Japanische Wirtschaft Globale Inflation und Weichwährung Yen: Diese toxische Mischung trifft Japans Firmen hart

Japan leidet unter der Inflation. Selbst Textilhersteller Uniqlo, der durch seine Preisbeständigkeit punktet, muss nun die Preise anziehen. Quelle: imago images/Michael Gstettenbauer

Die toxische Mischung aus globaler Inflation und eigener Weichwährung macht vielen Unternehmen in Japan schwer zu schaffen. Auch der Textilriese Uniqlo gerät in Zugzwang.

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Gute Qualität für Basiskleidung zum Niedrigpreis – dieses Geschäftsmodell hat Tadashi Yanai in knapp vier Jahrzehnten zum reichsten Japaner gemacht. Jung und Alt, Arm und Reich kaufen in seinen 812 Uniqlo-Textilkaufhäusern in Japan ein, weil sie sich dort auf günstige Standardpreise im Einfachformat verlassen können. Viele Artikel im Sortiment kosten zum Beispiel 1990 Yen (14 Euro) oder 2990 Yen (21 Euro). Doch nun muss Yanai der weltweiten Teuerung Tribut zollen: Die Preise für Fleece-Textilien und Daunenjacken der kommenden Herbst- und Winterkollektion werden um jeweils 1000 Yen (7 Euro) angehoben.

Als Mitschuldigen identifizierte der Milliardär den Verfall der Heimatwährung. „Der schwache Yen bringt keine Vorteile. Vielmehr ist er mit Nachteilen für die gesamte japanische Wirtschaft verbunden, die Rohstoffe importiert“, meinte Yanai bei der Vorlage der letzten Geschäftszahlen.

Seine Kritik gilt vor allem der eigenen Zentralbank, die an ihrem Nullzins festhält, während die anderen Notenbanken ihre Geldschleusen schließen. Die steigende Zinsdifferenz hat den Yen binnen weniger Monate auf ein 24-Jahres-Tief zum Dollar gedrückt.

Diese brutale Abwertung zieht nun vor allem jene Unternehmen in Japan in den Abgrund, die ihr Sortiment auf dem Heimatmarkt verkaufen, aber – wie eben auch Uniqlo – ihre Waren im Ausland herstellen oder dort wesentliche Grundmaterialien und Teile für die Verarbeitung in Japan einkaufen. Dieses Geschäftsmodell funktionierte fast drei Jahrzehnte reibungslos, weil die Preise in Japan stagnierten oder leicht zurückgingen, aber ein fester Yen den Einkauf der Waren im Ausland verbilligte. Doch jetzt geraten die ausländischen Zulieferer selbst unter Inflationsdruck und verlangen mehr Geld für ihre Produkte – zusammen mit dem Währungsabsturz wird die frühere Kalkulation der Abnehmer in Japan zur Makulatur.

Die Unternehmen können höhere Kosten zudem nicht leicht weitergeben. Ihre Kunden leiden laut Notenbankchef Haruhiko Kuroda an einer „deflationären Mentalität“. Damit beschreibt er die geringe Toleranz für höhere Preise, da die Löhne seit Mitte der 1990er-Jahre kaum gestiegen sind. Wie Umfragen seit Jahren zeigen, weichen japanische Verbraucher lieber auf andere Läden aus oder wechseln die Herstellermarke, als dass sie für eine Ware mehr bezahlen.

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Seitdem die Energiekosten steigen, drosseln viele Haushalte ihren Konsum. Eine Analyse des Mizuho-Forschungsinstituts ergab, dass sie seit dem vergangenen Herbst vor allem weniger Speiseöl, Tee in Beuteln, Klimaanlagen und Futon-Betten kaufen. In Zukunft dürften sie sich noch mehr einschränken: Denn die höheren Energie- und Warenpreise zwingen den Haushalten in diesem Jahr im Schnitt Mehrkosten von umgerechnet 400 Euro auf.

Das japanische Geiz-ist-Geil-Denken bringt auch Uniqlo-Chef Yanai in Entscheidungsnöte: „Angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage in Japan können wir die Preise nicht einfach erhöhen, weil die Verbraucher sehr empfindlich auf Preise reagieren“, formulierte der 73-jährige Chef der Uniqlo-Mutter Fast Retailing öffentlich. Tatsächlich trauen sich laut einer Umfrage des Datenanbieters Teikoku nur 44 Prozent der Firmen zu, höhere Kosten an den Endkäufer weitergeben zu können. Doch Yanai sieht keine andere Möglichkeit mehr: Er könne seine Kleidung „unmöglich“ zu den alten Preisen verkaufen, wenn die Kosten weiter steigen.

