Inflation Wohin jetzt mit dem Geld?

Die Währungsunion wird zur Schuldenunion, Euro-Entwertung droht. Anleger können ihr Vermögen schützen, indem sie Gold, Sachwerte und Aktien kaufen.

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Reichsmark, 1923: Die Quelle: dpa/dpaweb

Mehr als 60 Kunden stehen an diesem Samstagmorgen in der Münchner Joseph-Wild-Straße 12 Schlange. Am Abend zuvor sind Euro-Kurs und Börsen gecrasht. Der Edelmetallhändler Pro Aurum hat deshalb ausnahmsweise auch am Wochenende auf. Um des Ansturms Herr zu werden, verteilen Mitarbeiter am Einlass Nummern. Sie kochen Kaffee und bieten den Kunden Kuchen an. Die hätten zwar lieber gleich Krügerrand und 100-Gramm-Barren, lassen sich dann aber doch die Wartezeit auf einen der sechs Beraterplätze versüßen.

Die Sorge um die Stabilität des Euro treibt nicht nur der Münchner Pro Aurum die Kunden massenweise ins Haus. Auch andere Edelmetallhändler melden einen enormen Kundenansturm. Internet-Händler Westgold.de etwa vermeldet seit Anfang Mai eine Verdreifachung des Umsatzes. Seit Tagen ist nun tote Hose – ob Krügerrand, Maple Leaf oder die bei Sammlern begehrte australische Lunarserie: Alles ausverkauft, verkündet Westgold. Nur ein bisschen Silber gibt es noch. Aber auch da könnte bald Schluss sein. „Am Montagmorgen haben wir in einer Stunde so viele Silbermünzen verkauft wie sonst in einer Woche“, sagt Westgold-Geschäftsführer Martin Siegel. Skurril: Mangels Masse zahlt Westgold im Goldankauf zurzeit sogar rund drei Prozent Aufschlag auf den aktuellen Goldpreis. In normalen Zeiten gibt es im Ankauf einen Abschlag. Doch die Zeiten sind eben nicht normal.

Anstrum auf Gold ist verständlich

Der Ansturm ist verständlich: Anders als Papiergeld kann das Edelmetall nicht beliebig vervielfältigt werden, daher ist es wertbeständig – auch bei Rekordpreisen von aktuell 1230 Dollar oder 976 Euro je Unze. Der kanadische Hedgefonds-Manager Eric Sprott setzt darauf, dass die Geldvermehrung über die Staatsanleihekäufe der Notenbanken, die sogenannte quantitative Lockerung der Geldpolitik, den Goldpreis weiter in die Höhe treibt. „Wenn mir jemand sagt, wie viel quantitative Lockerung es gibt, sage ich Ihnen, wohin der Goldpreis geht. Ich kann mir ohne Weiteres einen Goldpreis von 1500 Dollar im laufenden und 2000 Dollar im kommenden Jahr vorstellen“, so der Gründer von Sprott Asset Management.

Die Angst der Anleger vor einer Schuldenkrise treibt den Goldpreis – dem 750 Milliarden Euro schweren Notpaket der Europäischen Union (EU) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) zum Trotz. In allen wichtigen Währungen markiert das Edelmetall dieser Tage Allzeithochs. Dazu trägt auch bei, dass die Europäische Zentralbank (EZB) nun mit einem Tabu bricht und Staatsanleihen am Markt kauft.

Europa hat nur noch zwei Möglichkeiten, die untragbar hohen Schulden vieler Euro-Länder zu senken: über Umschuldungen, bei denen die Geldgeber auf ein Drittel oder mehr ihrer Forderungen verzichten, oder über starke Geldentwertung. Die zweite Lösung – Inflation – wird mit dem sogenannten Rettungspaket wahrscheinlicher. Schließlich ist die Versuchung, über eine zumindest milde Geldentwertung Schulden wegzuinflationieren, umso größer, je höher der Schuldenberg der neuen europäischen Schicksalsgemeinschaft liegt. Und der könnte mächtig anwachsen, sollten nach Griechenland weitere Bittsteller in Brüssel anklopfen.

