Hans-Hermann Hoppe "Steuern sind Enteignung"

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"Menschen sind nun mal keine Engel"

Freiheit wovon oder Freiheit wozu? Warum Liberale sich nicht einmal selbst verstehen, permanent aneinander vorbeireden - und sich von der Freiheit als Bezugspunkt ihres Denkens verabschieden sollten.
von Dieter Schnaas

Wem wollen Sie denn die Aufgabe übertragen, Recht und Eigentum zu schützen?

Diese Aufgaben sollten Unternehmen übernehmen, die sich genauso im freien Markt zu bewähren haben wie das bei allen anderen Gütern der Fall ist. Jede Gesellschaft ist durch Eigentumskonflikte gekennzeichnet. Aber es muss nicht der Staat sein, der sie löst. Stellen Sie sich eine Gesellschaft ohne Staat vor. In einer solchen natürlichen Ordnung ist jede Person zunächst einmal als Eigentümer der Dinge anzusehen, die sie kontrolliert. Der Anzug, den Sie tragen, ist demzufolge ihr Eigentum. Wer etwas anderes behauptet, hat die Beweislast. Konflikte werden in einer solchen Ordnung durch natürliche Autoritäten geschlichtet. In Dorfgemeinschaften sind dies Personen, die von allen geachtet werden, sie wirken als Richter. Kommt es zu Streitigkeiten zwischen Personen, die unterschiedlichen Dorfgemeinschaften angehören und sich an unterschiedliche Richter wenden, muss der Konflikt auf der nächst höheren Ebene geschlichtet werden. Wichtig ist, dass kein Richter ein Rechtsmonopol hat.

Das hört sich ziemlich unrealistisch an....

...ist es aber nicht! Schauen Sie nur, wie heutzutage grenzüberschreitende Streitfälle geschlichtet werden. International herrscht eine Art Anarchie im Recht, denn es gibt keinen alles regelnden Weltstaat. Was machen die Bürger im Dreiländereck von Basel, also Deutsche, Franzosen und Schweizer, wenn es zu Konflikten zwischen ihnen kommt? Jeder kann sich zunächst an die für ihn zuständige Gerichtsbarkeit wenden. Gibt es keine Einigung, werden unabhängige Schlichter angerufen, die den Fall entscheiden. Kommt es deshalb zu mehr Streitereien zwischen den Bürgern dieser Region als zwischen den Bürgern von Köln und Düsseldorf? Ich habe noch nichts davon gehört. Das zeigt doch, dass man interpersonelle Streitigkeiten friedlich regeln kann, ohne dass es einen Staat als Rechtsmonopolisten gibt.

Ein staatsfreies Rechtssystem dürfte die Vorstellungskraft der meisten Bürger überfordern.

Warum? Im Grunde genommen sind das leicht nachvollziehbare Gedanken, die uns nur über die Jahrhunderte von den Befürworten staatlicher Macht ausgetrieben wurden. Es war evolutorisch ein Fehler, die Freiheit der Menschen bei der Wahl der Rechtsetzung und -sprechung durch ein staatliches Rechtsmonopol zu ersetzen. Letzteres hat dazu geführt, dass im Zuge allgemeiner Wahlen teilweise Proleten an die Macht gelangen, die die ihnen zufallende Gesetzgebungsmacht nutzen, sich am Eigentum derer zu bereichern, die mehr haben als sie selbst. Ein Clanchef hingegen, der freiwillig als Schlichter für Streitfälle gewählt wird, dürfte ein ohnehin begüterter Mensch sein, der keinen Grund hat, anderen nach dem Eigentum zu trachten. Sonst würde er nicht als Schlichter gewählt.

Wie wollen Sie in einer Welt ohne staatliche Ordnung verhindern, dass elementare Freiheitsrechte wie das auf körperliche Unversehrtheit mit Füßen getreten werden?

Gegenfrage: Werden solche Verstöße in der Gegenwart durch die Existenz von Staaten verhindert? Es wird immer Gegenden geben, in denen es Mord und Totschlag gibt, solange die Menschen Menschen sind. Haben Staaten das in irgendeiner Weise verbessert? Da habe ich meine Zweifel. Auch Staaten werden von Menschen geleitet. Aber im Gegensatz zu einer staatenlosen Gesellschaft haben die Staatsführer ein – mancherorts temporäres – Monopol auf ihre Machtposition. Wird sie das nicht noch schlechter und übler machen, als sie es ohnehin wären? Menschen sind nun mal keine Engel, sondern führen häufig Übles im Schilde. Deshalb ist die beste Verteidigung der Freiheit und des Eigentums, niemandem ein Monopol zu verschaffen. Sowie es ein Monopol gibt, steigen nicht engelhafte Wesen auf.

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