Inflation Warum die Preise 2017 deutlich steigen könnten

Kaum noch Teuerung, vieles wird sogar billiger – das war seit einiger Zeit die Preisentwicklung bei vielen Waren und Dienstleistungen. Doch es gibt Gründe für eine Trendumkehr.

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Mehrere Faktoren könnten schon bald zu flächendeckend etwas stärker steigenden Preisen beitragen. Quelle: dpa

Frankfurt Seit zwei Jahren haben sich Verbraucher in Deutschland und vielen anderen Industrieländern daran gewöhnt, dass der Einkauf kaum noch teurer wird. Im November kletterten die Preise in Deutschland um gerade einmal 0,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Inflationsrate dümpelte nahe der Nulllinie – und manchmal sogar darunter. Doch das könnte sich bald ändern. Viele Experten rechnen mit künftig stärker steigenden Preisen, Anleger an den Finanzmärkten stimmen sich schon auf eine „Reflation“ ein. Welches könnten die Gründe dafür sein?

1. Staatsausgaben

Seit der Wahl Donald Trumps zum künftigen US-Präsidenten rechnen viele Anleger mit einer drastischen Erhöhung der Staatsausgaben in den USA. Trump hat versprochen, eine halbe Billion Dollar locker zu machen, um unter anderem die Infrastruktur auf Vordermann zu bringen. Dadurch könnte die Wirtschaft zumindest kurzfristig in Schwung kommen, was die Preise nach oben treiben dürfte. Diese Erwartung führt schon jetzt zu steigenden Zinsen an den Kapitalmärkten, weil die Anleger einen Ausgleich für den erwarteten Wertverlust des Geldes verlangen. Eine Steigerung der öffentlichen Ausgaben zeichnet sich aber nicht nur in den USA, sondern beispielsweise auch in Großbritannien ab. Und der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, forderte jüngst auch mit Blick auf die Eurozone, die Politik müsse das Wachstum stützen.

2. Handelsbarrieren

„Unternehmen werden die Vereinigten Staaten nicht mehr ohne Konsequenzen verlassen“, sagte Trump kürzlich vor Arbeitern in Indianapolis. Der künftige US-Präsident will die heimische Wirtschaft vor Konkurrenz aus dem Ausland schützen. Sollte dies gelingen, dürften steigende Löhne die Preise nach oben treiben. Eine Abschottung der US-Wirtschaft durch höhere Zölle würde Importe teurer machen und dadurch das Preisniveau anheben. Außerdem könnten andere Länder als Reaktion darauf ebenfalls Zölle erheben oder erhöhen. Es drohen Handelskonflikte. Finanzminister Wolfgang Schäuble warnte vor einem Rückfall in Nationalismus und Marktabschottung: „Wir können die Globalisierung nicht zurückdrehen, und wir wollen das auch nicht.“

3. Ölpreise

Ein wichtiger Grund für die schwache Inflation waren bislang die niedrigen Ölpreise. Seit Mitte 2014 fielen die Kosten für das „schwarze Gold“ immer weiter. Doch jetzt könnte sich eine Kehrtwende abzeichnen. In dieser Woche stiegen die Ölpreise auf den höchsten Stand seit dem Sommer 2015. Auslöser war eine Ankündigung des Ölkartells Opec und eines Dutzends weiterer Förderländer, gemeinsam die Produktion zu kürzen.

Insgesamt soll demnach das weltweite Ölangebot um etwa zwei Prozent reduziert werden, damit der Preis wieder nach oben geht. Viele Experten bezweifeln aber, dass die Förderländer wirklich ernst machen werden. „Die Erfahrung lehrt, dass derartige Vereinbarungen letztlich nur Lippenbekenntnisse sind“, meint Eugen Weinberg, Rohstoffexperte bei der Commerzbank.

Wegen der anziehenden Ölpreise sind die jüngsten Inflationsprognosen der EZB laut einem Ratsmitglied womöglich Makulatur. Die Projektionen seien auf Basis der Daten bis zum Stichtag 24. November erstellt worden, sagte der estnische Notenbankchef Ardo Hansson am Dienstag. Seither sei der Ölpreis jedoch „recht beachtlich“ nach oben gegangen: „Mit dem Wissen von heute ist der Inflationsausblick mit Aufwärtsrisiken behaftet.“ Der Stab der Europäischen Zentralbank (EZB) hatte in den am vergangenen Donnerstag vorgelegen Projektionen für 2017 eine Inflationsrate von 1,3 Prozent veranschlagt. Die EZB strebt eine Rate von knapp zwei Prozent an, die als optimal für die Konjunkturentwicklung gilt.

4. Geldpolitik

Spätestens seit der Finanzkrise gehören die Notenbanken zu den wichtigsten Akteuren an den Finanzmärkten. Selbst kleinste Andeutungen von Währungshütern, die für höhere oder niedrigere Leitzinsen sprechen, führen immer wieder zu starken Kursausschlägen. Doch das könnte sich jetzt ändern. „Die Zentralbanken treten in den Hintergrund“, sagt Claudio Borio, Experte bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Denn während die lockere Geldpolitik mit Niedrigzinsen und milliardenschweren Wertpapierkäufen die Inflation bislang nicht anheizen konnte, werden entsprechende Impulse womöglich stattdessen aus dem Weißen Haus kommen. Inzwischen gilt daher eine Leitzinsanhebung der US-Notenbank Fed bei der kommenden Sitzung am Mittwoch als ausgemachte Sache.

5. Lage der Weltwirtschaft

Einer der Gründe für die Mini-Inflation in zahlreichen Ländern ist laut Experten auch eine langjährige Flaute der Weltwirtschaft. Seit dem vergangenen Jahr fehlt vor allem wegen der Abschwächung des Wachstums in China neuer Schwung. Doch inzwischen zeigen sich einige Ökonomen wieder optimistischer. Nach einem Plus von 2,9 Prozent in diesem Jahr rechnet die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) für die beiden kommenden Jahre mit einem Wachstum der Weltwirtschaft um über drei Prozent. Und wenn der globale Konjunkturmotor besser läuft, steigen auch die Löhne und dadurch wiederum die Preise.

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