Freude macht das Paket nur der Finanzbranche. Bis zum vergangenen Wochenende waren Banken und Versicherer die Hauptkreditgeber der angeschlagenen Staaten. Jetzt garantieren Deutschland und Frankreich für Kredite an Griechenland und andere südeuropäische Länder. „Das Hilfspaket der EU gibt Banken die Möglichkeit, sich aus diesen Staatsanleihen zu verabschieden“, sagt Philipp Bärtschi, Chefstratege der Schweizer Bank Sarasin.

Das Pleiterisiko wandert in die Staatshaushalte von Paris und Berlin – und damit auch zum deutschen Steuerzahler. Dass die Notenbank eingeknickt ist und gegen ihren ursprünglich erklärten Willen jetzt Staatsanleihen kauft, macht sie als Kämpfer für stabile Preise weniger glaubwürdig.

Grafik: Richtige Mischung des Vermögens

Der Pariser Vermögensverwalter Edouard Carmignac rechnet mit einem weiteren Wertverlust der Gemeinschaftswährung. Nur noch 20 Prozent des 17,7 Milliarden Euro schweren Mischfonds Carmignac Patrimoine sind in Euro-Anlagen investiert. Der Franzose setzt auf US-Dollar und Anleihen in inländischer Währung aus Brasilien, der Türkei, Polen und Mexiko. Weg aus Europa zieht es auch Guy de Blonay, Co-Manager des erfolgreichsten Bankaktien-Fonds der vergangenen zehn Jahre, des Jupiter Financial Opportunities. „Unser Engagement in Europa haben wir verringert, außer in Norwegen, wo wir bei der Bank DNB Nor investiert sind, und in der Schweiz, wo wir Credit-Suisse-Aktien halten.“

Riklef von Schüssler, Geschäftsführer von Feri Family Trust, setzt ebenfalls auf Norwegen, das mit Ölgeldern locker seine Anleiheschulden bedienen kann. Zweijährige norwegische Staatsanleihen mit Restlaufzeit bis Mai 2011 bringen aktuell zwei Prozent Rendite, für vergleichbare deutsche Bundespapiere gibt es unter 0,6 Prozent. Außerdem winken Währungsgewinne, ebenso wie in der klassischen Fluchtwährung Schweizer Franken.

Flucht in Sachwerte wird einsetzen

Gold war in Krisenzeiten schon immer eine der stärksten Anlagen, mit denen Investoren Vermögen retten konnten. Daher ist es sinnvoll, wenigstens 20 Prozent seines Geldes in das Edelmetall zu stecken. Das übrige Kapital sollten Anleger so streuen, dass es Inflation so gut wie möglich auffangen kann und Flexibilität gewährleistet. Schnelle Liquidierbarkeit geht dabei vor Rendite. Wer sich etwa in Anleihen lange bindet, kassiert zwar einen höheren Zins, muss aber im Falle steigender Preise höhere Kursverluste bei seinen langlaufenden Papieren fürchten als bei kurzfristigen Anlagen. Denn Inflation führt zu höheren Zinsen, die auf die Kurse der Anleihen im Depot drücken. Je länger deren Restlaufzeit, desto größer die Verluste.

„Sobald die Bürger erkennen, dass sich EU und EZB in einem Teufelskreis befinden, aus dem sie sich nur noch mit Inflation und fiskalischen Tricks befreien können, wird eine Flucht in Sachwerte einsetzen“, sagt Bert Flossbach, Mitgründer des Kölner Vermögensverwalters Flossbach & von Storch. „Dann kauft man Gold, Häuser, Autos oder andere langlebige Wirtschaftsgüter.“

In Aktien halten deutsche Privatanleger weniger als fünf Prozent ihres Vermögens. Selbst Multimillionäre, die ihr Vermögen mithilfe von Beratern breit streuen, haben selten mehr als 20 Prozent ihres Kapitals in Aktien angelegt, sagt Thomas Neumann, Co-Gründer und Chef des auf wohlhabende Privatkunden spezialisierten Münchner Finanzberaters Bestadvice. Doch wegen der Gefahr hoher Inflation und weil derzeit immer noch solide Unternehmen zu vertretbaren Bewertungen an der Börse zu kaufen sind, wäre derzeit eine etwa doppelt so hohe Aktienquote angebracht. Zwar gilt: Bei Aktien kann der Kurs stark fallen und die Dividende gestrichen werden, Anleihebesitzer dagegen erhalten am Ende der Laufzeit den Nennwert zurück und bis dahin fest vereinbarte Zinsen, solange der Schuldner zahlen kann.

