iPhone statt Aktie Sind die Armen selbst schuld?

Die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander. Warum? Weil die Mehrheit nicht mit Geld umgehen kann, sagt Robert Kiyosaki, der mit Spekulationen reich wurde. Ansichten eines Marktradikalen.

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Die Schere zwischen Arm und Reich geht auseinander Quelle: Fotolia

Robert Kiyosaki kennt die Zahlen. Er betet sie herunter und er fürchtet sie. Die reichsten 20 Prozent der US-Amerikaner besitzen fast 85 Prozent des privaten Gesamtvermögens. Auf ihren Konten und Depots liegen unglaubliche 91 Prozent des Finanzvermögens. Kiyosaki, Selfmade-Millionär und Bestseller-Autor, sieht in den Zahlen eine Gefahr: für die Gesellschaft, für die weniger Wohlhabenden – und für sein eigenes Geld. Nichts bedroht sein Vermögen mehr, als Unruhen und Verwerfungen.

Doch statt auf den Staat zu schimpfen oder auf Unternehmen, die ihre Mitarbeiter ausbeuten und ihre Steuerlast künstlich drücken, nimmt er die Unter- und Mittelschicht in die Pflicht. Sie seien an ihrer Misere selbst schuld, da sie nicht mit Geld umgehen könnten.

„Reiche Menschen erwerben Vermögenswerte. Die Armen und die Angehörigen der Mittelschicht schaffen Verbindlichkeiten an, aber sie denken, dass es sich um Vermögenswerte handelt“, bemängelt Kiyosaki im Gespräch mit WirtschaftsWoche Online. „Sie sind schlicht unwissend.“

Während sich die Mehrheit der Amerikaner von Kredit zu Kredit hangele und immer in finanziellen Schwierigkeiten lebe - unabhängig davon, ob sie eine Gehaltserhöhung bekommen oder Geld erben -, würden die Reichen das Geld für sich arbeiten lassen und der Masse immer weiter davonziehen, glaubt der Autor.

Hintergrund

In der Neuauflage seines Bestsellers „Rich Dad, Poor Dad“ beschreibt der US-Amerikaner mit japanischen Wurzeln, wie ihn zwei Personen geprägt haben: sein eigener Vater, ein gut bezahlter Lehrer mit Doktortitel, der immer Geldsorgen hatte. Und der Vater seines besten Freundes, ein Unternehmer, der in der achten Klasse die Schule abgebrochen hatte – und nie in finanziellen Schwierigkeiten steckte. Von Kindesbeinen an, sog Kiyosaki das Wissen seines reichen Mentors, dem „rich dad“, auf.

Kiyosaki spricht aus Erfahrung, wenn er sagt: „Der Umgang mit Geld wird zu Hause gelehrt, nicht in der Schule. Das ist einer der Gründe, warum die Reichen immer reicher werden.“ Die Lehrer würden sich darauf konzentrieren, akademisches Wissen zu vermitteln, kein finanzielles Wissen. Selbst Wirtschaftsschulen würden nur Angestellte ausbilden, „die gescheite Erbsenzähler sind“.

So zitiert der Autor den Vater seines besten Freundes – ohne sich zu distanzieren. Generell gilt: Wer will, kann eine gehörige Portion Arroganz der Wohlhabenden aus dem Buch herauslesen. So spricht der „reiche Vater“ wiederholt abschätzig von seiner Umgebung: sei es von den eigenen Angestellten, sei es von Baseball spielenden Jung-Erwachsenen im Park. „Sie arbeiten sehr fleißig für wenig Geld, klammern sich an die Illusion eines sicheren Jobs, freuen sich auf ihren Jahresurlaub und auf ihre mickrige Rente nach 45 Arbeitsjahren.“

Oder auch: „Die Hauptursache für Armut und finanzielle Schwierigkeiten ist Angst und Unwissenheit, nicht die Wirtschaft, der Staat oder die Reichen.“

Das allerdings sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kiyosaki wichtige Denkansätze liefert und richtigerweise den Unterschied zwischen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten aufzeigt.

Lieber eine Aktie kaufen, als ein iPhone

Sechs Regeln hat der Autor in seinem Buch zusammengestellt, die helfen sollen, Reichtum aufzubauen. Die wichtigste ist fraglos die zuerst angefügte Regel, um die sich alles Weitere dreht: „Man muss den Unterschied zwischen Vermögenswerten und Verbindlichkeiten kennen und Vermögenswerte kaufen.“

In einfachen Schaubildern erklärt Kiyosaki, dass ein Vermögenswert etwas ist, „das Geld in meine Tasche bringt“. Im Unterschied dazu ist eine Verbindlichkeit etwas, „dass mir Geld aus der Tasche zieht“. Die einfache Regel: Wer reich werden wolle, müsse sein Leben lang einfach Vermögenswerte kaufen.

Echte Anleger sind...

„Die Menschen arbeiten nicht zu wenig, sie kaufen Verbindlichkeiten statt Vermögenswerte“, glaubt Kiyosaki zu wissen. Statt in Aktien, Anleihen oder Immobilien zu investieren, würde die breite Masse lieber ein neues iPhone kaufen oder einen Neuwagen, der mit dem ersten gefahrenen Kilometer schon einen Großteil seines Werts verliert.

