Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist angesichts des Handelsstreits mit den USA und des nahenden Brexits so schlecht wie seit über vier Jahren nicht mehr. Das Barometer für das Geschäftsklima sank im Februar unerwartet deutlich um 0,8 auf 98,5 Punkte, wie das Münchner Ifo-Institut am Freitag zu seiner monatlichen Umfrage unter rund 9000 Managern mitteilte. Das ist bereits der sechste Rückgang in Folge und der niedrigste Wert seit Dezember 2014. Ökonomen hatten lediglich mit einem Absinken auf 99,0 gerechnet. „Die deutsche Konjunktur bleibt schwach“, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest.
Die Führungskräfte beurteilten ihre Geschäftslage schlechter, ebenso die Aussichten für die kommenden sechs Monate. Das Klima trübte sich sowohl in der Industrie als auch bei den Dienstleistern und in der Baubranche ein. Lediglich der Handel stemmte sich gegen den Abwärtstrend.
„Der erneute Fall ist wenig ermutigend“, sagte Uwe Burkert, Chefvolkswirt bei der Landesbank LBBW. „Für eine Trendwende zurück nach oben müssen erst einmal die beiden Event-Risiken Brexit und Handelsstreit geklärt werden.“ Selbst eine Rezession gilt nicht als ausgeschlossen. „Auf Basis unseres Modells, in das die Ifo-Geschäftserwartungen eingehen, beträgt die Rezessionswahrscheinlichkeit mittlerweile fast 40 Prozent“, sagte der Deutschland-Chefvolkswirt von UniCredit, Andreas Rees. „Vor allem der Gegenwind aus der Weltwirtschaft macht den deutschen Unternehmen schwer zu schaffen: die globale Konjunkturverlangsamung, die Unsicherheit durch Brexit, die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China sowie die angedrohten US-Zölle auf europäische Autos.“
Bereits in der zweiten Jahreshälfte 2018 wuchs Europas größte Volkswirtschaft nicht mehr. Für das laufende erste Quartal rechnet das Ifo-Institut derzeit mit einem Wachstum von 0,2 Prozent. Allerdings spiegele sich die Warnung von US-Präsident Donald Trump vor Strafzöllen auf Auto-Importe noch nicht in den Exporterwartungen wider, sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe. Sollten sie tatsächlich kommen, dürften die Exportaussichten abstürzen, warnte er. Die Bundesregierung rechnet im laufenden Jahr mit einem Wachstum von 1,0 Prozent. 2018 hatte es noch zu 1,4 Prozent gereicht.
Volkswirte zum Ifo-Index im Februar
„Die gute Nachricht ist, dass die Stimmung weiterhin nicht abstürzt. Aktuell geht die Eintrübung stärker auf die Lagekomponente zurück. Bisher war sie weitgehend erwartungsgetrieben. Angesichts des drohenden harten Brexit und eventueller Autozölle wundert dies nicht. Ein Rezessionssignal geht vom Geschäftsklima weiterhin nicht aus. Wachstumsseitig werden fortan aber deutlich kleinere Brötchen gebacken. Der Abschwung wird sich weiter festsetzen.“
„Der erneute Fall ist wenig ermutigend. Andererseits dürfte inzwischen die Stimmung schlechter sein als die Lage. Irgendwo auf dem nun erreichten Level sollte das Geschäftsklima einen Boden finden. Aber für eine Trendwende zurück nach oben müssen erst einmal die beiden Event-Risiken Brexit und Handelsstreit geklärt werden.“
„Die Abschwungsignale aus der deutschen Wirtschaft haben sich nochmals verstärkt. Immerhin ist die Unternehmensstimmung zum sechsten Mal in Folge gefallen, auch wenn der Rückgang nicht ganz so kräftig war wie im Vormonat. Auf Basis unseres Rezessionsmodells, in das die Ifo-Geschäftserwartungen eingehen, beträgt die Rezessionswahrscheinlichkeit mittlerweile fast 40 Prozent. Vor allem der Gegenwind aus der Weltwirtschaft macht den deutschen Unternehmen schwer zu schaffen: die globale Konjunkturverlangsamung, die Unsicherheit durch den Brexit, die Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China sowie die angedrohten US-Zölle auf europäische Autos.“
„Je näher der Brexit-Termin rückt, je näher wir einer Entscheidung über die US-Schutzzölle auf Automobile kommen, desto schwerer wiegen diese Themen in der Wahrnehmung der Unternehmen. Die anfänglich noch kleinen Wellen türmen sich inzwischen zu Wogen auf. Zusätzliche Querwinde kommen von der überraschend starken Abschwächung des Welthandels. In dieser stürmischen See machen die Unternehmen die Luken dicht und reffen ihre Segel.“
„Die Stimmung fällt weiter, das ist komplett nachvollziehbar. Die Drohung der USA mit Strafzöllen auf unser wichtigstes Exportgut – Autos – steht konkreter denn je im Raum. Gleichzeitig rast unser bedeutender Partner Großbritannien weiter ungebremst auf die in Sichtweite kommende Brexit-Klippe zu und auch in der Weltwirtschaft läuft es nicht mehr so richtig rund. Wir haben deshalb heute früh unsere Konjunkturprognose für 2019 halbiert und erwarten nun nur noch ein Wachstum von 0,8 Prozent in diesem Jahr.“
„Die Alarmglocken läuten. Die kommenden Monate werden spannend. Und wenn man so will, zeigt der Ifo-Geschäftsklimaindex den Spannungsbogen auf. Aber um das Wachstum im ersten Quartal müssen wir uns rein rechnerisch keine Sorgen machen. Nachholeffekte werden den BIP-Zuwachs anschieben. Nach dem WLTP-Desaster fährt die Automobilindustrie ihre Produktion hoch und auch die aufgrund des trockenen Sommers 2018 unterbrochenen Lieferketten über die deutschen Flüsse gehören der Vergangenheit an. Beide Effekte werden ausreichen, um die Zuwachsraten des BIP deutlich über die Nulllinie zu hieven.“