Hanno Beck über Folgen der Geldschwemme "Die Blase wird platzen, die Preise werden erodieren"

VWL-Professor Hanno Beck warnt, dass die Politik des billigen Geldes fatale Folgen haben wird - schon jetzt gebe es Preisblasen auf allen erdenklichen Ebenen. Einen Ausweg sieht auch er nicht.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Eine Nadel will eine Geldblase zum Platzen bringen Quelle: dpa, Montage

WirtschaftsWoche: Herr Beck, die Euro-Krise ist nach Jahren nicht gelöst. Es ist Zeit für große Lösungen. Brauchen Spanien, Frankreich und Griechenland üppige Konjunkturprogramme, um wieder auf die Beine zu kommen?

Hanno Beck: Nein, ganz und gar nicht. Diese Länder haben Struktur-, aber keine Konjunkturprobleme. Sie brauchen nicht mehr Geld, sondern Reformen. Nehmen Sie zum Beispiel Frankreich: Das Land leidet unter hohen Steuern und Lohnkosten, einem starren Arbeitsmarkt und seinen teuren Sozialsystemen. Diese Probleme wird kein Konjunkturprogramm der Welt lösen. Geld in die Wirtschaft zu pumpen, um die Nachfragen anzufeuern, könnte die Härte des Aufschlags, der droht, abfedern und Zeit kaufen. Aber die Milliarden werden nicht die Ursachen der Probleme beseitigen. Billiges Geld, sei es aus Konjunkturprogrammen oder durch eine laxe Geldpolitik, birgt zudem die Gefahr, zu Fehlinvestitionen zu verleiten.

So wie in Spanien, wo nach der Jahrtausendwende ein Bauboom über das Land zog.

Exakt. Spanien wurde mit billigem Geld überschwemmt. Die Folge: Es wurden Investments getätigt, die man bei normalen Zinsen nicht umgesetzt hätte. Heute stehen an Spaniens Küsten unzählige Bauruinen und es ist nachhaltig nicht ein Arbeitsplatz entstanden.

Hintergrund

Frankreich und Italien sehen das anders. Wissen die es nicht besser, oder wollen die Regierungen in Paris und Rom es nicht besser wissen?

Sie müssen es besser wissen. Es ist doch seit Jahrzehnten das gleiche. Wir kriegen eine Krise und pumpen Geld ins System, um die Krise zu lindern. So geschehen nach der Dotcom-Blase, und erneut nach dem 11. September. Das billige Geld löste erst die Immobilienkrise und später die Euro-Schuldenkrise aus. Und was passiert? Wir pumpen erneut Geld nach. Wir tun immer das gleiche, erwarten aber ein anderes Ergebnis: Das ist doch Wahnsinn! Italien und Frankreich wissen um diesen Widerspruch. Sie hoffen schlicht - das ist jedenfalls meine Interpretation -, dass jemand anderes die Zeche für ihre Schuldenpolitik zahlt. Denn das wird doch die entscheide Frage in den kommenden Monaten innerhalb der Währungsunion sein: Bekommen wir eine Transferunion – oder setzen wir auf das Prinzip der Eigenverantwortung?

Was die Kritiker der Sparpolitik sagen

Die Frage ist doch bereits beantwortet: Wir haben Rettungsschirme gespannt, die Geldpolitik aufgeweicht und eine Notenbank, die marode Staatsanleihen aufkauft.

Ja, da ist was dran. Wenn man so will, haben wir de facto bereits eine Transferunion. Sie ist lautlos und noch nicht so ausgeprägt, wie es einige Mitgliedsländer der Euro-Zone gerne hätten, aber ja: Der deutsche Steuerzahler haftet schon heute für Missmanagement der anderen Unionsmitglieder.

Hanno Becks neues Buch

Wer trägt die Schuld an dem wackeligen Zustand der Euro-Zone: Die EZB oder die Nationalstaaten, die die gewonnene Zeit nicht für Reformen genutzt haben?

Der EZB kann man keinen Vorwurf machen. Wenn sie nicht getan hätte, was sie getan hat, wäre der Euro heute Geschichte. Man kann einer Institution wie der Zentralbank nicht vorwerfen, dass sie alles tut, um sich nicht selbst abzuschaffen. Denn ohne Euro gäbe es auch keine EZB mehr. Gleichzeitig gilt natürlich: Man kann schwerlich behaupten, dass die EZB-Politik der vergangenen Jahre nachhaltig gewesen ist. Auf Dauer ist es kein Rezept, einfach mehr Papier mit einem Euro-Zeichen zu versehen und unters Volk zu streuen.

