Derzeit schwimmt der Staat im Geld, 2016 lag der Überschuss im Bundeshaushalt bei sechs Milliarden Euro. Was sollte die Politik mit den Überschüssen machen?
Horn: Das Geld in den Ausbau der öffentlichen Infrastruktur stecken. Das motiviert private Unternehmen, ebenfalls zu investieren. Die zweitbeste Lösung wäre, mit dem Geld Schulden zu tilgen. Das reduziert die finanziellen Belastungen in der Zukunft. Die schlechteste Variante sind Steuersenkungen. Die Überschüsse werden nicht ewig währen. Steuersenkungen hingegen sind permanent, daher tragen sie den Keim für neue Defizite in sich.
Kooths: Zunächst sollte man mit Überschüssen die in der zurückliegenden Krise aufgenommenen Schulden tilgen. Und was haben Sie eigentlich gegen Steuersenkungen? Wenn man die mit Ausgabenkürzungen verbindet, sind sie defizit- und konjunkturneutral – und man schafft positive Anreizeffekte.
Horn: Die Steuersenkungsideologie, die Sie vertreten, ist gescheitert! In den Neunzigerjahren hat man Steuern gesenkt, Defizite erzeugt und diese dann zum Anlass genommen, Sozialausgaben zu kürzen. Das ist ein Grund, warum die Ökonomie als Wissenschaft in der Krise ist. Am Ende des Tages mussten die Schwächsten die Rechnung begleichen. Diese haben nichts von sinkenden Steuern gehabt, aber die Kürzungen bei den Sozialausgaben gespürt.
Kooths: Für Sie ist also jeder Euro, der nicht als Steuer an den Staat fließt, quasi gesamtwirtschaftliche Verschwendung. Dann müssten Länder mit hoher Staatsquote wie Frankreich ja überaus wachstumsstark sein. Davon ist mir nichts bekannt. Es kommt immer darauf an, wie und wo investiert wird. Deshalb empfehle ich, das Angebot an Infrastruktur, das bisher vom Staat finanziert wird, von privater Seite erstellen zu lassen und es über Nutzerabgaben zu finanzieren.
Deutschland hat nicht nur im Haushalt, sondern auch in der Leistungsbilanz hohe Überschüsse. Ist die Kritik berechtigt, dass wir uns auf Kosten des Auslands bereichern?
Horn: Ja. Die Überschüsse gehen einher mit Defiziten in anderen Ländern. Werden die Ungleichgewichte zu groß, kommt es zu Schuldenkrisen, Abwertungswettläufen und Protektionismus.
Kooths: Unsinn. Die Überschüsse sind Spiegelbild unserer defizitären Kapitalbilanz. Deutschland stellt dem Ausland seine Ersparnisse zur Verfügung und ermöglicht es dem Ausland so, bei uns einzukaufen. Die Geschäfte kommen freiwillig zustande, beide Seiten profitieren. Im Übrigen werden unsere Leistungsbilanzüberschüsse im nächsten Jahrzehnt aus demografischen Gründen ohnehin schmelzen. Wir werden künftig Vermögen im Ausland auflösen und verstärkt Güter importieren müssen.
Horn: Schöne Geschichte. Sie stimmt nur nicht. Wo haben denn die Deutschen ihr Geld im Ausland angelegt? Ein Großteil ist in spanische Immobilien oder ausländische Schrottpapiere geflossen! Als die Blasen platzten, waren die schönen Renditen, die Sie unterstellen, auf einmal perdu.
Kooths: Dass es Fehlinvestitionen in Spanien gegeben hat, steht außer Frage. Aber die sind nicht zuletzt eine Folge der viel zu expansiven Geldpolitik. Im Übrigen wären Fehlinvestitionen im Inland auch nicht besser. Entscheidend ist, dass die Politik das Eigeninteresse der Investoren an rentablen Anlagen untergräbt, wenn sie diese bei Fehlentscheidungen mit Steuermitteln herauspaukt. Ohne Haftungsprinzip läuft der Marktmechanismus ins Leere. Solide Geldpolitik und klare Investorenhaftung sind das beste Mittel gegen Misswirtschaft.
Horn: Was Sie völlig vernachlässigen, sind die Verteilungswirkungen des Leistungsbilanzüberschusses. Wir haben die Früchte unserer Exporterfolge ungleich verteilt. Sie sind in den Unternehmensgewinnen und den Portemonnaies der obersten Einkommensschichten hängengeblieben. Wären sie an die breite Masse geflossen, hätte das die Importe stimuliert und die Ungleichgewichte in der Leistungsbilanz verringert. Die Schieflage der Einkommensverteilung ist einer der Gründe für das Erstarken der populistischen Kräfte, in Europa ebenso wie in den USA.