„Reiche kaufen ihren ersten Luxusartikel erst dann, wenn sie wirklich Geld übrig haben“, sagt Kiyosaki. Die Mittelschicht hingegen übernehme sich, indem sie reich erscheinen will. „Echter Luxus ist eine Belohnung für eine Anlage in einen echten Vermögenswert und seine Entwicklung.“

Auch wenn Allgemeinplätze falsch sind: Den Hinweis, sich früh mit den Themen Geldanlage und Vorsorge zu beschäftigen, ist sicher richtig. Dass nicht einmal jeder siebte Deutsche Aktien oder Fonds besitzt, hilft sicher nicht bei dem Versuch, ein Vermögen aufzubauen – und sei es nur ein klitzekleines.

Die größten Fehler der Anleger

So wie Kiyosaki, der sich von Gewinn zu Gewinn hangelte. Angefangen mit einer vermieteten Kleinwohnung, kaufte er später Häuser, Wohnkomplexe und Villen. 1994 hat sich der Autor im Alter von 47 Jahren von der Arbeit zurückgezogen. Er habe ein so großes Vermögen, dass er allein von den Zinsen – die höher sind als die Inflation – leben könne. Seine Frau habe bereits mit 37 Jahren aufgehört, regelmäßig zu arbeiten. Beide würden nur noch dann arbeiten, wenn ihnen danach ist.

Apropos Immobilien: Kiyosaki unterstreicht, dass ein Haus per definitionem kein Vermögenswert sein, sondern eine Verbindlichkeit. „Es zieht Geld aus der Tasche.“ Dabei geht es dem Autoren nicht um die klassischen Probleme, dass eine Grundsteuer angehoben und das Budget springen könnte oder das ein Verlust droht, wenn sich Rahmenbedingungen ändern und das Haus an Wert verliert.

Nein, der Autor gibt vielmehr zu denken, dass sich junge Leute durch einen Hauskauf früh für einen Weg entscheiden und sich damit Optionen nehmen. Die Menschen hätten es leichter, sagt Kiyosaki, wenn sie schon früh mehr Geld investieren würden, ihre Vermögenswerte würden wachsen und mit ihnen der Gewinn.

Es ist nicht so, dass der Selfmade-Millionär von einem Hauskauf abrät. Vielmehr will er aufzeigen, wie die richtige Herangehensweise ist. Wer ein größeres Haus will, sollte zunächst Vermögenswerte kaufen, die Cashflow generieren, um das Haus zu bezahlen – als sich gleich in das neue Abenteuer zu stürzen. Sonst drohe man, in einem Hamsterrad gefangen zu werden.

Der Rat des Marktradikalen

Kiyosaki verweist auf seinen Vater, dessen Einnahmen immer Schritt gehalten hätten mit dessen Ausgaben. So habe er nie in Vermögenswerte investieren können. „Im Ergebnis sind seine Verbindlichkeiten, wie Hypothek und Kreditkartenschulden, höher als seine Vermögenswerte.“

Man müsse das Geld für sich arbeiten lassen, empfiehlt Kiyosaki unter dem Strich. Wer konkretere Anlageempfehlungen sucht, wird enttäuscht. Recht vage spricht der US-Amerikaner von kleinen Aktiengesellschaften und Immobiliengeschäften, die sein Interessen wecken würden.

So tricksen Immobilienmakler

In einem zweiten Buch, „Cashflow Quadrant“ erweitert Kiyosaki seine Ausführungen um den Faktor Zeit. Der Selfmade-Millionär teilt die arbeitende Bevölkerung in vier Gruppen ein: die Arbeitnehmer und die Selbständigen, auf der linken Seite einer zweispaltigen Tabelle.

Rechts die Geschäftsinhaber und die Investoren. Wer links steht, verkauft seine Zeit. An seinen Arbeitgeber oder an seine Firma. Die rechte Hälfte hingegen verwaltet die Zeit anderer Leute. Ihr Einkommen steigern die Angestellten und Selbständigen nur durch eine Ausweitung ihrer Arbeit. Doch ihre Entwicklungsmöglichkeiten sind begrenzt, der Tag hat nun einmal nur 24 Stunden.

Unternehmen und Investoren hingegen arbeiten mit der Zeit anderer Leute. Der Geschäftsführer etwa kann sich einfach zusätzlich Zeit – in Form von neuen Angestellten – kaufen.

Kiyosaki empfiehlt seinen Lesern, darüber nachzudenken, die Seiten zu wechseln. Weg vom Arbeitnehmer, hin zum Unternehmer oder Investor. Nur so könne ein jeder das Zeit- und Geldproblem langfristig lösen.

So einfach, wie Kiyosaki zu vermitteln sucht, ist die Lage freilich nicht. Nicht jeder eignet sich zum Geschäftsmann, nicht jeder hat den Mut, sein Geld spekulativ anzulegen. Und doch: Ein bisschen mehr Gründergeist würde man den Deutschen wünschen. Und vielen Bürgern die Erkenntnis, dass ein bisschen Investor in jedem stecken sollte.

Niedrigzinsen, ein Arbeitsmarkt der perspektivisch durch Robotik und weiterer Digitalisierung vor einem Wandel steht, und globale politische Unsicherheiten verlangen neue Antworten vom Bürger, der sich längst nicht mehr auf sein Sparbuch verlassen kann. „Lernen Sie mit Risiken umzugehen, statt sie zu vermeiden“, rät Kiyosaki. Es ist das moderate (und gleichzeitig das sinnvollste) Statements eines Marktradikalen.

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