
Der deutschen Wirtschaft droht nach Einschätzung des Ifo-Instituts keine Überhitzung. "Diese Gefahr sehe ich derzeit nicht", sagte Ifo-Experte Klaus Wohlrabe am Mittwoch der Nachrichtenagentur Reuters. Auch von dem in diesem Monat begonnenen Anleihekaufprogramm der Europäischen Zentralbank (EZB) gingen solche Risiken nicht aus. "Für die deutschen Firmen ändert sich dadurch nicht viel, die Zinsen sind für sie eh schon historisch niedrig", sagte der Ifo-Experte. Mittelfristig werde die deutsche Wirtschaft vom EZB-Programm profitieren, wenn sich Euro-Krisenländer dadurch stärker erholten. In die Währungsunion gehen mehr als ein Drittel der deutschen Exporte.
Wie entsteht der ifo-Index?
Die Basis für den ifo-Index sind nicht Ökonomen und wissenschaftliche Experten, sondern die Firmen selbst. Einmal pro Monat fragt das ifo Institut quer durch Deutschland rund 7000 Betriebe, wie es ihnen geht. Dazu gehören kleine Geschäfte ebenso wie große Konzerne mit tausenden Beschäftigten. Die Auswahl der befragten Firmen aus allen Branchen passt das ifo Institut regelmäßig an und gewichtet die Antworten nach der Relevanz der Branche und der Größe der Firma. Die Teilnahme der Firmen ist freiwillig und unbezahlt. Kern der Umfrage ist ein Fragebogen, den die teilnehmenden Firmen jeden Monat ausfüllen. 40 Prozent der befragten Unternehmen füllen den Bogen noch immer auf dem Papier aus und schicken ihn per Post nach München.
Der Fragebogen enthält rund ein Dutzend Fragen zur Einschätzung der aktuellen Lage und zu Erwartungen für die nächsten sechs Monate. Die Unternehmen müssen unter anderem ankreuzen, wie sie die Auftragslage beurteilen, ob sie ihre Preise erhöhen oder Personal einstellen wollen. Die wichtigste Antwort wird an erster Stelle abgefragt: „Wir beurteilen unsere Geschäftslage als...“ Darauf können die Firmen mit „gut“, „befriedigend“ oder „schlecht“ antworten. Auf eine genauere Fragestellung haben die Konjunkturforscher verzichtet, da für Baufirmen völlig andere Faktoren entscheidend sind als für einen Bäcker oder Autozulieferer.
Vor dem Monatsende müssen die Firmen den Fragebogen an das ifo Institut zurückschicken. Alle Papier-Fragebögen müssen zunächst von einem Erfassungsbüro elektronisch aufbereitet werden. Erst in der Nacht vor der Veröffentlichung ermittelt ein Computerprogramm aus allen Werten die Statistik. Die wichtigste Zahl daraus ist der ifo Geschäftsklimaindex. Dieser setzt sich zusammen aus der aktuellen Einschätzung der Geschäftslage und den Erwartungen der Firmen für die nächsten sechs Monate. Da der ifo-Index oft auch die Börsen bewegt, darf nur ein kleiner Kreis aus Eingeweihten die Zahl vor der Bekanntgabe um zehn Uhr erfahren.
In den vergangenen Jahren deckte sich der Verlauf des ifo-Index recht deutlich mit dem der realen Wirtschaft, gemessen am Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. Vor allem die Wendepunkte bildete der ifo-Index zuverlässig ab. Wenn die befragten Unternehmen ihre Lage mehrmals in Folge schlechter bewerteten als im Vormonat, ging also der ifo-Index zurück und später auch das Wirtschaftswachstum. Ein Problem bei der monatlichen Bekanntgabe des ifo-Index ist allerdings ein zeitlicher Verzug. Da viele Unternehmen den Fragebogen schon am Monatsanfang ausfüllen und abschicken, werden spätere Entwicklungen in dem laufenden Monat - wie politische Krisen oder wirtschaftlich relevante Naturkatastrophen - nicht mehr in der aktuellen Umfrage berücksichtigt. Dadurch gibt der Index in solchen Monaten mitunter ein verzerrtes Bild ab. „Dieses Problem wird sich erst in ein paar Jahren lösen, wenn die Umfrage nur komplett online erfolgt“, sagt ifo-Experte Klaus Wohlrabe.
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im März den fünften Monat in Folge aufgehellt. Das Ifo-Geschäftsklima-Barometer stieg um unerwartet starke 1,1 auf 107,9 Zähler. "Das Wachstum dürfte im zu Ende gehenden ersten Quartal nahe dem des vierten Quartals liegen", sagte Wohlrabe. Ende 2014 war das Bruttoinlandsprodukt mit 0,7 Prozent so kräftig gestiegen wie in kaum einem anderen Industrieland. "Die deutsche Wirtschaft ist gut aufgestellt", sagte der Experte. "Auch die Krisen in Griechenland und Russland belasten kaum noch die Stimmung."
Ein Garant dafür sei der niedrigere Euro-Kurs, der Exporte nach Übersee günstiger macht. Auch der gesunkene Ölpreis helfe. "Davon profitieren insbesondere die chemische Industrie und die Gummi- und Kunststoffindustrie", sagte Wohlrabe. Der Handel profitiere ebenfalls von günstigen Rahmenbedingungen. "Der Konsum bleibt eine tragende Kraft der deutschen Konjunktur, auch wegen der Entlastung durch den günstigeren Ölpreise", sagte der Ökonom. "Die Leute gehen einkaufen. Steigende Beschäftigung, höherer Löhne und niedrige Inflation heben die Kauflaune."