„Wir erleben eine Vermögenspreisinflation"

Das sehen einige namhafte Volkswirte durchaus anders – und verweisen auf die gesunkenen und inzwischen sehr geringen Renditen für Staatsanleihen der Euro-Mitgliedsstaaten. Ist das kein Erfolg?

Das kommt drauf an, auf welcher Seite sie stehen. Wenn Sie Bundesfinanzminister sind, dann können Sie guten Gewissens sagen: Die Geldpolitik ist eine super Sache. Ich kann fast gratis neue Schulden aufnehmen und schneller als gewünscht einen ausgeglichenen Haushalt präsentieren. Die Renditen sind letztlich ja nur so niedrig, weil die Märkte darauf spekulieren, dass die EZB im Zweifel das Risiko übernimmt. Für Schuldner ist die Politik weniger gut. Denn einer muss ja die Zeche zahlen. Das sind in diesem Beispiel all jene, die in Staatsanleihen investieren. Das sind nicht nur amerikanische Hedgefonds, sondern auch deutsche Häuser, die Lebensversicherungen anbieten. So leidet der Bürger über Umwege ebenso, wie auch der Sparer, der sein Geld auf dem Sparbuch bunkert. Zudem gibt es noch einen Punkt, der in der öffentlichen Diskussion oft übersehen wird.

Und zwar?

Wir erleben seit mehreren Monaten eine Vermögenspreisinflation. Das Geld, was in die Wirtschaft gepumpt wurde, wandert in Sachwerte. Denn die Bürger sind klüger als die Politik oftmals denkt. Sie versuchen, ihr Geld in Sicherheit zu bringen und investieren in Sach- oder Vermögenswerte.

Also in Immobilien.

Nicht nur. Das ist sicher der bekannteste Markt, aber die Bildung von Preisblasen erleben wir auf allen erdenklichen Ebenen. Schauen Sie sich Briefmarken, Gemälde, Münzen oder auch alte Gitarren an, für die ich eine Leidenschaft habe. Es gibt Indizes für historische Musikinstrumente: Dort können sie lesen, wie sehr die Preise in den vergangenen Monaten gestiegen sind. Das Problematische an dieser Form der Inflation: Die Verlierer sind noch nicht ausgemacht. Denn die Frage ist, wie weit sich die Blase noch aufbaut, bis sie platzt. Wenn Sie platzt, wird viel Geld vernichtet. Und die Verteilungswirkungen einer solchen Blase sind kaum kalkulierbar; zudem ist das eine äußerst undemokratische Veranstaltung.

So kommen Immobilien-Anleger durch das Zinstal

Wie erkenne ich, wann eine Blase unmittelbar vor dem Platzen steht?

Das ist nicht zu sehen. Sie kennen vielleicht den Spruch: An der Börse wird zum Ausstieg nicht geklingelt. Auf dem Immobilienmarkt auch nicht. Vielleicht geht die Geldschwemme noch zwei Jahre gut. Vielleicht auch fünf. Genau so gut kann es sein, dass übermorgen die Blase platzt und Preise erodieren. So oder so: Die Wahrscheinlichkeit, dass Sie ungeschoren aus der Krise kommen, ist relativ gering.

Wie lässt sich der drohende Verlust denn abfedern?

Erstens: Panik ist kein Investmentberater. Sagen Sie nicht: ,Oh Gott, die Inflation kommt, ich kaufe ein Haus.‘ Das ist eine ganz schlechte Idee. Schauen Sie, was Ihre Bedürfnisse sind und wie ihre finanziellen Aussichten sind. Was können Sie sich leisten, wie viel Risiko wollen Sie gehen?

Zehn wichtige Tipps für Privatanleger

Das sind jetzt aber keine ganz neuen Rezepte.

Ich weiß. Aber glauben Sie mir: Es gibt keine Zaubermittel, um dem Unheil zu entkommen. Und wenn einer einen Königsweg kennt, dann wird er Ihnen den nicht verraten. Vielleicht auf einem Seminar, für das Sie 1000 Euro Teilnahmegebühr zahlen müssen. Aber selbst das ist unwahrscheinlich, der einzige, der mit diesen Seminaren wirklich reicher wird, ist der Anbieter. Der Grund ist ganz einfach: Nehmen wir an, es gäbe einen Ausweg. Etwa: historische Turnschuhe. In dem Moment, wo ich Ihnen sage, investieren Sie in ausgelatschte Sneaker, rennen Sie los, kaufen – und treiben die Preise hoch. Damit wäre mein Weg verbaut. Ich möchte kein Crashprophet sein, aber ich sehe kein Investment, keine Rettung, keine Hoffnung, dass wir den Kosten dieser Krise entkommen.

