Inflation Angst vor der Inflation

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Lieber einen Flügel als Goldbarren

Bechstein-Filialleiter Thieltges Quelle: David Klammer für WirtschaftsWoche

Wenn der Rheinländer Michael Körner* „eine Horrormeldung über den Euro nach der nächsten“ liest, treibt ihm das den Angstschweiß auf die Stirn. „Ich habe mehr Vertrauen in einen Sachwert als in eine Zahl auf einem Kontoauszug“, sagt der Maschinenbautechniker. „Immerhin, ich kann mir für meine Euro noch was kaufen.“ Vor ein paar Tagen betrat er das Bechstein-Zentrum Köln und traf seine Langfrist-Entscheidung: A 208, Vario. Ein Flügel, klassisch schwarz, 36.000 Euro. „Ich bin zu wenig Pianist, um das Instrument wertzuschätzen, aber ich will mit diesem Sachwert mein Vermögen erhalten“, sagt er.

Der 29-Jährige ist kein Einzelfall. Bechstein hat 2011 den Konzerngewinn mehr als verdoppelt: „Seit Beginn der Wirtschaftskrise verkaufen wir vor allem hochpreisige Instrumente“, sagt Herbert Thieltges, Leiter des Bechstein-Zentrums Köln. „Vermögende Laienmusiker kommen, die lieber einen Flügel für 50.000 Euro haben wollen als Goldbarren im Schließfach.“

Der WirtschaftsWoche-Inflationsrechner zeigt, wie schnell die Kaufkraft Ihres Geldes bei Inflation schwindet.

Hochpreisig und wertbeständig

Leute, die es sich leisten können, kaufen Hochpreisiges und Wertbeständiges. Die deutsche Luxusgüterindustrie setzte mit 12,9 Milliarden Euro im vergangenen Jahr rund 16 Prozent mehr um als im Vorjahr. Besonders beliebt waren Uhren und Schmuck, aber auch Luxusautos. „Klassische Materialien wie Gold werden unisono stärker nachgefragt“, sagt Clemens Pflanz, Gründer des Meisterkreises, einer Vereinigung von über 50 Luxusgüterherstellern. Wer sich die goldene Uhr zulegt, hat gleich zwei Chancen auf Wertsteigerung: auf die des Materials und jene der Marke. Denn Gold gilt bei Anlegern nach wie vor als Versicherung für Extremszenarien.

Die Tatsache, dass die Europäische Zentralbank immens Liquidität geschöpft hat, ist im kollektiven Bewusstsein der Deutschen angekommen. Diese Liquidität finde immer einen Weg, wenn nicht die Verbraucherpreise stiegen, täten dies eben erst mal die Vermögenspreise, warnte unlängst der ehemalige Chefvolkswirt der EZB, Jürgen Stark.

Inflationsrate der Euro-Zone

Günstige Kredite würden die Binnennachfrage beflügeln

Sobald die Banken das viele Geld, das ihnen die EZB so billig zur Verfügung stellt, nicht mehr horten, sondern als günstige Kredite vergeben, würde dies die deutsche Binnennachfrage beflügeln. Produziert die Industrie dann schon bis zum Anschlag, steigen die Preise. Flankiert würde dies alles von Inflation, die Deutschland über steigende Rohstoff- und Energiepreise importiert. Henkel Konzernchef Kasper Rorsted berichtete gerade, dass der Persil-Konzern es im ersten Quartal 2012 endlich geschafft habe, die Preise anzuheben.

Das ist erst mal nicht dramatisch. Doch die Deutschen werden damit rechnen, dass weitere Preiserhöhungen folgen; ihre Inflationserwartungen werden steigen. „Und dann geht es mit der Inflation richtig los“, sagt Stefan Homburg von der Uni Hannover. Sie werden höhere Löhne fordern, um für die gestiegenen Preise entschädigt zu werden: „Die Unternehmen werden die gestiegenen Lohnkosten in Form von Preiserhöhungen an die Konsumenten überwälzen“, sagt Chefvolkswirt Ulrich Kater von der Dekabank.

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