Inflationsrate Verstehen Sie Warenkorb?

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Wo der Warenkorb Fehler hat

Kritiker hadern aber mit dem offiziellen Warenkorb. Sowohl Zusammensetzung als auch Gewichtung der einzelnen Waren und Dienstleistungen innerhalb des Warenkorbs spiegeln nicht immer den realistischen Bedarf wieder.

Zum einen ändert sich das Konsumverhalten der Verbraucher mitunter schneller, als der Warenkorb aktualisiert wird. Insbesondere die Gewichtung der einzelnen Posten wird nur alle fünf Jahre überarbeitet. Gehen die Leute etwa seltener ins Kino, weil sich immer mehr einen großen Flachbildschirm für ihr zuhause kaufen, fließt das erst mit Verzögerung in den errechneten Verbraucherpreisindex ein.

Hinzu kommt ein methodisches Problem. Denn der harmonisierte Verbraucherpreisindex – harmonisiert, damit in der Euro-Zone die Inflationsraten der Länder miteinander vergleichbar sind – verwendet Preise, die Qualitätsänderungen bei den Produkten und Dienstleistungen unberücksichtigt lassen.

Dieses sogenannte hedonische Verfahren soll eigentlich dafür sorgen, dass Preisänderungen aufgrund veränderter Qualität des Produkts aus der Statistik eliminiert werden, gewünscht sind nur Preisänderungen bei ansonsten identischen Produkten und Dienstleistungen.

Dabei werden zwar ausgefeilte Berechnungsmodelle verwendet, allerdings müssen die Statistiker oft auf Schätzungen und Annahmen zurückgreifen, insbesondere bei Produkten, die sich rasant weiterentwickeln. Zudem kann es passieren, dass die Statistiker Änderungen in der Qualität übersehen oder ignorieren. „Die amtliche Statistik neigt dazu, die Inflation zu überschätzen, denn sie erfasst Qualitätsverbesserungen von Produkten häufig als Preissteigerung“, sagt Andreas Rees, Deutschland-Chefvolkswirt der Großbank UniCredit. „Wenn ein PC einen leistungsfähigeren Prozessor bekommt oder ein Auto eine bessere Elektronik, steht der höhere Preis für einen höheren realen Gegenwert - und das ist keine Inflation.“ Gerade bei Produkten mit häufigen Technologiesprüngen sei die Preisanalyse für die Statistiker „extrem schwer“.

Die so errechnete offizielle Inflationsrate hat aber weitreichende Folgen: Die Europäische Zentralbank orientiert ihre Zinsentscheidungen daran. Außerdem ist sie Referenzgröße für die Tarifpolitik, für vertragliche Wertsicherungsklauseln im Geschäftsverkehr und oft auch für Mieterhöhungen. Und sie bestimmt den Realwert zentraler volkswirtschaftlicher Größen, mit denen Analysten, Lobbyisten und Politiker hantieren (wie etwa der Einzelhandelsumsatz). Im Wahlkampf werden wir es erleben.

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