Allerdings sind Gewinne bei Anleihen angesichts derzeit sehr hoher Kurse äußerst begrenzt, bei Inflation sogar ausgeschlossen, anders als bei Aktien. „Kurzfristig hat das Anwerfen der Gelddruckmaschine positive Impulse für den Aktienmarkt“, so Arnim Kogge, Leiter des Privatkundengeschäftes beim Bankhaus Ellwanger & Geiger in Stuttgart.

Sollte der Wert des Geldes sinken, profitieren Aktionäre vom steigenden Wert der in der Vergangenheit in Produktionsanlagen und Forschung gesteckten Investitionen. Somit müsste auch der Kurs der Aktie stärker steigen und einen Inflationsausgleich bieten – jedenfalls so lange, wie das Unternehmen ausreichend Marktmacht hat, um höhere Kosten für Rohstoffe und Arbeitslöhne an die Kunden weiterzugeben. Für eine kurzfristige Spekulation rät Kogge zu „Export- und Rohstofftiteln“. Besonders deutsche Exportunternehmen wie etwa BASF oder der Kölner Motorenbauer Deutz profitieren von der Euro-Schwäche. Mächtige Rohstoffunternehmen wie ExxonMobil oder Rio Tinto sind attraktiv, weil sie Preissteigerungen leicht auf ihre Abnehmer überwälzen können.

Tabelle: Anlagen in Aktien, Anleihen und Gold

Langfristig hohe Gewinne garantieren aber auch Aktien nicht: Der Grund dafür ist, dass hohe Preissteigerung die Wirtschaft abwürgt. In den Jahren 1973 bis 1982 – dem bisher letzten Inflationsjahrzehnt – stiegen die US-Verbraucherpreise um durchschnittlich neun Prozent pro Jahr, das Wirtschaftswachstum hinkte deutlich hinter. Der US-Aktienindex S&P 500 legte in diesen zehn Jahren nur um knapp 20 Prozent zu, während sich die Verbraucherpreise in diesem Zeitraum mehr als verdoppelten.

„Aktien reagieren empfindlicher auf Rezessionen als auf Inflation — aber sie hassen sehr hohe Preissteigerungen, die zu Rezessionen führen“, urteilen die Anlagestrategen von Société Générale. Dennoch: Angesichts des Plans der Europäischen Zentralbank, Geld in die Anleihemärkte zu pumpen, rät die französische Bank vorerst zu Rohstoffinvestments und zu Aktien: „Der Schutz vor Inflation ist wichtiger als je zuvor.“

Danach handelt auch der Pullacher Fondsmanager Jens Ehrhardt: Er kauft europäische Aktien. „Bislang hielten wir Asien für gesünder und haben Europa eher gemieden. Jetzt nehme ich die Rally mit“, so der Gründer des Vermögensverwalters DJE Kapital. Für Euro-Dividendenpapiere spricht auch, dass europäische Aktien noch nicht zu teuer sind. Sie kosten das Zwölffache der für 2010 von Analysten geschätzten Unternehmensgewinne. Im Durchschnitt der vergangenen 20 Jahre wurde an der Börse das 18-Fache des erwarteten Gewinns gezahlt. Selbst wenn sich viele Gewinnschätzungen, wie so häufig, als viel zu optimistisch erweisen dürften, bleibt auf dem aktuellen Bewertungsniveau ein Sicherheitspuffer, der das Verlustrisiko begrenzt.

„Bei einer defensiven Anlagepolitik bleiben wir optimistisch für die Branchen Nahrungsmittel und Gesundheit wie Nestlé und Bayer sowie einzelne Minenwerte wie Barrick Gold“, sagt Kogge von Ellwanger & Geiger. Goldminenaktien profitieren doppelt: von einer freundlichen Börse und vom Goldpreis (siehe Tabelle). Carmignac meldet denn auch, man habe „wieder Positionen in den beiden größten Goldproduzenten Barrick Gold und Newmont Mining aufgebaut“.

