
WirtschaftsWoche: Herr Professor Hoppe, derzeit haben staatliche Eingriffe in die Wirtschaft und in die Gesellschaft wieder Hochkonjunktur. Viele Bürger wünschen sich mehr Staat und weniger Markt. Wie erklären Sie sich das?
Hoppe: Die Geschichte zeigt, dass Krisen das Wachstum des Staates fördern. Besonders deutlich wird dies bei Kriegen und terroristischen Anschlägen. Regierungen nutzen solche Krisen, um sich als Krisenlöser aufzuspielen. Das gilt auch für die Finanzkrise. Sie hat den Regierungen und den Zentralbanken einen willkommenen Anlass geboten, noch stärker in die Wirtschaft und die Gesellschaft einzugreifen. Die Staatsvertreter haben es geschafft, die Schuld für die Krise auf den Kapitalismus, die Märkte und die Gier abzuschieben.
Wäre die Weltwirtschaft ohne die Eingriffe der Zentralbanken und der Regierungen in Form von Liquiditätsspritzen und Konjunkturprogrammen nicht in eine tiefe Depression wie in den 1930er Jahren gestürzt?
Es ist ein Irrglaube, Regierungen und Notenbanken könnten der Wirtschaft mit Hilfsprogrammen wieder auf die Beine helfen. Schon in den 1930er Jahren gab es in den USA Konjunkturprogramme. Doch die Große Depression endete erst nach dem Zweiten Weltkrieg. In den Jahren zuvor sank die Arbeitslosigkeit in den USA nie unter 15 Prozent. Die Banken horteten das Zentralbankgeld, statt damit Kredite zu vergeben. Ähnlich ist es derzeit. Das Geld gelangt nicht in die Gütermärkte, die Warenpreise steigen daher kaum. Aber das heißt nicht, dass es keine Inflation gibt. Man muss sich nur die Entwicklung an den Aktienmärkten anschauen, um zu erkennen, wohin das Geld fließt. Die Inflation findet an den Asset-Märkten statt.
Zur Person
Hoppe, 64, ist ein führender Vertreter der österreichischen Schule der Nationalökonomie im deutschsprachigen Raum. Von 1986 bis 2008 war er Professor für Volkswirtschaftslehre an der University of Nevada in Las Vegas. Der ehemalige Habermas-Schüler attackiert in seinem Buch „Demokratie. Der Gott, der keiner ist“ die Funktionsmängel demokratischer Systeme.
Die Hausse an den Aktienmärkten ist auch eine Folge der negativen Realzinsen, die das Sparen unattraktiv machen...
...und dadurch unseren Wohlstand gefährden. Eine Wirtschaft kann nur wachsen, wenn die Menschen mehr sparen und weniger konsumieren. Ohne Ersparnis gibt es keine tragfähigen Investitionen.
Warum?
Ich gebe Ihnen ein einfaches Beispiel. Stellen Sie sich Robinson Crusoe und Freitag auf ihrer einsamen Insel vor. Wenn Robinson Fische fängt und einige davon nicht selbst konsumiert sondern Freitag leiht, kann sich dieser davon einige Tage ernähren und die Zeit in den Bau eines eigenes Fangnetzes investieren. Mit diesem Netz kann er dann so viele Fische fangen, um davon zu leben und Robinson die geliehenen Fische zurück zu geben. Beiden geht es also besser als zuvor. Was aber passiert, wenn Robinson nicht spart, sondern alle Fische selbst isst und Freitag nur ein Zertifikat gibt, das dieser in Fische einlösen kann? Wenn Freitag das Zertifikat bei Robinson einlösen will, stellt er fest, dass kein Fisch mehr da ist. Freitag muss sich daher selbst schleunigst Nahrung besorgen und hat keine Zeit, das Netz fertig zu stellen. Es bleibt als Investitionsruine zurück. Der Lebensstandard von Freitag und Robinson sinkt.
"Fische nicht gespart, sondern selbst verspeist"
Was hat das mit unserer heutigen Situation zu tun?
Vergleichbares passiert in unseren modernen Volkswirtschaften. Die Kreditschöpfung aus dem Nichts drückt die Zinsen künstlich nach unten und löst Investitionen aus, denen keine entsprechende Ersparnis gegenüber steht. Angesichts der niedrigen Zinsen wird kaum noch gespart, dafür umso mehr konsumiert. So wie Robinson seine Fische nicht gespart, sondern selbst verspeist hat. Der verstärkte Konsum entzieht den Investitionen Ressourcen, Projekte können nicht fertig gestellt werden, die Banken kappen die Kredite, die Projekte werden liquidiert, die Wirtschaft stürzt in die Krise.
