Klimaschutz Wir brauchen mehr ökonomisches Denken in der Klimapolitik

Ziel vieler Regierungen ist die Reduktion von CO2-Emissionen. Quelle: Pro Imago Life

Viele Regierungen räumen dem Kampf gegen den Klimawandel oberste Priorität ein. Das ist ein Fehler. Mittel, die in den Klimaschutz fließen, fehlen für andere dringende Aufgaben. Ein Gastbeitrag.

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Der Kampf gegen den Klimawandel steht auch in Zeiten von Ukrainekrieg und Energiekrise weit oben auf der Agenda vieler Regierungen. Politiker, Klimaschützer und Aktivisten verweisen auf die vielfältigen Risiken, die mit dem durch den Menschen verursachten Klimawandel verbunden sind. Um diese zu bewältigen, seien globale Anstrengungen für eine zügige Reduktion der CO2-Emission erforderlich. Die Weltklimakonferenz 2022 (COP 27) hat einmal mehr gezeigt, dass neben Politikern (insbesondere aus Europa) und Klimaaktivisten auch viele Naturwissenschaftler ein möglichst schnelles Ende der CO2-Emission durch die Menschheit fordern. Dahinter steht der bei Natur- und Ingenieurwissenschaftlern stark ausgeprägte Denkansatz, ein Problem möglichst schnell und vollständig zu lösen. 

Aus ökonomischer Sicht ist dieser Ansatz jedoch nicht sinnvoll. Im Mittelpunkt ökonomischen Denkens steht die Feststellung, dass alle Mittel und Ressourcen knapp sind. Eine Kernbotschaft der Ökonomik lautet daher, die begrenzten Ressourcen so einzusetzen, dass damit die Bedürfnisse der heute und der in Zukunft lebenden Menschen möglichst gut befriedigt werden. Der ökonomische Ansatz entspricht der Definition von Nachhaltigkeit, wie sie seitens der UNO durch die Brundtland-Kommission formuliert wurde. Ein Gegensatz zwischen Ökonomik und Nachhaltigkeit, wie er häufig behauptet wird, existiert also nicht. 

Zur Person

Ökonomisches Denken ist ganzheitliches Denken. Es ist zielorientiert, berücksichtigt die Begrenztheit der Ressourcen und bezieht die mit der Unsicherheit über künftige Handlungen einhergehenden Chancen und Gefahren, also die Risiken, mit ins Kalkül. Diese ganzheitliche Sichtweise der Ökonomik ordnet die Risiken durch den Klimawandel in ein weites Spektrum von Herausforderungen und Risiken ein, mit denen sich die Menschheit konfrontiert sieht. Darunter befinden sich Risiken wie Herz-Kreislauf-Krankheiten, Krebs oder Infektionskrankheiten, die die Lebenserwartung der Menschen heute und in der Zukunft weit mehr bestimmen dürften als die Temperatur auf der Erde.

Achtet auf die Opportunitätskosten!

In einer Welt knapper Ressourcen ist es daher keinesfalls sinnvoll, alle Anstrengungen, Maßnahmen und Ressourcen auf die Lösung eines einzigen Problems zu fokussieren und dabei andere Probleme und Risiken zu vernachlässigen. Darauf hat bereits der Wirtschaftsnobelpreisträger und Klimaökonomen William Nordhaus hingewiesen. In seinen Arbeiten zeigte Nordhaus, dass die Vorteile von Maßnahmen zur Reduktion der CO2-Emission unter dem Aspekt bewertet werden müssen, dass die dafür nötigen Ressourcen auch in anderer Weise für die Menschen vorteilhaft genutzt werden könnten. 

So könnten die Milliarden, die in den Klimaschutz fließen, ebenso für mehr und bessere Bildung der Menschen oder für den Kampf gegen Infektionskrankheiten in ärmeren Ländern ausgegeben werden. Auch dies sind wichtige Themen, die sich in den UN-Nachhaltigkeitszielen wiederfinden. Der Einsatz von knappen Ressourcen zur Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs ist daher mit Opportunitätskosten verbunden. Wer das Klima schützen will, muss auf mehr Fortschritt in anderen Gebieten verzichten. Dies gilt es zu berücksichtigen, um Maßnahmen gegen den Klimawandel auf ihre ökonomische Sinnhaftigkeit zu bewerten. 