Anleihen gehören auch ins Depot

Mit der richtigen Auswahl schlagen Anleger mit Aktien die Rendite von Staatsanleihen der großen Industrienationen zurzeit binnen Tagen. Als die Angst vor Staatsbankrotten in Südeuropa wuchs, flüchteten Großanleger vor allem in Bundespapiere mit zwei Jahren Laufzeit und drückten deren jährliche Rendite so auf mickrige 0,55 Prozent. Selbst Bundesanleihen mit zehn Jahren Laufzeit bringen weniger als drei Prozent Rendite – die T-Aktie etwa bringt das Dreifache an Ertrag pro Jahr über ihre Dividenden, so der Kurs nicht fällt.

Trotz der drohenden Inflation gehören Zinspapiere in jedes ausgewogene Depot, zumindest mit einem kleinen Anteil. Es müssen ja nicht Staatsanleihen sein, schon gar nicht von Griechenland oder Italien. Anleihen von großen, solide finanzierten Unternehmen aus weniger konjunkturempfindlichen Branchen sind sicherer und attraktiver. Großanleger haben längst entsprechend umgeschichtet: Der Anleihefondsverwalter Bantleon aus Hannover hat den Anteil der Euro-Staatsanleihen in seinem Yield-Fonds von 50 Prozent auf 25,4 Prozent halbiert, zu-gunsten von Unternehmensanleihen, deren Anteil aktuell nun 38 Prozent statt wie über Jahre üblich 25 Prozent beträgt.

„Solide Unternehmen mit stabilen Kapitalflüssen und moderater Verschuldung aus weniger konjunkturabhängigen Branchen wie Telekommunikation, Grundstoffe, Versorger und Konsumgüter sind attraktiv“, sagt Stephan Kuhnke, Leiter Anlagemanagement bei Bantleon. Um einen Schutz vor Preissteigerung einzubauen, können Anleger auf inflationsgeschützte Staatsanleihen zurückgreifen. Diese Papiere sind an einen Verbraucherpreisindex gekoppelt. Steigen die Preise und damit der Index, erhöht sich der niedrige Grundzins der Anleihe um die Inflationsrate. Die Schutzwirkung entfaltet sich erst am Laufzeitende, wenn das Papier zum Nennwert plus der aufgelaufenen Inflation zurückgezahlt wird.

Der Kauf lohnt, wenn die Inflation höher ausfällt, als es der Markt zum Kaufzeitpunkt erwartet. Aufschluss über die erwartete Inflationsrate gibt der Renditeabstand einer üblichen Festzinsanleihe zu einer an die Preissteigerung gekoppelten Anleihe gleicher Laufzeit. Eine bis April 2020 laufende Inflationsanleihe zum Beispiel lohnt im Vergleich zur üblichen zehnjährigen Anleihe des Bundes, die zurzeit fixe 2,9 Prozent Rendite abwirft, immer dann, wenn die Inflationsrate im Durchschnitt der kommenden zehn Jahre bei mehr als zwei Prozent liegen sollte. Zuletzt legten die Preise nur um ein Prozent zu. Sollte dies so bleiben, rechnet sich die klassische Bundesanleihe ohne Inflationsschutz besser. Bedingung ist bei beiden Papieren: Der Staat bleibt zahlungsfähig und bedient Zins und Tilgung.

Wer bereit ist, außerhalb des Kapitalmarktes sehr individuell sein Geld zu investieren, findet am Immobilienmarkt einen Ausweg. Vermietete Wohnungen in Innenstadtlagen mit positiver Bevölkerungs- und Einkommensentwicklung bieten Schutz vor Geldentwertung (siehe WirtschaftsWoche 19/2010). Wer per Kredit finanziert und diesen auch über die Laufzeit bedienen kann, würde von einer Geldentwertung profitieren. Dann würde der reale Wert der Schulden gesenkt, der Kredit wäre über steigendes Einkommen deutlich leichter als erwartet abzubezahlen. Immobilienkredite mit zehn Jahren Laufzeit gibt es bereits für weniger als vier Prozent Zins. Falls die Teuerungsrate dieses Niveau erreicht, würde dies die Zinskosten ausgleichen.

Wem Immobilien zu viel Arbeit machen, der greift zu Mobilien. Gut erhaltene Oldtimer und nicht verbastelte Youngtimer haben sich in den vergangenen Jahren als gute Anlage erwiesen. Auch mit einem neuen Gefährt lässt es sich leben – besser als mit unter dem Kopfkissen gehortetem Papiergeld.

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