Heißt das, uns droht bald der nächste Crash?
Die Zentralbanken versuchen, die Krise mit noch mehr Kredit und Geld zu beenden, obwohl diese durch zu viel Geld und Kredit verursacht wurde. Daher wird der nächste Crash noch heftiger ausfallen als der jüngste.





Die Währungshüter versprechen, die Liquidität rechtzeitig abzusaugen, bevor es brenzlig wird.
Theoretisch mag das möglich sein. Die Zentralbanken könnten die Geldmenge verringern, indem sie Staatsanleihen verkaufen. Nur ist das in der Praxis bisher nie geschehen. Denn es widerspricht der Strategie der Zentralbanken, die Zinsen möglichst niedrig zu halten...
... und Inflation zu erzeugen?
Die Notenbanken versuchen, das Papiergeldsystem mit allen Mitteln zu retten. Ich fürchte, der nächste Schritt besteht darin, den noch verbliebenen Währungswettbewerb durch eine Zentralisierung des Geld- und Bankwesens auszuschalten. Am Ende könnte eine Art globale Zentralbank mit einer globalen Gemeinschaftswährung stehen, in der Dollar, Euro und Yen aufgehen. Befreit vom Wettbewerb mit anderen Währungen hätte diese Notenbank dann noch mehr Inflationsspielraum. Die Krise wäre nicht beendet, sondern käme auf globaler Ebene mit voller Wucht zurück.
Manche Ökonomen fordern, den Zentralbanken die Hände zu binden und den Goldstandard wieder einzuführen.
Regierungen und Zentralbanken werden sich dagegen wehren. Als staatliche Geldmonopolisten haben die Notenbanken kein Interesse, ihre Macht zu verlieren. Eine freiwillige Rückkehr zum Goldstandard halte ich daher für unrealistisch.
Was ist mit China, das Land will den Yuan als Leitwährung etablieren.
Für China wäre es ein geschickter Schachzug, den Yuan durch Gold zu decken, um den Dollar vom Thron zu stoßen. Mit einem durch Gold gedeckten Yuan wären die Tage der wirtschaftlichen Vorherrschaft Amerikas und des Dollar gezählt. Der Westen wird daher alles unternehmen, um dies zu verhindern.
"Für die Freiheit wäre es am besten, Europa zerfiele in viele Kleinstaaten"
In Europa haben sich Regierungen und Zentralbank im Zuge der Euro-Rettung über Recht und Gesetz hinweggesetzt, ohne dass es einen Aufschrei der Öffentlichkeit in Deutschland dagegen gab.
Die Deutschen lassen sich von Amerika diktieren, was sie zu tun und zu lassen haben. Amerika hat ein vitales Interesse daran, dass der Euro bleibt, denn für den Dollar ist er eine bequemere Konkurrenz als 17 nationale Währungen. Amerika muss sich so nur an eine Zentralbank, nämlich die EZB wenden, um seine Interessen mit politischem Druck durchzusetzen.
Die Euro-Rettung und die zunehmende Verlagerung von Befugnissen nach Brüssel lösen Unbehagen in der Bevölkerung aus. Haben die politischen Eliten die Integrationsbereitschaft der Bürger überfordert?
Staaten haben generell die Tendenz, ihre Macht zu zentralisieren. In Europa soll die Kompetenzverlagerung nach Brüssel den Wettbewerb der Länder untereinander ausschalten. Der Wunschtraum der Etatisten ist ein Weltstaat mit einheitlichen Steuern und Regulierungen, der den Bürgern jede Möglichkeit nimmt, durch Abwanderung ihre Lebensumstände zu verbessern. Die Bürger erkennen, dass die Europäische Union im Grunde genommen ein riesiger Umverteilungsapparat ist. Das schürt die Unzufriedenheit und stachelt den Neid der Völker untereinander an.
Was kann man dagegen tun?
Für die Freiheit wäre es am besten, Europa zerfiele in möglichst viele Kleinststaaten. Das gilt auch für Deutschland. Je kleiner die räumliche Ausdehnung eines Staates, desto leichter ist es, auszuwandern und desto netter muss der Staat zu seinen Bürgern sein, um die produktiven Menschen zu halten.
Sie wollen eine Rückkehr in die Kleinstaaterei des 19. Jahrhunderts?
