Kapitalismus "Der Kapitalismus droht unterzugehen"

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"Freunde des Grundeinkommens sind auf dem Holzweg"

Die Geschichte der freien Marktwirtschaft
Metamorphose IIn der Frühphase des Kapitalismus werden aus Landarbeitern Handwerker: Webstuhl im 19. Jahrhundert in England. Quelle: imago / united archives international
Metamorphose IIMit der Industrialisierung werden aus Handwerkern Arbeiter: Produktion bei Krupp in Essen, 1914. Quelle: dpa
Metamorphose IIIIm Wissenskapitalismus werden Arbeiter zu Angestellten und Proletarier zu Konsumenten: Produktion von Solarzellen in Sachsen. Quelle: dpa
Ort der VerteilungsgerechtigkeitDen reibungslosen Tausch und die Abwesenheit von Betrug – das alles musste der Staat am Markt anfangs durchsetzen. Quelle: Gemeinfrei
Ort der KapitalkonzentrationDer Börsenticker rattert, die Märkte schnurren, solange der Staat ein wachsames Auge auf sie wirft Quelle: Library of Congress/ Thomas J. O'Halloran
Ort der WachstumsillusionWenn Staaten Banken kapitalisieren, sind das Banken, die Staaten kapitalisieren, um Banken zu kapitalisieren... Quelle: AP
Karl MarxFür ihn war der Unternehmer ein roher Kapitalist, ein Ausbeuter, der Arbeiter ihrer Freiheit beraubt. Quelle: dpa

Wieso ist dieser Ort, an dem Angebot und Nachfrage aufeinandertreffen, so wichtig?

Der Markt ist unentbehrlich in einer komplexen Volkswirtschaft, um zu verstehen, was die Menschen wollen und wie die Ressourcen einzusetzen sind, um die Bedürfnisse zu bedienen. Wir kennen kein anderes Verfahren, das in der Lage ist, dieses komplexe Problem zu lösen. Wenn wir den Wohlstand halten wollen, brauchen wir den Markt.

Kapitalismuskritiker würden Ihnen an dieser Stelle Verrat vorwerfen und argumentieren, der Markt verdirbt den Menschen.

Wir sollten ein realistisches Menschenbild haben. Ich glaube, jeder Bürger empfindet ein wenig Nächstenliebe, aber ein Jeder ist sich selbst der Nächste. Ich kenne die romantischen Sozialkritiker und ihre Vorstellung: Der Mensch ist per se gut und wird vom Kapitalismus verdorben. Man braucht also nur die Märkte abschaffen und alles wird gut. Nein, das führt zu einer Katastrophe. Wir dürfen nicht außer Acht lassen, dass Geld-Anreize in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle spielen. Sie sorgen für Antrieb und Motivation. Klar ist aber auch: Zwang- und hemmungslose Märkte führen nicht zu einem perfekten Leben. Ohne Kontrolle und Regeln kann der Markt nicht funktionieren.

Das sind die wettbewerbsfähigsten Länder der Welt

Was, wenn wir den Markt beibehalten, aber das politisch-gesellschaftliche Umfeld ändern. Eine linke Idee, die immer Applaus findet: Lasst uns ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen. Das wäre angeblich das Ende der Armut, das Ende der Unterdrückung der Arbeiter – und das alles bei Beibehaltung der Demokratie und des Marktes.

Netter Versuch. Aber ich glaube, dass die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens keine gute Idee ist. Das müssten eigentlich auch Kapitalismuskritiker so langsam einsehen. Erstens ist das System so teuer, dass es nicht reicht, nur die Steuern zu erhöhen. Wesentliche Teile des Sozialstaates müssen gleichzeitig aufgegeben werden, etwa die Krankenversicherung und die staatliche Rente. Dadurch würden die Menschen noch mehr auf Geld fixiert sein, schließlich müssten sie sich privat um ihre Altersvorsorge kümmern. Und: Es gäbe eine Entsolidarisierung der Rentnern von den Arbeitnehmern, da die Erstgenannten massive Einbußen hinnehmen müssten (ihre Rente dürfte in aller Regel höher sein als das Grundeinkommen) und von geringen Lohnentwicklungen der Arbeitnehmer profitieren werden, da dann die Kapitalerträge steigen. Die Freunde des Bürgergelds sind hier auf einem Holzweg.

Zumal die Frage bleibt, wer noch arbeitet, wenn es kaum finanzielle Anreize gibt?

Das ist schwer einzuschätzen, schließlich gibt es noch kein Land, das dieses Experiment gewagt hat. Ich würde behaupten: Es gibt Menschen, die Spaß an der Arbeit, die auch ein derart hohes Pflichtbewusstsein haben, dass sie weiter ihre 40 Stunden in der Woche opfern würden. Aber sicherlich gäbe es deutlich mehr Menschen – insbesondere diejenigen, die körperlich anstrengende Arbeiten nachgehen –,  die aussteigen würden. Das würde zu einer Polarisierung der Gesellschaft führen. Das ist bedrohlich.

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