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Das Dilemma zeigt sich auch bei den allgegenwärtigen 100-Yen-Shops: Über 8400 solcher Minikaufhäuser bieten ihre Waren zum Einheitspreis von 100 Yen (0,70 Euro) an und setzen dabei jährlich 6,7 Milliarden Euro um. Zwei Drittel ihres Sortiments importieren die Läden aus Billiglohnländern in Asien. Die ausländische Inflation und der Yen-Einbruch erzwingen nun eine Anpassung. Eine Abkehr vom Einheitspreis erwägt bisher kein Betreiber, so groß ist die Verzweiflung noch nicht. Aber einige Ketten setzen auf „Shrinkflation“ und verringern die Inhalte von Packungen – statt 50 gibt es zum Beispiel nur noch 45 Mülltüten für 100 Yen.

Dagegen will Marktführer Daiso die Produktmischung ändern und mehr in Japan herstellen – nach 30 Jahren Deflation lässt sich dort mit viel Automatisierung billiger produzieren als in Südostasien. Doch die notwendigen Investitionen können sich nur Große wie Daiso leisten.

Viele Kleine werden ins Gras beißen – die Zahl der Insolvenzen von kleinen und mittleren Unternehmen stieg im Mai erstmals seit einem Jahr wieder an. Darunter waren auch die neun 100-Yen-Shops des Anbieters Prodire in Tokio, wo die Lichter Ende Mai ausgingen.

Auch Uniqlo-CEO Yanai macht sich keine Illusionen über die Folgen der Inflation. Zwischen 2014 und 2016 erhöhte Uniqlo die Endpreise in den Japan-Filialen zunächst um 5 Prozent und dann um 10 Prozent. In diesem Zeitraum wertete der Yen ebenfalls dramatisch zum Dollar ab, weil die Zentralbank ihre Geldhähne so weit wie nie zuvor aufdrehte. Ein Verzicht auf höhere Preise würde nur die Marge der Zulieferer schmälern, begründete man damals die Anhebungen.

Schneller schlau: Inflation

Doch es kamen weniger Kunden in die Läden, das Wachstum kam zum Stillstand. Selbst ein Rabatt am Wochenende half nicht. Darauf blies Yanai zum Rückzug. „Die Erhöhungen waren ein Fehler, auch weil wir hälftige Preise wie 2490 Yen eingeführt haben“, erläuterte der Konzernchef. Diese negativen Erfahrungen dürften mit ein Grund dafür sein, warum Uniqlo diesmal nur wenige Produkte und dann um glatte 1000 Yen verteuert.

Allerdings klagt Yanai in Sachen Währung auf hohem Niveau, denn sein Konzern darf sich in diesem Jahr auf erneut rekordhohe Erträge freuen. Der schwache Yen verschafft Uniqlo sogar zusätzlichen Auftrieb, weil man weltweit operiert. Allein in China betreibt der Mutterkonzern Fast Retailing mehr Uniqlo-Läden als in Japan, in Deutschland sind es immerhin 10 Filialen. Durch den Transfer ihrer ausländischen Einnahmen nach Japan steigt der in Yen bilanzierte Gewinn der Gesellschaft. Auf diese Weise verbuchte Fast Retailing allein im ersten Geschäftshalbjahr einen Extraertrag von umgerechnet rund 160 Millionen Euro.

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Aber die meisten Unternehmen in Japan sind nicht global aufgestellt, so dass sie die toxische Mischung aus globaler Inflation und eigener Weichwährung viel härter trifft. Viele japanische Konsumenten werden notgedrungen den Gürtel enger schnallen, um Preiserhöhungen zu verkraften. Dagegen trifft die Entwicklung den Geldbeutel des Uniqlo-Gründers auf eine weniger schmerzhafte Weise: Weil der Yen seit Jahresanfang deutlich stärker nachgab als der Aktienkurs von Fast Retailing zulegte, wurde Yanai unterm Strich um 8 Prozent ärmer – nun sind seine Firmenanteile an der Börse „nur“ noch 27,5 Milliarden Dollar wert.

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