Schauen Sie sich die wirtschaftlich-kulturelle Entwicklung an. Im 19. Jahrhundert war das, was heute Deutschland ist, die führende Region in Europa. Die großen kulturellen Leistungen entstanden in einer Zeit, in der es keinen großen Zentralstaat gab. Die Klein-Territorien standen in einem intensiven Wettbewerb untereinander. Jeder wollte die besten Bibliotheken, Theater und Universitäten haben. Das hat die kulturelle und geistige Entwicklung deutlich stärker voran gebracht als etwa in Frankreich, das schon damals zentralisiert war. Dort konzentrierte sich alles auf Paris, der Rest des Landes versank in kultureller Dunkelheit.
Aber der freie Handel droht bei Sezession und Kleinstaaterei auf der Strecke zu bleiben.
Im Gegenteil. Kleinstaaten müssen Handel treiben. Ihr Markt ist nicht groß genug und sie sind zu wenig diversifiziert, um autark zu leben. Wenn sie keinen Freihandel betreiben, sind sie nach einer Woche am Ende. Ein großer Staat wie Amerika hingegen kann sich weitgehend selbst versorgen und ist daher weniger auf freien Austausch mit anderen Staaten angewiesen. Zudem können kleine und souveräne Staaten nicht dauernd die Schuld bei anderen abladen, wenn bei ihnen etwas schief läuft. In der EU wird Brüssel gern für alle möglichen Missstände verantwortlich gemacht. In unabhängigen Kleinstaaten müssten die Regierungen dagegen selbst die Verantwortung für Missstände in ihrem Land übernehmen. Das hat eine befriedende Wirkung auf die Beziehungen der Völker untereinander.
"Warengeld wie Gold oder Silber"
Kleinstaaten hätte eigene Währungen, das wäre das Ende der Integration der Kapitalmärkte.
Kleinstaaten könnten sich eigene Währungen gar nicht leisten, weil das die Transaktionskosten in die Höhe triebe. Sie würden daher nach einer gemeinsamen Währung streben, die unabhängig und unbeeinflusst ist von den einzelnen Regierungen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit würden sie sich auf ein Warengeld wie Gold oder Silber einigen, dessen Wert im Markt bestimmt wird. Kleinstaaterei führt zu mehr Markt und weniger Staat im Geldwesen.
Würde Europa zu einer Ansammlung von Kleinstaaten, hätte es im internationalen Konzert großer Länder wirtschaftlich nichts mehr zu melden.
Wie schaffen es dann die Schweiz, Liechtenstein, Monaco und Singapur, wirtschaftlich ganz vorne mit dabei zu sein? Mein Eindruck ist, dass diese Länder wohlhabender sind als Deutschland und dass die Deutschen wohlhabender waren, bevor sie sich auf das Abenteuer Euro eingelassen haben. Wir sollten uns von der Vorstellung lösen, dass Wirtschaft zwischen Staaten stattfindet. Wirtschaft findet zwischen Menschen und Unternehmen statt, die hier und dort produzieren. Es konkurrieren nicht Staaten gegen Staaten sondern Unternehmen gegen Unternehmen. Nicht die Größe eines Landes bestimmt seinen Wohlstand, sondern die Fähigkeit seiner Bürger.





Unabhängig von der Anzahl souveräner Territorien stellt sich die Frage, wie viel Staat eine Gesellschaft benötigt. Klassische Liberale fordern den Nachtwächterstaat, der sich auf die Sicherung der Freiheit, des Eigentums und des Friedens beschränkt. Sie wollen gar keinen Staat mehr. Warum?
Die klassischen Liberalen unterschätzen die dem Staat inhärente Ausdehnungstendenz. Wer bestimmt denn, wie viele aus Steuermitteln finanzierte Polizisten, Richter und Soldaten es im Nachtwächterstaat gibt? Im Markt, der auf freiwilligen Zahlungen für Güter und Dienste beruht, ist die Antwort eindeutig: Es wird soviel Milch produziert und zu Preisen abgesetzt, wie Konsumenten bereit sind, zu zahlen. Die Regierung eines Staates aber wird auf die Frage nach dem „wie viel“ immer sagen: Je mehr Geld wir haben, desto mehr können wir tun. Weil sie die Bürger zur Zahlung von Steuern zwingen kann, wird die Regierung immer mehr Geld verlangen und dafür immer schlechtere Leistungen liefern. Die Vorstellung von einem Minimalstaat ist eine konzeptionelle Fehlkonstruktion. Minimalstaaten können niemals Minimalstaaten bleiben.