"Bernd Lucke weiß, wovon er redet"

Was ist mit der Wahl einer politischen Protestpartei?

Das ist eine nette Idee, die ich so noch nicht bedacht habe. Grundsätzlich spricht man in der Politik ja von zwei Möglichkeiten, um Krisen zu entgehen: exit oder voice – flüchten oder die Stimme erheben. Mit Blick auf die Schuldenkrise und der Preisblasenbildung können Sie also versuchen, irgendwo hinzugehen, wo eine sehr strenge Geldpolitik gelebt wird. Da gibt es nicht viele Möglichkeiten. Oder sie stehen auf und sagen, ich wähle nicht mehr die Parteien, die uns den Schlamassel eingebrockt haben.

Die AfD – neue Volkspartei oder kurze Protestepisode?

Ist das ein Wahlaufruf für die AfD?

Nein. Ich bin kein Fan der AfD, ich habe sie bisher auch nicht gewählt. Ich stelle lediglich fest, dass es nicht viele politische Alternativen zur Euro-Rettungspolitik auf Bundesebene gibt. Gleichzeitig hat die AfD mit Bernd Lucke jemanden an der Spitze, der weiß, wovon er redet. Er ist ohne Frage ein ernstzunehmender Ökonom. Gleichwohl sehe ich auch, dass die Euro-Kritiker, wie alle neuen Parteien, noch in einer Findungsphase stecken, wo es oftmals drunter und drüber geht und wo auch Querulanten negativ auffallen. Aber zurück zu unserem Gedankenspiel: Wenn ich mit der Geldpolitik in Europa nicht einverstanden bin, kann ich also Protest wählen und hoffen, dass die großen Parteien sich beeindruckt zeigen. Möglicherweise kommt es aber auch zum gegenteiligen Effekt: Die AfD-Wähler werden als für die Volksparteien verloren abgeschrieben und die große Mehrheit verbündet sich gegen eine kleine Minderheit, die so mit ihren Anliegen nicht durchdringt. Dennoch ist es kein schlechter Rat zu sagen: Eine Möglichkeit sein Vermögen zu schützen, ist es, politisch zu denken und politisch zu handeln. 

Stimmen zu den Wahlen in Thüringen und Brandenburg

Unabhängig vom politischen Willen: Können wir die Geldmenge überhaupt wieder eindämmen, ohne die Wirtschaft zu schwächen und Länder in die Pleite zu treiben?

Das wird sehr schwer. Egal, wie sie diese Krise lösen werden: Es wird teuer. Scheidet Deutschland aus dem Euro aus, sind die Kredite aus den Rettungspaketen vermutlich futsch und durch die Target-II-Salden stehen weitere Milliardenbelastungen an. Dieser Schritt ist folglich kaum realistisch. Nehmen wir an, die Bundesregierung setzt verstärkt für eine stabile Geldpolitik ein und die EZB würde tatsächlich die Zinsen erhöhen, droht gleich mehreren Ländern die Pleite. Wir müssen also bedächtig vorgehen.

Was ist Ihr Vorschlag?

Punkt eins: Wir müssen zur Eigenverantwortung zurückkehren und allen muss klar sein, es gibt keine Gemeinschaftshaftung und keine Bail-Outs. Punkt zwei: Wir müssen einen Rahmen schaffen für Staats- und Bankenpleiten innerhalb der Euro-Zone. Eine Insolvenz darf kein Tabu mehr sein. Wir könnten uns an den USA orientieren: Da kann ein Bundesstaat ja auch pleite gehen. Das Problem dieser Lösung: Sie haben – analog wieder zu den USA – einen Währungsraum, in dem die Lebensverhältnisse unterschiedlich sind. Dafür gibt es mehr Stabilität.

 

Oder wir leben das Modell der Solidarität, sprich: Wir springen ein und jeder zahlt für jeden. Das funktioniert aber nur, wenn sie eine gemeinsame Fiskalpolitik haben. Sonst machen sich die einen Länder einen Lenz und bieten kostenlose Kindergartenplätze und Universitäten an, und die anderen zahlen und sparen. Ich halte dieses Modell für unrealistisch, es stößt ja schon innerhalb Deutschlands an seine Grenzen – siehe dazu die Querelen um den deutschen Finanzausgleich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Länder wie Frankreich ihre Budgetpolitik diktieren lassen werden. Deshalb sollten wir alles dafür tun, dass wieder mehr Eigenverantwortung in Europa gelebt wird.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%