IMD-Ökonom zur Wettbewerbsfähigkeit „Deutschlands größte Schwäche ist die hohe Abgabenlast“

Christos Cabolis, Chefvolkswirt des IMD Quelle: PR

Der Chefvolkswirt des International Institute for Management Development, Christos Cabolis, warnt Deutschland vor dem Verlust an Wettbewerbsfähigkeit.

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WirtschaftsWoche: Herr Cabolis, Deutschland ist in der jüngsten IMD-Rangliste der wettbewerbsfähigsten Länder um zwei Plätze auf Rang 17 zurückgefallen. Was ist der Grund dafür?
Christos Cabolis: Deutschland hat sich in zwei der von uns untersuchten Disziplinen verschlechtert: In der Effizienz des Regierungshandelns und in der Effizienz der Unternehmen. Was die unternehmerische Effizienz betrifft, so hat sich der Arbeitsmarkt zu einer Belastung entwickelt. Die zunehmende Knappheit an Fachkräften und erfahrenen Managern geht mit hohen Lohnkosten einher. Auf der anderen Seite muss man allerdings sehen, dass die hohen Löhne zur Lebenszufriedenheit der Menschen beitragen. Daher liegt Deutschland bei der Lebensqualität in unserem Ranking auf Platz sechs.

Wie sieht es mit der Effizienz des Regierungshandelns aus?
Die Regierung hat es bisher nicht geschafft, die Steuern signifikant zu senken. Die hohe Abgabenlast ist der größte Schwachunkt für den Standort Deutschland. Außerdem ist das Steuersystem zu kompliziert. Daher landet Deutschland in unserem Ranking bei der Steuerpolitik nur auf Platz 59 von 63 untersuchten Ländern. Gegenüber dem Vorjahr hat es sich sogar um einen Platz verschlechtert. Beim effektiven persönlichen Einkommensteuersatz liegt Deutschland abgeschlagen auf Rang 55. Im Schnitt gehen 26 Prozent des Pro-Kopf-Einkommens an den Staat. Im internationalen Durchschnitt sind es nur knapp 17 Prozent.

Und die Unternehmen…
...müssen mehr als 30 Prozent ihres Gewinns an den Fiskus abführen, im internationalen Durchschnitt liegt die Quote nur bei 23 Prozent. Dazu kommt die außerordentlich hohe Belastung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern durch die Sozialversicherungsbeiträge. Diese machen in Deutschland mehr als 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Im Schnitt der untersuchten Länder liegt die Sozialabgabenquote nur halb so hoch.

Deutschland muss seine Abgabenlast also senken.
Deutschlands Sozialsystem ist im internationalen Vergleich sehr gut ausgestattet. Die Qualität des Gesundheitssystems und der Umwelt sind hervorragend, Deutschland liegt in dieser Disziplin auf Platz sechs in unserem Ranking. Bei der wissenschaftlichen Infrastruktur, also der Qualität von Forschung und Universitäten, erreicht das Land sogar Platz 5. Das alles kostet viel Geld. Daher muss man die hohe Abgabenlast in Relation zur Qualität der vom Staat erbrachten Leistungen sehen.

Die ist bei der technologischen und digitalen Infrastruktur aber eher bescheiden.
Bei der digitalen Infrastruktur gibt es in der Tat in Deutschland noch viel Luft nach oben. Das Land ist in dieser Disziplin von Platz 16 auf Platz 23 zurückgefallen. Aber auch bei den Unternehmen hakt es in Sachen Digitalisierung. Die von uns befragten Manager beurteilen den Stand der digitalen Transformation in den Unternehmen als mangelhaft. Deutschland belegt hier nur Platz 60. Big Data und künstliche Intelligenz werden in erster Linie als Bedrohung und weniger als Chance gesehen.

Weit abgeschlagen auf dem vorletzten Platz landet Deutschland bei der Arbeitszeit. Sind die Deutschen faul?
Man muss die Zahlen in die richtige Perspektive rücken. Die Deutschen genießen im internationalen Vergleich sehr viel Freizeit. Aber sie sind auch überdurchschnittlich produktiv. Bei der Arbeitsproduktivität belegt Deutschland Rang 11. Das heißt, die Deutschen schaffen es, aus jeder Arbeitsstunde viel Output herauszuholen.  

In den vergangenen Jahren ist Deutschland im IMD-Ranking kontinuierlich abgerutscht. 2015 lag das Land auf Platz 10, jetzt nur noch auf Rang 17.
Das ist richtig, dennoch ist Deutschland eines der stabilsten und ökonomisch stärksten Länder in unserem Ranking. Das Land profitiert von seinem hohen Offenheitsgrad, seiner Einbindung in die internationale Arbeitsteilung und seiner stabilen Inlandsnachfrage. Dazu kommt, dass die Institutionen verlässlich sind. In den vergangenen Jahren hat sich das internationale Umfeld für die deutsche Wirtschaft eingetrübt. Wegen der hohen Exportabhängigkeit machen sich die geopolitischen Konflikte und die Handelsstreitigkeiten für Deutschlands Wirtschaft stärker bemerkbar als für andere Länder. Gemessen an der höheren Verwundbarkeit schlägt sich Deutschland im internationalen Vergleich noch gut.

Das hört sich so an, als sei hierzulande alles in bester Ordnung und man könne seelenruhig in die Zukunft blicken.
Kein Land kann es sich leisten, sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen. Denn die Konkurrenz schläft nicht. Wer nicht dauernd an seiner Wettbewerbsfähigkeit arbeitet, wird im Standortwettbewerb von anderen Ländern überholt und abgehängt. Das gilt auch für Deutschland. Zumal das Land vor großen Herausforderungen steht.

Was meinen Sie damit konkret?
Wegen der demografischen Entwicklung werden Arbeitskräfte in den nächsten Jahren immer knapper. Das bremst das Wachstum der Wirtschaft und belastet die Sozialsysteme. Die Herausforderung für Deutschland besteht darin, geeignete Talente aus dem Ausland zu attrahieren ohne dass es dadurch zu innenpolitischen Konflikten kommt und populistische Bewegungen Auftrieb erhalten.

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