Aber wer soll Eigentum schützen und Recht setzen, wenn nicht der Staat?
Wenn der Staat Eigentum durch staatliche Polizisten schützt, erhebt er dafür Steuern. Steuern sind jedoch Enteignung. Der Staat wird so zu einem enteignenden Eigentumsschützer. Und ein Staat, der Gesetz und Ordnung aufrechterhalten will, aber selber Gesetze erlassen kann, ist ein Gesetze brechender Rechtsschützer.
"Menschen sind nun mal keine Engel"
Wem wollen Sie denn die Aufgabe übertragen, Recht und Eigentum zu schützen?
Diese Aufgaben sollten Unternehmen übernehmen, die sich genauso im freien Markt zu bewähren haben wie das bei allen anderen Gütern der Fall ist. Jede Gesellschaft ist durch Eigentumskonflikte gekennzeichnet. Aber es muss nicht der Staat sein, der sie löst. Stellen Sie sich eine Gesellschaft ohne Staat vor. In einer solchen natürlichen Ordnung ist jede Person zunächst einmal als Eigentümer der Dinge anzusehen, die sie kontrolliert. Der Anzug, den Sie tragen, ist demzufolge ihr Eigentum. Wer etwas anderes behauptet, hat die Beweislast. Konflikte werden in einer solchen Ordnung durch natürliche Autoritäten geschlichtet. In Dorfgemeinschaften sind dies Personen, die von allen geachtet werden, sie wirken als Richter. Kommt es zu Streitigkeiten zwischen Personen, die unterschiedlichen Dorfgemeinschaften angehören und sich an unterschiedliche Richter wenden, muss der Konflikt auf der nächst höheren Ebene geschlichtet werden. Wichtig ist, dass kein Richter ein Rechtsmonopol hat.
Das hört sich ziemlich unrealistisch an....
...ist es aber nicht! Schauen Sie nur, wie heutzutage grenzüberschreitende Streitfälle geschlichtet werden. International herrscht eine Art Anarchie im Recht, denn es gibt keinen alles regelnden Weltstaat. Was machen die Bürger im Dreiländereck von Basel, also Deutsche, Franzosen und Schweizer, wenn es zu Konflikten zwischen ihnen kommt? Jeder kann sich zunächst an die für ihn zuständige Gerichtsbarkeit wenden. Gibt es keine Einigung, werden unabhängige Schlichter angerufen, die den Fall entscheiden. Kommt es deshalb zu mehr Streitereien zwischen den Bürgern dieser Region als zwischen den Bürgern von Köln und Düsseldorf? Ich habe noch nichts davon gehört. Das zeigt doch, dass man interpersonelle Streitigkeiten friedlich regeln kann, ohne dass es einen Staat als Rechtsmonopolisten gibt.
Ein staatsfreies Rechtssystem dürfte die Vorstellungskraft der meisten Bürger überfordern.
Warum? Im Grunde genommen sind das leicht nachvollziehbare Gedanken, die uns nur über die Jahrhunderte von den Befürworten staatlicher Macht ausgetrieben wurden. Es war evolutorisch ein Fehler, die Freiheit der Menschen bei der Wahl der Rechtsetzung und -sprechung durch ein staatliches Rechtsmonopol zu ersetzen. Letzteres hat dazu geführt, dass im Zuge allgemeiner Wahlen teilweise Proleten an die Macht gelangen, die die ihnen zufallende Gesetzgebungsmacht nutzen, sich am Eigentum derer zu bereichern, die mehr haben als sie selbst. Ein Clanchef hingegen, der freiwillig als Schlichter für Streitfälle gewählt wird, dürfte ein ohnehin begüterter Mensch sein, der keinen Grund hat, anderen nach dem Eigentum zu trachten. Sonst würde er nicht als Schlichter gewählt.
Wie wollen Sie in einer Welt ohne staatliche Ordnung verhindern, dass elementare Freiheitsrechte wie das auf körperliche Unversehrtheit mit Füßen getreten werden?
