
Die deutsche Wirtschaft bleibt aus Sicht führender Ökonomen auf moderatem Wachstumskurs – gestützt von einer stabilen Beschäftigungslage und kräftigem Konsum. Die Wirtschaftsleistung werde im nächsten Jahr um 1,4 Prozent und im Jahr 2018 um 1,6 Prozent zulegen, wie aus dem in Berlin vorgelegten Herbstgutachten führender Wirtschaftsforschungsinstitute hervorgeht.
Für das laufende Jahr hoben die Ökonomen ihre Prognose auf 1,9 Prozent an. Im Frühjahr waren sie noch von einem Wachstum von 1,6 Prozent für dieses und 1,5 Prozent für nächstes Jahr ausgegangen.
Bei der Vorlage der Gemeinschaftsdiagnose mahnten die Forscher die Politik, für die Zukunft vorzusorgen. Aktuell sei die Konjunktur noch beruhigend – die Rede ist von einem „Kaugummi-Aufschwung“ ohne starke Ausschläge nahe am Idealzustand. Aber ab 2020 warteten dann Aufgaben, die angesichts der alternden Gesellschaft und sinkender Bevölkerungszahlen dringend angegangen werden sollten. So müsse verstärkt in Bildung und Sachkapital für mehr Produktivität investiert werden. Spielraum in den Staatskassen dafür gebe es.





Mit Blick auf die Probleme führender deutscher Geldhäuser hieß es, eine Bankenkrise hätte gravierende Auswirkungen auf die Konjunktur. Die Möglichkeiten des Staates, Instituten in Schieflage notfalls unter die Arme zu greifen, seien beschränkt – auch infolge höherer Staatsschulden. Instabilität aus dem deutschen Finanzsektor würde die Konjunktur im gesamten Euroraum deutlich belasten.
„Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor in einer guten Verfassung und trägt den privaten Verbrauch“, hieß es. Darüber hinaus machten sich die Mehrausgaben des Staates zur Integration von Flüchtlingen bemerkbar, was die Binnenkonjunktur zusätzlich stütze.
Arbeitslosenquote bleibt vermutlich konstant niedrig
Die Arbeitslosenquote dürfte 2017 und 2018 auf ihrem historischen Tief von 6,1 Prozent verharren – trotz steigender Flüchtlingszahlen auf dem Job-Markt. Die Beschäftigung steige kräftig, fast eine halbe Million neue Stellen seien zu erwarten. Hier schlage auch die Zuwanderung aus EU-Ländern zu Buche. Die Erwerbstätigenzahl steige 2017 auf gut 44 Millionen, 2018 auf gut 44,45 Millionen Menschen.
Konjunkturindikatoren
Der vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) herausgegebene Index beruht auf der Befragung von 350 Analysten und Finanzmarktexperten. Sie geben dabei ihre Einschätzung über die künftige Wirtschaftsentwicklung ab. Der Index zur mittelfristigen Konjunkturentwicklung ergibt sich aus der Differenz der positiven und negativen Erwartungen über die künftige Wirtschaftsentwicklung. Er wird zur Monatsmitte erhoben.
Der international beachtete Index basiert auf einer Befragung von etwa 7000 Unternehmen aus Bau, Einzelhandel und Industrie. In einem Fragebogen beurteilen sie ihre gegenwärtige Geschäftslage sowie die Erwartungen für die Zukunft. Beide werden im Geschäftsklima zusammengefasst. Der Index ergibt sich aus dem Saldo der Antworten „gut“ und „schlecht“.
Wird von der britischen Forschergruppe Markit erhoben. Er beruht für Deutschland auf Umfragen unter Einkaufsmanagern von 500 repräsentativ ausgewählten deutschen Industrieunternehmen. Bestandteile des Index sind Auftragseingänge, Preise und Beschäftigung. Der Index hat einen relativ kurzen Vorlauf gegenüber der Produktion.
Umfasst den Bargeldumlauf und die Sichteineinlagen, wie zum Beispiel Sparbücher. Da die in M1 enthaltenen Bestandteile direkt für Transaktionen zur Verfügung stehen, deutet ein Anstieg darauf hin, dass die Kaufbereitschaft der Konsumenten und Unternehmen steigt. Der Indikator hat einen Vorlauf von zwei bis drei Quartalen.
Der BDI ist ein Preisindex für die Verschiffungskosten wichtiger Rohstoffe wie Stahl, Eisenerz, Kohle und Getreide auf Standardrouten. Er wird durch das Angebot an frei stehendem Schiffsladeraum und die Hafenkapazitäten beeinflusst. Da Rohstoffe als Vorprodukte am Anfang der Wertschöpfungskette stehen, ist der BDI ein guter Frühindikator für die Weltkonjunktur.
Der Index des Nürnberger Marktforschungsinstituts GfK prognostiziert die Veränderung der monatlichen privaten Konsumausgaben. Hierfür werden 2000 repräsentativ ausgewählte Personen nach ihren Einkommens- und Konjunkturerwartungen befragt.
Bei der Prognose wurde berücksichtigt, dass in diesem Jahr mehr Arbeitstage anfallen als im nächsten. Das ist auch ein Grund für den leichten Rückgang der Wirtschaftskraft. Die Gesamteffekte der Flüchtlingskrise seien aktuell noch schwer vorauszusagen.
Aus Sicht der Institute stellt die wachsende Skepsis gegenüber der Globalisierung ein Risiko für die deutsche Konjunktur dar. So könnte die Entscheidung der Briten für den EU-Austritt die Wirtschaft beeinträchtigen, falls die Konfrontation zwischen Brüssel und London Unternehmen verunsichere. Zudem bestehe die Gefahr, dass auch in anderen Ländern die Skepsis gegenüber globaler wirtschaftlicher Zusammenarbeit verstärkt Einfluss auf die Politik nehme.
Die Staatskassen können sich aus Sicht der Wirtschaftswissenschaftler trotz der Mehrkosten etwa für die Bewältigung der Flüchtlingskrise auch bis 2018 auf Milliarden-Überschüsse einstellen. Nach einem Plus von 20,1 Milliarden Euro in diesem Jahr wird 2017 ein Überschuss von 13,7 Milliarden und 2018 von 16 Milliarden Euro erwartet.
Beim Ölpreis haben die Institute bereits einen Anstieg unterstellt. Die aktuelle Entscheidung der Erdöl exportierenden Länder (Opec) für Förderobergrenzen dürfte keine „substanzielle Gefahr für die deutsche Konjunktur“ darstellen. Der Ölpreis werde wohl vergleichsweise niedrig bleiben. Anderenfalls profitierten Öl-Exporteure, was wiederum zu steigender Nachfrage in diesen Ländern führe.
Die Verbraucherpreise könnten in Deutschland dennoch stärker zulegen. Nach einem Plus von nur 0,4 Prozent sei ein Anstieg um 1,4 Prozent im nächsten und um 1,5 Prozent im Jahr 2018 zu erwarten.