Der amerikanische Verbraucherpreisindex CPI und der begleitende PCE-Preisindex für persönliche Konsumausgaben stehen wie nie zuvor im Zentrum der Aufmerksamkeit. Grund: Sie sind eine Schlüsselgröße für die Entscheidung, ob, wann und wie deutlich die US-Notenbank Fed die Zinsen erhöht. Ein guter Grund, sich die beiden Indizes einmal genauer anzuschauen.
In den zwölf Monaten bis September war der CPI unverändert geblieben und der PCE nur minimal (plus 0,2 Prozent) angestiegen, weil sich die Auswirkungen des Energiepreisverfalls bei beiden Indizes stark bemerkbar machten. Wie die Grafiken unten zeigen, stieg jedoch die Kernrate des CPI im gleichen Zeitraum um 1,9 Prozent, die des PCE um 1,3 Prozent.
In der Kernrate sind die schwankungsanfälligen Subkomponenten für Lebensmittel und Energie ausgeblendet. Die Stagnation des CPI hat unliebsame Folgen für die fast 60 Millionen Leistungsberechtigten im amerikanischen Sozialversicherungssystem. Der Index dient als Messlatte für die jährlichen Erhöhungen der monatlichen Leistungen. Für 2016, erfuhren die Leistungsberechtigten, würde es daher keinen Teuerungsausgleich bei den Lebenshaltungskosten geben.
Am CPI orientieren sich unter anderem auch die Indexklauseln von Scheidungsverträgen, Gewerkschaftsvereinbarungen sowie Steuerstufen und Einkommensteuerbefreiungen. Auch die Umrechnung des nominellen Gewinns in realen oder inflationsbereinigten Gewinn erfolgt anhand dieser Indizes. Der PCE-Preisindex dient als Basis für die Umrechnung der nominellen Konsumausgaben in reale Konsumausgaben.
Exotische Messgrößen
Diese einflussreichen Indizes sind eine Art dicke Wurst aus statistischen Daten, bestehend aus einer Vielzahl teils exotischer Messgrößen, häufig gewürzt mit Schätzungen aus gut informierten Kreisen. Ein simples Beispiel: Der Verbraucherpreisindex beruht zu fast 25 Prozent nicht auf tatsächlichen Mietpreisen, sondern auf einer Schätzung der Mieten, die Besitzer von Eigenheimen zu zahlen hätten, wenn sie ihr Eigentum an sich selbst vermieten würden. Andere Komponenten beruhen auf Schätzungen der Qualitätsveränderungen von bewerteten Gütern. Aber ungeachtet all der Mängel und des Verbesserungspotenzials dieser Indizes, ihre Funktion als Instrumente für eine grobe Annäherung an die Preisveränderungen insgesamt erfüllen sie durchaus.
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Der Hüter des US-Verbraucherpreisindex CPI ist das US-Amt für Arbeitsstatistik (Bureau of Labor Statistics, BLS), eine Rolle, die dem BLS durch eine Laune der Geschichte zuteil wurde. In der inflationären Periode des Ersten Weltkriegs sah sich die Regierung mit der Notwendigkeit von Maßnahmen zur Erhaltung des Arbeitsfriedens in den Schiffswerften konfrontiert. Es galt, die Entwicklung der Löhne in Einklang zu bringen mit den steigenden Lebenshaltungskosten. Mit Unterstützung des berühmten Ökonomen Irving Fisher ließ das BLS in 32 Schiffswerften und Industriezentren Erhebungen zu den Ausgaben von Familien durchführen. Das Ziel war, einen Maßstab für den Anstieg der Lebenshaltungskosten zu schaffen. So wurde der bis heute vom BLS errechnete US-Verbraucherpreisindex CPI geboren.
Die Gewichtung im Warenkorb entscheidet
Der PCE-Preisindex für persönliche Verbrauchsausgaben wird aus der Konsumausgabenstatistik des US-Amts für Wirtschaftsanalyse (Bureau of Economic Analysis, BEA) abgeleitet. Er basiert zum Großteil auf den vom BLS erhobenen Preisen, verwendet aber ein etwas anderes Gewichtungsschema und einen unterschiedlichen Mix von Waren und Dienstleistungen.
Kein anderer Wissenschaftler trug mehr zur Entwicklung der mathematischen Grundlagen von Preisindizes bei als Irving Fisher, der zwei wegweisende Arbeiten zu diesem Thema verfasste. In seiner 1911 erschienenen Abhandlung „Die Kaufkraft des Geldes“ zeigt sich Fisher zu zwei Dritteln als echter Wissenschaftler, zu einem Drittel aber als verrückter Professor, der etwa behauptet, seine Methode werde „letztlich anerkannt werden als exakte Wissenschaft, mit deren Hilfe exakte Formulierungen, Beweise und statistische Kontrollen möglich“ würden.
Konjunkturindikatoren
Der vom Mannheimer Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) herausgegebene Index beruht auf der Befragung von 350 Analysten und Finanzmarktexperten. Sie geben dabei ihre Einschätzung über die künftige Wirtschaftsentwicklung ab. Der Index zur mittelfristigen Konjunkturentwicklung ergibt sich aus der Differenz der positiven und negativen Erwartungen über die künftige Wirtschaftsentwicklung. Er wird zur Monatsmitte erhoben.