Gegenfrage: Werden solche Verstöße in der Gegenwart durch die Existenz von Staaten verhindert? Es wird immer Gegenden geben, in denen es Mord und Totschlag gibt, solange die Menschen Menschen sind. Haben Staaten das in irgendeiner Weise verbessert? Da habe ich meine Zweifel. Auch Staaten werden von Menschen geleitet. Aber im Gegensatz zu einer staatenlosen Gesellschaft haben die Staatsführer ein – mancherorts temporäres – Monopol auf ihre Machtposition. Wird sie das nicht noch schlechter und übler machen, als sie es ohnehin wären? Menschen sind nun mal keine Engel, sondern führen häufig Übles im Schilde. Deshalb ist die beste Verteidigung der Freiheit und des Eigentums, niemandem ein Monopol zu verschaffen. Sowie es ein Monopol gibt, steigen nicht engelhafte Wesen auf.
"Eigentumsfragen lassen sich ohne Staat lösen"
Nehmen wir mal an, wir folgten Ihnen und verlagerten klassische Staatsaufgaben wie den Eigentumschutz und die Rechtsprechung auf private Organisationen. Dann stehen wir vor dem Problem, dass in diesen Organisationen ebenfalls üble Gestalten das Kommando übernehmen und Kartelle zulasten der Bürger bilden?
Die Gefahr, dass es dazu kommt, ist gering. Kartelle können langfristig nur überleben, wenn der Staat sie schützt. Unternehmen gründen Kartelle, um den Markt untereinander aufzuteilen. Davon profitieren die schwachen Mitglieder. Die starken Mitglieder des Kartells hingegen können außerhalb des Kartells höhere Marktanteile erzielen. Sobald sie das erkennen, zerfällt das Kartell.
Bis dahin aber beuten die Kartellbrüder die Bürger aus.
Jetzt begehen sie aus Angst vor dem Tode Selbstmord. Wenn Sie die Aufgabe dem Staat übertragen, hat er von vornherein ein Monopol, das er missbrauchen kann, um die Freiheit der Bürger einzuschränken.
Wie wollen Sie denn in einer staatsfreien Privatrechtsgesellschaft mit dem Problem externer Effekt umgehen? Wer soll beispielsweise dafür sorgen, dass der Verursacher von Umweltschäden auch die Kosten trägt?
Das Problem ist einfach zu lösen. Man muss dem Geschädigten ein Klagerecht geben. Dann kann er den Verursacher eines Schadens zu einer Entschädigungszahlung verklagen. Im 19ten Jahrhundert war es Gang und Gäbe, dass Bürger gegen Unternehmen klagten, wenn diese ihr Eigentum durch Umweltverschmutzung schädigten. Später hat der Staat das Klagerecht eingeschränkt, um bestimmte Industriezweige zu schützen. Entscheidend ist, dass die Eigentumsrechte klar zugeordnet werden. Das Grundprinzip muss lauten: Wer zuerst da ist, erhält das Eigentumsrecht. Wenn zum Beispiel eine Firma einen Betrieb mit starker Schadstoffemission in der Nähe einer bestehenden Wohnsiedlung errichtet, dann können die Bürger auf Entschädigung klagen. Das ist ein einfaches Prinzip, das selbst Kinder verstehen. In den USA haben sich zur Zeit der Goldgräber ohne das Zutun des Staates Kriterien entwickelt, nach denen die Goldschürfer ihr Terrain abgrenzten. Damals gab es Personen, die die Claims registrierten. Das zeigt: Eigentumsfragen lassen sich ohne Staat lösen.
Die Landesverteidigung können Sie aber nicht ohne den Staat organisieren. Niemand kann von der Sicherheit, die eine Armee liefert, ausgeschlossen werden. Ergo braucht man den Staat, um alle Bürger via Steuern an den Kosten der Armee zu beteiligen.
Wer sagt ihnen denn, dass alle Bürger verteidigt werden wollen? Wir leben in einer Welt der Knappheit. Geld, das für die Verteidigung ausgegeben wird, steht für andere Zwecke nicht mehr zur Verfügung. Manche Menschen wollen vielleicht gar nicht verteidigt werden, sondern von ihrem Geld lieber in den Urlaub nach Hawaii fliegen. Sie würden sich bei einem Angriff von außen möglicherweise entscheiden, das Land zu verlassen und benötigen gar keine Verteidigung durch eine Armee.
Der Staat hat kein Recht, sie durch Steuern zur Finanzierung einer Streitkraft zu zwingen. In einer staatsfreien Gesellschaft können die Menschen, wenn sie dies wollen, kleinere Einheiten, etwa Dorfgemeinschaften, bilden und sich selbst verteidigen oder dafür private Sicherheitsdienste beauftragen. Sie hätten die Freiheit, selbst zu entscheiden, wofür sie ihr Geld ausgeben.