Als John Williams, der Präsident der mächtigen Distrikt-Zentralbank der US-Westküstenstaaten, kürzlich vorschlug, das Inflationsziel der Federal Reserve Bank von zwei Prozent auf drei Prozent anzuheben, atmeten viele Anleger auf. Sie werteten den Vorstoß als Signal für weiterhin niedrige Zinsen. Höhere Zinsen hätten niedrigere Aktien- und Immobilienpreise bedeutet – und so manche Jahresbilanz verhagelt.
Williams begründet seine Empfehlung mit der Gefahr der Säkularen Stagnation, einem Begriff, der 1938 von Alvin Hansen, einem Zeitgenossen von Keynes, geprägt wurde. Säkulare Stagnation bedeutet: Es gibt einen dauerhaften Sparüberhang über die Investitionen, der auch bei Nullzinsen nicht verschwindet, weil die Menge der rentablen Investitionsmöglichkeiten erschöpft ist. Hansen wollte den Sparüberhang durch permanente Budgetdefizite des Staates abschöpfen.
Williams indes setzt auf die Geldpolitik. Da der natürliche Realzins, zu dem genug Investitionen zustande kommen, null oder sogar negativ sei, müsse die Notenbank auch bereit sein, mit niedrigeren Nominalzinsen eine höhere Inflationsrate anzupeilen.
Deutschsprachige Ökonomen und Soziologen des 20. Jahrhunderts
Der österreichische Ökonom und Sozialphilosoph gehörte zwar nicht zur Freiburger Schule, hat Erhard aber dennoch stark beeinflusst. In einem waren sie sich weitgehend einig: Das Wort "sozial" ist in Verbindung mit "Markwirtschaft" unsinnig, weil der Markt an sich Sozialität herstellt. Die Ökonomen Röpke, Eucken und Müller-Armack sahen das ganz anders.
Der Nestor des Ordoliberalismus sorgte mit seinen "Grundlagen der Nationalökonomie" 1939 dafür, dass Erhard nach dem Zweiten Weltkrieg ein theoretisches Konzept vorlag. Wegweisende Gedanken, vor allem über den Zusammenhang von Macht und (Un-)Freiheit.
Als Mitglied der NSDAP erhoffte sich der Ökonom und Kultursoziologe einen starken Staat mit stabiler Wirtschaftspolitik. 1946 entwickelte das CDU-Mitglied in "Wirtschaftslenkung und Marktwirtschaft" den Begriff der "sozialen Marktwirtschaft". Später wirkte er als Leiter der Grundsatzabteilung im Bundeswirtschaftsministerium von Ludwig Erhard.
Der wortmächtigste unter den geistigen Vätern der sozialen Marktwirtschaft war bereits mit 24 Jahren Professor. Der Ökonom und Sozialphilosoph lehnte den Nationalsozialismus als "Massenaufstand gegen die Vernunft" ab und verfasste nach dem Krieg eine Reihe von glänzenden Büchern, in denen er unter anderem den Markt als Kulturform konturierte und ein frühes Lob der Ökologie sang.
SPD-Chef von 1946 bis 1952, wollte "aus Deutschland noch ein sozialistisches Land auf wirtschaftlichem Gebiet" machen. Im Godesberger Programm der SPD (1959), das Karl Schiller maßgeblich mitgestaltete, hieß es: "Wettbewerb soweit wie möglich, Planung soweit wie nötig." Erst 1963 war die SPD so weit, dass der spätere Wirtschaftsminister jede Art von Planung ablehnte.
Helmut Schelsky hat den Erfolg der sozialen Marktwirtschaft bereits 1953 auf den soziologischen Begriff gebracht. Erhard hat ihn vier Jahre später mit "Wohlstand für alle" ins Volksdeutsche übersetzt. Gemeint ist die Herausbildung einer breiten Mittelschicht mit gut bezahlten Angestellten.
Mit seiner Angst vor einer Säkularen Stagnation steht der Autor nicht allein. Ökonomen wie Carl Christian von Weizsäcker oder Larry Summers haben ähnliche Befürchtungen geäußert. Auch ich selbst habe 2009 die Gefahr einer Säkularen Stagnation vom japanischen Typus beschrieben.
Inzwischen ist aber einiges Wasser den Rhein hinuntergeflossen, und es schält sich angesichts der alle Mandatsgrenzen sprengenden Interventionen der Notenbanken eine weitere Hypothese zur Erklärung des Geschehens heraus. Ich nenne sie das „selbst produzierte Siechtum“.