten nach dieser Erneuerung, weil sie die Profillosigkeit der Alt-Parteien satt haben.“
„Das ist ein bitteres Ergebnis für die SPD, das müssen wir akzeptieren und tapfer tragen.“
„Rot-Rot hat sich überlebt.“
„Die Durststrecke der FDP ist noch nicht zu Ende.“
„Es ist mehr als billig, die politische Verantwortung zu übernehmen.“
„Die AfD ist eine Herausforderung für alle Parteien. Wir sehen sie nicht als Partner.“
Unabhängig vom politischen Willen: Können wir die Geldmenge überhaupt wieder eindämmen, ohne die Wirtschaft zu schwächen und Länder in die Pleite zu treiben?
Das wird sehr schwer. Egal, wie sie diese Krise lösen werden: Es wird teuer. Scheidet Deutschland aus dem Euro aus, sind die Kredite aus den Rettungspaketen vermutlich futsch und durch die Target-II-Salden stehen weitere Milliardenbelastungen an. Dieser Schritt ist folglich kaum realistisch. Nehmen wir an, die Bundesregierung setzt verstärkt für eine stabile Geldpolitik ein und die EZB würde tatsächlich die Zinsen erhöhen, droht gleich mehreren Ländern die Pleite. Wir müssen also bedächtig vorgehen.
Was ist Ihr Vorschlag?
Punkt eins: Wir müssen zur Eigenverantwortung zurückkehren und allen muss klar sein, es gibt keine Gemeinschaftshaftung und keine Bail-Outs. Punkt zwei: Wir müssen einen Rahmen schaffen für Staats- und Bankenpleiten innerhalb der Euro-Zone. Eine Insolvenz darf kein Tabu mehr sein. Wir könnten uns an den USA orientieren: Da kann ein Bundesstaat ja auch pleite gehen. Das Problem dieser Lösung: Sie haben – analog wieder zu den USA – einen Währungsraum, in dem die Lebensverhältnisse unterschiedlich sind. Dafür gibt es mehr Stabilität.
Oder wir leben das Modell der Solidarität, sprich: Wir springen ein und jeder zahlt für jeden. Das funktioniert aber nur, wenn sie eine gemeinsame Fiskalpolitik haben. Sonst machen sich die einen Länder einen Lenz und bieten kostenlose Kindergartenplätze und Universitäten an, und die anderen zahlen und sparen. Ich halte dieses Modell für unrealistisch, es stößt ja schon innerhalb Deutschlands an seine Grenzen – siehe dazu die Querelen um den deutschen Finanzausgleich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Länder wie Frankreich ihre Budgetpolitik diktieren lassen werden. Deshalb sollten wir alles dafür tun, dass wieder mehr Eigenverantwortung in Europa gelebt wird.