Kommentar zum BIP Ruhe vor dem politischen Sturm

Konsum, Bauboom und Flüchtlingsausgaben beflügeln die deutsche Wirtschaft. Die Exporterfolge trugen dagegen nicht zum Wachstum bei. Für diese scheinbare Diskrepanz gibt es zwei Erklärungen, die beide bedenklich stimmen.

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Exportweltmeister Deutschland muss über ein Wachstumsmodell nachdenken, das stärker auf inländische Nachfrage setzt, meint unser Redakteur Norbert Häring. Quelle: dpa

Frankfurt Deutschlands Wirtschaft ist im vierten Quartal 2016, ebenso wie im Gesamtjahr, mit einer guten Rate gewachsen, getragen vor allem von einem Bauboom und höherer staatlicher Nachfrage, auch aufgrund des starken Flüchtlingszustroms. Die vielkritisierten Exporterfolge trugen dagegen nicht zum Wachstum der Wirtschaftsleistung bei. Das erstaunt auf den ersten Blick etwas, angesichts des vor kurzem vermeldeten neuen Rekords im Außenhandelsüberschuss.

Für die scheinbare Diskrepanz gibt es zwei Erklärungen, die beide eher bedenklich stimmen. Zum einen sind die Exporte relativ zur Wirtschaftsleistung und relativ zu den Importen inzwischen so hoch, dass es nur noch schwer möglich ist, den Überschuss weiter zu steigern und so das gesamtwirtschaftliche Wachstum anzutreiben. Das exportgetriebene Wachstumsmodell stößt allmählich an die Grenzen einer endlichen Weltwirtschaft. Deutschland wird es, wie vor ihm bereits China schaffen müssen, auf ein Modell umzuschalten, das stärker auf inländische Nachfrage setzt.

Der zweite Grund liegt darin, dass die Effekte von Wechselkurs und Preisen auf die Handelsbilanz bei der Berechnung des „realen“, also preisbereinigten Wirtschaftswachstums herausgerechnet werden. 2016 waren die Preise für Energie, die einen beträchtlichen Teil der Importe ausmacht, deutlich niedriger als im Vorjahr. Deshalb waren die bei der Berechnung des Bruttoinlandsprodukts berücksichtigten mengenmäßigen Importe deutlich höher, als die bei der Berechnung des Handelsüberschusses einschlägigen Importwerte in Euro.

In der schon lange anhaltenden Diskussion um den deutschen Außenhandelsüberschuss, die mit Donald Trumps Drohungen protektionistischer Gegenmaßnahmen eine neue Qualität erreicht hat, geht es aber allen um den wertmäßigen Überschuss in Dollar oder Euro. Zusammengenommen bedeutet das: zu einer Zeit, wo Deutschland aufgrund des bereits erreichten Niveaus ohnehin kaum noch Wachstumsimpulse aus dem Außenhandel generieren kann, gerät es noch zusätzlich unter starken politischen Druck, mehr zu importieren und weniger zu exportieren.

Noch fehlt ein Plan, das ohne massive Verwerfungen hinzubekommen. Den offiziellen Verlautbarungen aus der Regierung zufolge, gibt es noch nicht einmal Handlungsbedarf. Das ist bedenklich.

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