Der international beachtete Index basiert auf einer Befragung von etwa 7000 Unternehmen aus Bau, Einzelhandel und Industrie. In einem Fragebogen beurteilen sie ihre gegenwärtige Geschäftslage sowie die Erwartungen für die Zukunft. Beide werden im Geschäftsklima zusammengefasst. Der Index ergibt sich aus dem Saldo der Antworten „gut“ und „schlecht“.
Wird von der britischen Forschergruppe Markit erhoben. Er beruht für Deutschland auf Umfragen unter Einkaufsmanagern von 500 repräsentativ ausgewählten deutschen Industrieunternehmen. Bestandteile des Index sind Auftragseingänge, Preise und Beschäftigung. Der Index hat einen relativ kurzen Vorlauf gegenüber der Produktion.
Umfasst den Bargeldumlauf und die Sichteineinlagen, wie zum Beispiel Sparbücher. Da die in M1 enthaltenen Bestandteile direkt für Transaktionen zur Verfügung stehen, deutet ein Anstieg darauf hin, dass die Kaufbereitschaft der Konsumenten und Unternehmen steigt. Der Indikator hat einen Vorlauf von zwei bis drei Quartalen.
Der BDI ist ein Preisindex für die Verschiffungskosten wichtiger Rohstoffe wie Stahl, Eisenerz, Kohle und Getreide auf Standardrouten. Er wird durch das Angebot an frei stehendem Schiffsladeraum und die Hafenkapazitäten beeinflusst. Da Rohstoffe als Vorprodukte am Anfang der Wertschöpfungskette stehen, ist der BDI ein guter Frühindikator für die Weltkonjunktur.
Der Index des Nürnberger Marktforschungsinstituts GfK prognostiziert die Veränderung der monatlichen privaten Konsumausgaben. Hierfür werden 2000 repräsentativ ausgewählte Personen nach ihren Einkommens- und Konjunkturerwartungen befragt.
So wird die Inflationsrate berechnet
Zur Illustration der Funktion eines Index verwendet Fisher einen dreiteiligen Warenkorb, bestehend aus Zucker, Kohle und „einer bestimmten Qualität Stoff“. Wir können die Sache noch einfacher machen und den Warenkorb auf zwei Bestandteile, Gut A und Gut B, reduzieren. Der Preis von Gut A ist beispielsweise zwischen der ersten und der zweiten Periode um zehn Prozent gestiegen, der Preis von Gut B um ein Prozent.
Will man den prozentualen Anstieg der Lebenshaltungskosten berechnen, muss man wissen, wie diese beiden Güter im typischen Einkaufskorb gewichtet sind. Ausgehend von unserer Konsumentenbefragung, entfallen 30 Prozent aller Ausgaben auf Gut A und die übrigen 70 Prozent auf Gut B. Wir bestimmen einen Basiszeitraum mit dem Referenzwert von 100, wobei der Preis je Maßeinheit von Gut A 30 Punkten, der von Gut B 70 Punkten entspricht.
Nach zuvor 30 Punkten ist der Wert von Gut A, da der Preis um zehn Prozent gestiegen ist, nun auf 33 Punkte gestiegen; der Wert von Gut B, dessen Preis um ein Prozent gestiegen ist, liegt nun bei 70,7 Punkten. Addiert man die beiden Komponenten (33 + 70,7), kommen wir auf einen Wert von 103,7. Gemessen am Basiszeitraum mit dem Referenzwert von 100, liegt die Verbraucherpreisinflation bei 3,7 Prozent. Der CPI errechnet sich jedoch nicht aus der beobachteten Preisentwicklung von zwei Waren, sondern von Tausenden von Gütern und Dienstleistungen, die in 200 große Kategorien unterteilt werden.
Skeptiker liegen falsch, Nullwachstum ist unglaubwürdig
Der Index wird monatlich aktualisiert. 1935 wurde das Automobil aufgenommen; Klimaanlagen sind erst seit 1964 und Mobiltelefone seit 1998 berücksichtigt.
Die von zahlreichen Skeptikern vorgebrachte Behauptung, der CPI und der PCE würden die Preissteigerungsrate wesentlich zu niedrig ausweisen, hält einer näheren Überprüfung nicht stand. Dies lässt sich durch einen indirekten statistischen Beweis belegen. Erinnern wir uns: Der PCE-Index für persönliche Konsumausgaben dient als Basis zur Umrechnung der nominellen Konsumausgaben in reale Konsumausgaben. Er ist in den vergangenen fünf Jahren jährlich um durchschnittlich 1,5 Prozent angestiegen. Die nominellen Konsumausgaben sind im gleichen Zeitraum um durchschnittlich 3,8 Prozent jährlich gestiegen. Bereinigt um die PCE-Inflation von 1,5 Prozent, sind die realen Konsumausgaben also um 2,3 Prozent gestiegen.
