Konjunktur Achtung, Rezession!

Während sich die Perspektiven für die Konjunktur verdüstern, setzt sich der Höhenflug der Verbraucherpreise vor dem Hintergrund der Gaskrise ungebremst fort. Die Europäische Zentralbank befindet sich im Dilemma. Sie muss sich entscheiden: entweder sie bekämpft die Inflation oder sie stützt die Konjunktur.   Quelle: dpa

Wichtige Frühindikatoren für die Konjunktur brechen ein. Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession nimmt zu. Das Dilemma für die EZB wird größer. Halten die Notenbanker an der angekündigten Straffung der Geldpolitik fest?

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Ende Juli ist es so weit. Dann treffen sich die Notenbanker der Europäischen Zentralbank (EZB), um die von ihnen angekündigte erste Leitzinserhöhung seit vielen Jahren zu beschließen. Doch das Dilemma, in dem sich die EZB befindet, wird von Tag zu Tag größer. Während sich der Höhenflug der Preise fortsetzt, droht die Konjunktur in der Eurozone unter dem Druck anhaltender Lieferengpässe, explodierender Energiepreise und wachsender geopolitischer Unsicherheiten einzubrechen. Darauf deuten wichtige Frühindikatoren wie die Einkaufsmanagerindizes hin. Sie sind im Juni deutlich gesunken und nähern sich der Marke von 50 Punkten, die den Expansions- vom Kontraktionsbereich trennt. 

Der Einkaufsmanagerindex für die Industrie sank sowohl in Deutschland als auch in der gesamten Eurozone auf nur noch 52,0 Punkte. Die befragten Unternehmen berichten von rückläufigen Aufträgen und sinkender Produktion. Ohne die hohen Auftragsbestände – in Deutschland reichen sie, die Produktion acht Monate lang zu sichern – wäre die Produktion noch stärker geschrumpft. Offenbar macht sich die rezessive Entwicklung in China mittlerweile in der Bestellstatistik der deutschen Industrieunternehmen bemerkbar. Entsprechend zeigen sich die Unternehmen bei der Einstellung neuer Mitarbeiter vorsichtiger als bisher. 

Kaum besser sieht es im Dienstleistungssektor aus. Gerade hatten sich die Unternehmen nach Aufhebung der meisten Corona-Beschränkungen auf einen Post-Pandemieboom eingerichtet, da weht ihnen erneut der Wind ins Gesicht. Die Teuerungswelle nagt gewaltig an der Kaufkraft der Konsumenten, die sich trotz der hohen Ersparnisse, die sie in der Pandemie angehäuft haben, beim Geldausgeben in Zurückhaltung üben. So ebbte der Nachholeffekt aus den Monaten April und Mai bei den Anbietern von Tourismus- und Freizeitdienstleistungen im Juni bereits wieder ab. Ebenso wie in der Industrie drücken auch bei den Dienstleistern die hohen Energiepreise auf die Gewinnspannen. Die Geschäftsaussichten trüben sich daher ein. 

Hoffnungen auf eine Besserung der Konjunktur im späteren Verlauf des Jahres dürften auf Sand gebaut sein. Darauf deutet der konjunkturelle Frühindikator hin, den der Vermögensverwalter Bantleon exklusiv für die WirtschaftsWoche ermittelt. Der Index bündelt monetäre Größen wie Geldmengen, Zinsdifferenzen und das Kreditneugeschäft der Banken.

Er weist einen Vorlauf vor der Realwirtschaft von zwölf Monaten auf. Nach einer Zwischenbelebung ist das Barometer „zuletzt wieder in den übergeordneten Abwärtstrend eingeschwenkt, der sich in den nächsten Monaten weiter verstärken dürfte“, sagt Daniel Hartmann, Chefvolkswirt von Bantleon. 

Konjunktur

Zwar ist die Geldpolitik der EZB angesichts der weiterhin extrem niedrigen Leitzinsen noch immer expansiv ausgerichtet. Doch die Zinsen am Kapitalmarkt haben gedreht und nehmen die von der EZB in Aussicht gestellten Leitzinserhöhungen vorweg. Die Rendite für zehnjährige Bundesanleihen – sie ist der Leitstern am europäischen Markt für Staatsanleihen – liegt derzeit bei 1,4 Prozent. Zu Jahresbeginn hatte sie noch minus 0,4 Prozent betragen. Einen so raschen Zinsanstieg am langen Ende des Marktes hat es selten gegeben.
 
Entsprechend sind die Zinsen für Hypothekenkredite kräftig gestiegen. Angesichts der Preis-Bonanza am Immobilienmarkt der vergangenen Jahre sind Wohnungen und Häuser für viele Menschen immer weniger finanzierbar. Das dämpft die Aussichten für die Bauindustrie, die seit mehr als einer Dekade auf der Sonnenseite der Konjunktur steht. Die Wende bei den Finanzierungskonditionen für Investitionen korrespondiert mit dem Abwärtstrend des Bantleon-Indikators. 

Die EZB steht vor dem Lackmustest

Für die EZB wird das Umfeld also immer schwieriger. Während der Konjunktur die Puste ausgeht, ist der Höhenflug der Verbraucherpreise noch längst nicht zu Ende. Dafür spricht allein schon die Versorgungskrise bei Gas infolge der verminderten Lieferungen aus Russland. Die von der Bundesregierung ausgerufene zweite Eskalationsstufe des Notfallplans Gas dürfte schon bald dazu führen, dass die Gaslieferanten ihre steigenden Bezugskosten zeitnah und ungefiltert and ihre Kunden weitergeben. Auf die Haushalte und die Unternehmen kommt ein Gaspreisschock zu, der in seinen Ausmaßen allenfalls mit dem Ölpreisschock in den Siebzigerjahren vergleichbar ist. Er dürfte die Konjunktur ausbremsen und die Inflation auf neue historische Höchststände treiben. 

Die EZB steht daher unter Druck. Sind die Notenbanker die unerschrockenen Garanten stabiler Preise als die sie sich in ihren Reden gern preisen, dürfen sie nicht zögern. Sie müssen die Zinsen ohne Rücksicht auf die Konjunktur und Staatsfinanzen der hoch verschulden Euro-Südländer rasch anheben. 

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Kommen sie ihrem gesetzlichen Auftrag zur Stabilisierung des Preisniveaus nicht nach und zögern die notwendige geldpolitische Straffung hinaus, ist ihre ohnehin schon angekratzte Glaubwürdigkeit endgültig dahin. Die Menschen werden dann das Vertrauen in den Euro verlieren und in andere wertbeständigere Währungen oder Edelmetalle fliehen. Es wäre das unrühmliche Ende vom Traum einer europäischen Weltwährung. 

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