Ifo-Index „Der Boom ist vorbei“

Ifo-Präsident Clemens Fuest. Quelle: Reuters

Der Ifo-Index gibt Aufschluss darüber, inwieweit sich der drohende Handelskrieg schon bei deutschen Unternehmen in der Breite bemerkbar macht. Das Ergebnis: Zurückhaltung ist spürbar, aber noch kein Abschwung.

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Wegen des Handelsstreits mit den USA ist die Stimmung in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft so schlecht wie seit mehr als einem Jahr nicht mehr. Der Ifo-Geschäftsklimaindex fiel im Juni um 0,5 auf 101,8 Punkte und damit zum sechsten Mal in sieben Monaten, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut am Montag mitteilte. Ökonomen hatten mit einem etwas stärkeren Rückgang auf 101,7 Zähler gerechnet. „Der Rückenwind für die deutsche Wirtschaft flaut ab“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest zu der Umfrage unter rund 9000 Managern. Diese beurteilten ihre Geschäftslage schlechter, während die Aussichten für die kommenden sechs Monate unverändert blieben.

In allen großen Branchen ließ der Optimismus der Führungskräfte nach. „Der Boom ist vorbei“, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe dazu. „Die deutsche Wirtschaft ist auf dem Weg in die Normalisierung.“ Der von US-Präsident Donald Trump angezettelte Handelsstreit belaste, ebenso die abflauende Weltkonjunktur. Trump drohte zuletzt mit Strafzöllen von 20 Prozent auf EU-Autoimporte, die besonders Deutschland treffen würden. „Das bedroht die globalen Wertschöpfungsketten, die die Unternehmen in den zurückliegenden 20 Jahren aufgebaut haben“, warnte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer.

In der Industrie gab die Stimmung deshalb nach. Sie steckt in der längsten Auftragsflaute seit der weltweiten Finanzkrise 2008/09: Die Bestellungen schrumpften zuletzt vier Monate in Folge. Der Export-Europameister bekommt dabei den Zollstreit mit den USA, andere weltweit zunehmende Handelshürden sowie die Verunsicherung durch den näher rückenden EU-Austritt Großbritanniens zu spüren. Auch im Handel, in der Baubranche und bei den Dienstleistern trübte sich die Stimmung ein.

Neues Risiko: Innenpolitik
„Das hätte schlimmer kommen können“, sagte LBBW-Chefvolkswirt Uwe Burkert zur Entwicklung des viel beachteten Ifo-Barometers. „Der nur leichte Rückgang gibt uns ein Gefühl dafür, dass die Story stimmen dürfte, wonach wir derzeit nur eine Konjunkturverlangsamung auf Normalmaß sehen, aber keinen Abschwung oder gar eine Rezession.“ Ähnlich sehen das andere Experten. „Die Lage ist nicht hoffnungslos, schon bald sieht es wieder besser aus“, sagte Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank. „Dazu passt auch, dass die Unternehmen den Daumen für die weiteren Geschäftsaussichten nicht weiter gesenkt haben.“

Die aktuelle Regierungskrise in Deutschland - ausgelöst vom Streit zwischen CDU und CSU über die Asylpolitik - ist in dieser Umfrage noch nicht berücksichtigt. „Auch wenn der Handel oft als das größte Risiko für die deutsche Wirtschaft genannt wird, sehen wir die Innenpolitik eher als ein viel größeres Risiko“, sagte der ING-Diba-Chefökonom Carsten Brzeski. „Die nächsten zwei Wochen könnten die politische Landschaft in Deutschland dramatisch verändern und im schlimmsten Fall sogar zu einem Sturz der Regierung und Neuwahlen führen.“ Für die Wirtschaft würde dies weitere Verzögerungen bei dringend benötigten Investitionen und Strukturreformen sowie der Stärkung der Währungsunion bedeuten.

Angesichts des Handelsstreits mit den USA und des schwachen Jahresstarts haben die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute ihre Prognosen für das Wachstum des Bruttoinlandsproduktes in Deutschland bereits deutlich gesenkt. Das Ifo nahm seine Vorhersage für dieses Jahr von 2,6 auf 1,8 Prozent zurück, für 2019 von 2,1 auf 1,8 Prozent.

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