Wer von der Mini-Inflation profitiert - und wer nicht
Wer längerfristig gleichbleibende Einkommen wie Tarifgehälter, Renten oder Sozialleistungen bezieht, kann sich mehr für sein Geld leisten, wenn Preise kaum noch oder gar nicht mehr steigen. Das gilt auch für Menschen, die viel Geld auf der hohen Kante haben. Gleichzeitig bleibt bei Einkommens- und Lohnerhöhungen real - also nach Abzug der Teuerung - deutlich mehr Geld in den Taschen der Verbraucher, wenn die Inflation wie derzeit nahe null ist.
Wenn die Verbraucher mehr Geld zur Verfügung haben, etwa weil die Sprit- und Heizölpreise fallen, können sie sich mehr andere Waren leisten. Gleichzeitig profitieren Unternehmen von niedrigeren Einkaufspreisen wichtige Rohstoffe wie Öl: Ihre Kosten sinken.
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins im Kampf gegen den mickrigen Preisauftrieb auf fast null Prozent gesenkt. Das drückt die Zinsen, die Banken von Privatleuten und Unternehmen für Kredite verlangen. So kommen etwa Immobilienkäufer derzeit so günstig wie nie an Geld. Nach Zahlen der FMH Finanzberatung sind Hypotheken mit zehn Jahren Laufzeit aktuell im Schnitt für 1,6 Prozent Zinsen zu haben. Vor einem Jahr lag das Niveau demnach noch bei 2,67 Prozent, vor fünf Jahren bei 4,19 Prozent. Auch Staaten können sich am Markt günstiger frisches Geld besorgen, das entlastet indirekt die Steuerzahler.
Vor allem die rasante Talfahrt der Ölpreise schiebt die deutsche Wirtschaft an. Nach Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) werden Unternehmen und Verbraucher in diesem Jahr um 20 Milliarden Euro entlastet, wenn die Preise auf dem aktuellen Niveau verharren. Auch Bundesbank-Präsident Jens Weidmann hat betont: „Diese Entwicklung wirkt ähnlich wie ein kleines Konjunkturprogramm.“
Verbraucher sind nicht nur Kreditnehmer, sondern auch Sparer. Durch das magere Zinsniveau ist mit Tagesgeld oder Sparkonto fast nichts mehr zu verdienen. Immerhin: Weil die Preise kaum steigen, unterscheiden sich nominale Renditen kaum noch von den realen. Wer fürs Alter vorsorgen will, muss entweder mehr Geld zurücklegen oder größere Risiken eingehen.
Was für die Kreditaufnahme gut ist, ist für ältere Verbindlichkeiten schlecht: Derzeit knabbert die Inflation die ausstehenden Schulden nämlich nicht weg. Das erschwert den Schuldenabbau und hemmt die wirtschaftliche Erholung, wie EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio betont: „Wenn die Inflation sehr niedrig ist und das Wachstum ebenfalls, dann wird es immer schwieriger, diese Schulden zu bedienen.“
Die EZB sieht Preisstabilität bei einer Inflationsrate von knapp unter 2,0 Prozent. Davon abrücken will die Notenbank nicht, wie Constâncio sagte: „Bei einem Inflationsziel von null Prozent ist die Gefahr hoch, dass die Wirtschaft in eine Deflation rutscht.“ Unter einer Deflation verstehen Ökonomen einen Teufelskreis aus sinkenden Preisen, steigenden Reallöhnen, niedrigeren Gewinnen und schrumpfender Nachfrage, weil Verbraucher und Unternehmen Anschaffungen und Investitionen aufschieben. Denn es könnte ja bald noch billiger werden. Die geringe Nachfrage kann weitere Preissenkungen zur Folge haben: Die Wirtschaft friert ein.
Nasdaq-Rekord bleibt hinter Inflationsausgleich zurück
Was aber, wenn die Skeptiker recht hätten und die tatsächliche Inflation bei vier Prozent oder darüber lag? Wenn das stimmen würde, ergäbe sich ein absurdes Ergebnis, nämlich dass es in den vergangenen fünf Jahren absolut kein Wachstum der realen Konsumausgaben gegeben hätte, denn bei vier Prozent Inflation würde sich bei 3,8 Prozent Nominalanstieg ein leicht negativer Wert ergeben.
Aber ein Nullwachstum des realen Konsums ist nicht glaubwürdig, denn allein im US-Groß- und Einzelhandel wurden in den vergangenen fünf Jahren 1,7 Millionen neue Arbeitsplätze geschaffen, ein Beschäftigungswachstum von 8,6 Prozent.
Tatsächlich zeigen die Preisindizes nur grobe Näherungswerte, aber sie sind dennoch aufschlussreich. Ein Beispiel: Der Nasdaq-Index kletterte im April nominell auf ein Hoch von 5073 Punkten. Die Medien verkündeten, der Index habe sein Allzeithoch vom März 2000 bei 5048 Punkten endlich übertroffen. Real traf das allerdings nicht zu. Der CPI war seit März 2000 um 38,9 Prozent gestiegen. Um mit der Inflation Schritt zu halten, hätte der Nasdaq sein Hoch von 5048 Punkten um 38,9 Prozent übertreffen und bei mehr als 7000 Zählern liegen müssen.