Konjunktur Das Wachstum hat ein Verfallsdatum

Die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute zeichnen in ihrem Frühjahrsgutachten ein stabiles Bild der deutschen Wirtschaft. Doch wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen – auch, weil die Eurokrise bald wieder ausbrechen könnte.

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Wirtschaftswissenschaftler stellten am Donnerstag in Berlin das Frühjahrsgutachten vor. Quelle: dpa

Es sind keine wirklich schlechten Nachrichten, die die führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstitute am Donnerstag in ihrem Frühjahrsgutachten verkündet haben. Die Ökonomen revidierten ihre Wachstumsprognose für 2016 zwar leicht nach unten (von 1,8 auf 1,6 Prozent), sehen die Wirtschaft aber weiter auf Kurs. Dies liegt vor allem am privaten Konsum, der angesichts niedriger Inflation, stabiler Arbeitsmarktdaten und steigender Löhne in diesem Jahr deutlich zulegen dürfte.

Vom Export, dem traditionellen deutschen Wachstumstreiber, erwarten die Institute hingegen wenig bis gar nichts. „Die Importe steigen so deutlich, dass der Außenhandel den Produktionsanstieg in diesem Jahr per saldo kräftig dämpfen wird“, heißt es im Gutachten.

Die zahlreichen Kritiker des exportlastigen deutschen Wachstumsmodells mögen diese Entwicklung toll finden und frohlocken. Doch ist es wirklich gut für unseren Wohlstand, wenn die Welt weniger deutsche Autos, Maschinen und Industrieanlagen kauft?

Die stockende Auslandsnachfrage hat dem verarbeitenden Gewerbe in Deutschland im Februar bereits ein überraschend deutliches Auftragsminus von 1,2 Prozent gegenüber dem Vormonat beschert. Dies ist der stärkste Rückgang seit August 2015. Überdurchschnittlich stark schrumpfte das Geschäft mit Ländern der Euro-Zone – und genau hier liegt das Problem.

Konjunkturindikatoren

Denn die Euro-Krise ist noch lange nicht ausgestanden. Sie schwelt unter der Oberfläche beständig weiter. Wenn sie wieder ausbricht, könnte dies zu einem so starken Rückgang der deutschen Exporte führen, dass eine Wachstumsrate von 1,5 Prozent Makulatur wäre.

Der Anteil der deutschen Exporte, der in die Eurozone geht, ist wegen der wachsenden Bedeutung der Schwellenländer zwar rückläufig, liegt aber immer noch bei rund 36 Prozent.

Schauen wir uns die Lage in der Währungsunion an: Spanien hat keine stabile Regierung. Griechenland ist immer noch pleite und setzt geforderte Reformen wie ehedem nur in Zeitlupe um.

Die Euro-Krise schwelt weiter

In Portugal entscheidet Ende April die Ratingagentur DBRS, ob sie dem Land (wie die anderen Bonitätswächter) den Investmentgrade-Status entzieht. Senkt sie den Daumen, darf die Europäische Zentralbank keine portugiesischen Staatsanleihen mehr kaufen. Finanzmarktturbulenzen sind dann programmiert.

Konjunktur auf wackligem Fundament

Italien verabschiedet sich derweil zum xten Mal von seinen Schuldenabbauplänen. Ministerpräsident Renzi will 2017 das Defizit erhöhen und das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts auf 2019 verschieben.
Hinzu kommt im Juni die Volksabstimmung in Großbritannien über einen Austritt aus der Europäischen Union.

Ein Abschied der liberalen und eigensinnigen Briten aus der EU wäre nicht nur politisch verheerend, weil er die EU staatsgläubiger und interventionistischer machen würde. Er wäre womöglich auch Brandbeschleuniger für eine neuerliche ökonomische Krise in Europa.

Freuen wir uns also über die noch einigermaßen stabile Konjunktur in Deutschland – vergessen aber nicht, auf welch wackligem Fundament wir stehen. Während die inländische Nachfrage saisonbereinigt um 0,9 Prozent zulegte, kamen aus dem Ausland 2,7 Prozent weniger Bestellungen. Der ifo-Geschäftsklimaindex zeigt wieder nach oben.

Das sind die wettbewerbsfähigsten Länder der Welt
Deutschland Quelle: dpa
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Kanada Quelle: dpa
Schweiz Quelle: dpa

Und auch der Earlybird-Frühindikator, den die Commerzbank exklusiv für die WirtschaftsWoche ermittelt, hat im März deutlich zugelegt. Das Barometer, das einen Vorlauf gegenüber der Realwirtschaft von sechs bis neun Monaten hat, verließ den Negativbereich und kletterte auf 0,28 Zähler.

Der Indikator erfasst den Außenwert des Euro, die kurzfristigen Realzinsen sowie (als Messgröße für die Lage der Weltwirtschaft) einen Welteinkaufsmanagerindex, in den die Einkaufsmanagerindizes der USA, des Euro-Raums und Chinas eingehen.

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