Die Politik des negativen Realzinses erfährt nun eine Renaissance. Die Zentralbanken kontrollieren bereits die Marktzinsen: Sie fragen Anleihen im Markt nach. Will eine Zentralbank beispielsweise verhindern, dass die Marktzinsen steigen, kann sie einen Mindestpreis für Anleihen verkünden.
Geldpolitik der EZB: Belastungen durch Niedrigzinsen
In Deutschland beliebte Sparformen wie Tages- und Festgeld werfen kaum noch etwas ab. Die niedrige Inflation gleiche die negativen Effekte der niedrigen Zinsen allerdings aus, betont EZB-Präsident Mario Draghi. Derzeit liege die Verzinsung minus Inflation höher als im Durchschnitt der 1990er Jahre. „Zu der Zeit hatten Sie höhere Zinsen auf dem Sparbuch, aber zugleich meist Inflation, die weit darüber lag und alles auffraß“, sagte Draghi jüngst in einem Interview. Im Mai lagen die Verbraucherpreise in Deutschland nach vorläufigen Berechnungen gerade einmal um 0,1 Prozent über dem Vorjahresniveau.
Stand: 07.06.2016
Finanzinstitute müssen Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Für den durchschnittlichen Privatkunden sind Strafzinsen bislang kein Thema. Man werde „alles tun, um die privaten Sparer vor Negativzinsen zu schützen - in Teilen auch zu Lasten der eigenen Ertragslage“, sagte jüngst der Chef des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Georg Fahrenschon. Wenn die aktuelle Niedrigzinsphase aber lange andauere, würden die Sparkassen die Kunden letztlich nicht davor bewahren können. Zudem könnten Geldhäuser nach Angaben des Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Uwe Fröhlich, gezwungen sein, an der Gebührenschraube zu drehen: „Jeder muss in seiner Bank überlegen, wie er über Konditionen-Gestaltung gegen die Ertragsverluste anarbeitet, die ohne Zweifel da sind.“
Lebensversicherern fällt es immer schwerer, die hohen Zusagen der Vergangenheit zu erwirtschaften. Die Folge: Die Verzinsung des Altersvorsorge-Klassikers sinkt seit geraumer Zeit. Auch Betriebsrenten leiden, Firmen müssen wegen der Zinsschmelze immer mehr Geld für die Pensionsverbindlichkeiten zurücklegen. Viele Unternehmen versprechen bei Neueinstellungen daher keine konkreten Leistungen mehr, sondern sagen lediglich zu, einen bestimmten Betrag pro Monat in Vorsorgekassen einzuzahlen. Das Zinsrisiko tragen die künftigen Pensionäre.
Fortan wird kein Investor mehr Anleihen zu einem Preis verkaufen, der geringer ist als der Kurs, den die Zentralbank zahlt; der Marktpreis der Anleihen fällt nicht mehr unter den von der Zentralbank ausgerufenen Mindestpreis. Mit einem solchen Vorgehen setzt die Zentralbank de facto eine Zinsobergrenze.
Die Zentralbank kann die Langfristzinsen auch von null Prozent auf beispielsweise zwei Prozent heraufschleusen. Dazu schränkt sie ihre Wertpapiernachfrage vorrübergehend ein und kauft erst wieder, wenn der Zins das gewünschte Niveau erreicht hat. Wenn die Zentralbank dabei den Realzins im Negativbereich halten will, muss sie die geldpolitische Gangart verschärfen.
Zentralbanken bestimmen die Höhe der Inflation
Sie muss die Inflation in die Höhe treiben. Das erfordert, dass die Geldmenge entsprechend schneller anschwillt. Schließlich ist Inflation – verstanden als steigende Preise – in letzter Konsequenz immer und überall ein monetäres Phänomen. Und daher sind es auch die Zentralbanken, die es letztlich in der Hand haben, welche Höhe die Inflation annimmt.
Die Zentralbanken sind die Monopolisten der Geldproduktion. Sie können, wenn es politisch gewünscht ist, die ungedeckten Papiergeldmengen jederzeit in jeder beliebigen Höhe ausweiten und dadurch die Inflation antreiben. Der klassische Weg dazu ist die Finanzierung der öffentlichen Haushalte mit der elektronischen Notenpresse.
Geldpolitik der EZB: Entlastungen durch Niedrigzinsen
Verbraucher sparen bei Darlehen, ob für den neuen Fernseher oder für die eigenen vier Wände. Hausbauer können sich zu historisch günstigen Konditionen Geld leihen. Nach Angaben des Bankenverbandes BdB sind Hypothekendarlehen mit zehn Jahren Zinsbindung derzeit zu Effektivzinsen von durchschnittlich etwa 1,4 Prozent zu haben. 2007 lagen sie noch bei mehr als fünf Prozent.
Billiger ist es auch geworden, das eigene Konto zu überziehen. Vor fünf Jahren lagen die Dispozinsen nach Angaben der Finanzberatung FMH im Schnitt noch bei 11,26 Prozent. Mittlerweile sind es demnach durchschnittlich 9,51 Prozent.
Seit Jahren ist günstiges Notenbankgeld der zentrale Treibstoff für die Börsen. Aktionäre können von steigenden Kursen profitieren. Zuletzt wagten sich die eher börsenscheuen Deutschen wieder stärker an den Aktienmarkt. Knapp 9,01 Millionen Menschen besaßen nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts im vergangenen Jahr Aktien und/oder Anteile an Aktienfonds - das ist der höchste Stand seit 2012.
Mit der Ausgabe von Anleihen finanziert die öffentliche Hand - neben Steuereinkünften - einen Großteil ihrer Ausgaben. Am Montag fiel die sogenannte Umlaufrendite, die ein durchschnittliches Maß für die „Verzinsung“ von Staatspapieren mit einer Laufzeit von drei bis 30 Jahren ist, in Deutschland erstmals seit der Gründung der Bundesrepublik in den negativen Bereich. Der Bund „verdient“ in einer solchen Situation somit an seiner eigenen Schuldenaufnahme, anstatt den Gläubigern - den Käufern der Anleihen - einen Zins zu zahlen.
Stand: 7. Juni 2016
Die Staaten verschulden sich – wie es einige Ökonomen bereits mit Nachdruck empfehlen – und die neu ausgegebenen Schuldpapiere werden von der Zentralbank gekauft. Das dadurch neu geschaffene Geld wird zum Beispiel durch Infrastrukturprojekte und Transferzahlungen des Staates in die Wirtschaft gepumpt.
Die Zentralbank kann auch Helikopter-Geld ausgeben: Staaten, Private und Unternehmen erhalten „für umsonst“ neu geschaffenes Geld, bis die Inflation auf die gewünschte Rate steigt. Das Konzept, das der amerikanische Ökonom Milton Friedman (1912 – 2006) lediglich für Erklärungszwecke verwandt hatte, ist bereits in aller Munde und wartet auf seinen Einsatz.