Darüber hinaus bedarf es einer fundierten Quantifizierung der risikoreduzierenden Wirkungen von Klimaschutzmaßnahmen. Dabei müssen die Risiken einer höheren Temperatur auf der Erde in Relation zu anderen Risiken, denen die Menschen ausgesetzt sind, betrachtet werden. So zeigen Studien, dass die Gesamtheit der durch Naturkatastrophen verursachten Schäden und Todesfälle im Vergleich zu anderen Risiken gering ist und in den letzten Jahrzehnten tendenziell rückläufig war, wenn zum Beispiel die Zunahme der Vermögenswerte berücksichtigt wird. Die Reduktion der Risiken trotz steigender Temperaturen ist auf das Wachstum von Wirtschaft und Wohlstand zurückzuführen: je reicher Menschen sind, desto resilienter werden sie gegenüber Einflüssen der Natur, wie dem Klima.

In diesem Zusammenhang gilt es, neben den Nachteilen auch die Vorteile höherer Temperaturen zu berücksichtigen und in ihren Auswirkungen auf die Lebenserwartung der Menschen zu quantifizieren. So übersteigt die Anzahl der kältebedingten Todesfälle die Anzahl der hitzebedingten global um ein Vielfaches. 

Nordhaus, der in den 1970er Jahren die Idee des 2-Grad-Temperatur-Ziels entwickelte, kommt heute unter Abwägen von Kosten und Nutzen von Maßnahmen zur Reduktion von CO2-Emissionen insgesamt zu dem Ergebnis, dass eine stärkere Erwärmung als 2 Grad vertretbar ist. 

Auf den technischen Fortschritt setzen

Zentral für das ökonomische Denken ist darüber hinaus, die Wirkung von Anreizen auf das Handeln der Menschen zu berücksichtigen. Von den sich ändernden Klimabedingungen gehen starke Anreize aus, sich an den Klimawandel anzupassen. Dabei dürften den Menschen durch den zu erwartenden weiteren technischen Fortschritt und die Zunahme des Pro-Kopf-Einkommens bis zum Jahr 2100 deutlich größere Handlungsspielräume zur Verfügung stehen als dies heute der Fall ist.

Die zukünftigen technologischen und ökonomischen Möglichkeiten werden es den Menschen einfacher machen, die Probleme des Klimawandels zu bewältigen. Angesichts der Tatsache, dass das Ausmaß des technischen Fortschritts immer wieder positiv überrascht hat, ist es schlicht unseriös zu behaupten, die klimatischen Bedingungen im Jahr 2100 wären für die dann lebenden Menschen katastrophal, so wie es die Vertreter der aktivistischen Letzten Generation tun. 

Die Erfahrung zeigt, dass technischer Fortschritt und die mit ihm einhergehenden Produktivitätszuwächse die Chance zu einem weniger ressourcenverzehrenden Wirtschaftswachstum eröffnen. Daher kann es durchaus rational sein, das Lösen eines Problems ganz oder teilweise in die Zukunft zu verschieben. Aufgabe der Ordnungspolitik ist es, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sich der technische Fortschritt ungehindert entfalten kann. Statt das Wachstum zu behindern, sollten Möglichkeiten genutzt werden, es zu steigern, um so die Handlungsspielräume in der Zukunft zu verbessern. Solches Wachstum schlägt sich im Zeitalter der Digitalisierung mehr und mehr in der Produktion immaterieller Güter nieder. Grenzen des Wachstums sind in absehbarer Zeit nicht erkennbar, wenn man qualitatives Wachstum und Möglichkeiten der Substitution von Ressourcen durch neue Technologien berücksichtigt. Steigender Wohlstand reduziert die negativen Auswirkungen durch den Klimawandel und andere Risiken.

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In einer Welt knapper Ressourcen mit einer Vielzahl von Risiken und Herausforderungen für die Menschheit kann es daher nicht sinnvoll sein, dem Kampf gegen den Klimawandel den bedingungslosen Vorrang vor allen anderen Zielen einzuräumen. Augenmaß und ökonomisches Denken sind erforderlich, damit knappe Ressourcen verschlingende Maßnahmen zur Reduzierung der CO2-Emissionen, vor allem wenn sie nur in einem oder wenigen Ländern ergriffen werden, nicht mehr Schaden als Nutzen für die Menschheit erzeugen. 

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