Konjunktur Deutsche Produktion steigt etwas – „nur ein Tropfen auf heißen Stein“

Auch in den kommenden Monaten dürften die Daten eher enttäuschen. Quelle: dpa

Industrie, Bau und Energieversorger stellten zusammen 0,3 Prozent mehr her als im Vormonat. Allerdings trifft das nicht die Erwartungen der Experten.

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Maue Konjunkturdaten signalisieren, dass die deutsche Wirtschaft vorerst nicht aus ihrem Tief herauskommt. Zahlen vom Export und der Industrie zum Start ins zweite Quartal zeigen, dass die Firmen die Rezession so schnell nicht abschütteln können. Industrie, Bau und Energieversorger fuhren zwar ihre Produktion wieder leicht hoch und stellten im April zusammen 0,3 Prozent mehr her als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Mittwoch mitteilte.

Ökonomen hatten aber ein doppelt so großes Plus erwartet, nach einem spürbaren Minus von revidiert 2,1 Prozent im Vormonat. „Trotz des deutlichen Rückgangs im März hat sich die Industrieproduktion im April kaum erholt“, sagte Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. „Ich erwarte, dass die deutsche Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte schrumpft.“

Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) gab sich ernüchtert. „Die Industrieproduktion kommt nicht vom Fleck“, sagte DIHK-Expertin Carolin Herweg. Die wegen schleppender Weltkonjunktur gefallenen Neuaufträge machten sich zunehmend in der Produktion im Verarbeitenden Gewerbe bemerkbar. „Der Industrie droht eher Stillstand statt der erhofften Erholung.“

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von Bert Losse

Besonders in der energieintensiven Industrie sei die Produktion noch deutlich vom Vorkrisenniveau entfernt. „Das anhaltend hohe Niveau der Energiepreise, steigende Zinsen, aber auch der Fachkräftemangel rücken den lang erhofften Nach-Corona-Aufschwung in die Ferne.“

Optimismus lässt nach – Ökonomen senken ihre Prognosen

Chefvolkswirt Alexander Krüger von der Hauck Aufhäuser Lampe Privatbank zeigte sich ebenfalls skeptisch. „Die Produktion nimmt zwar zu, der Zuwachs ist aber nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein.“ Im Vergleich zur Vor-Corona-Lage klaffe weiter ein Minus. „Dies ist insofern erstaunlich, da gesunkene Lieferengpässe, niedrigere Energiepreise und dicke Auftragspolster eigentlich höhere Produktionsaktivitäten ermöglichen.“ Für Deutschland blieben die Aussichten trüb. „Unsere Wachstumsprognose für 2023 haben wir auf minus 0,3 Prozent gesenkt.“

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Die Industriestaaten-Gruppe OECD kappte ebenfalls ihre Schätzung für das Bruttoinlandsprodukt (BIP). So dürfte die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr nur stagnieren, nachdem die OECD zuletzt noch ein BIP-Wachstum von plus 0,3 Prozent erwartet hatte. Erst für 2024 traut die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) Deutschland wieder ein Anziehen der Konjunktur um 1,3 Prozent zu.

Die deutsche Industrie allein stellte im April 0,3 Prozent mehr her als im Vormonat. Die Baubranche meldete ein Plus von 2,0 Prozent, während die Energieversorger ihre Erzeugung um 1,5 Prozent drosselten. „Angesichts einer weiterhin gedämpften Nachfrage, insbesondere aus dem Ausland, und der zuletzt wieder etwas eingetrübteren Stimmung in den Unternehmen ist von einer zunächst noch verhaltenen Belebung der Industriekonjunktur auszugehen“, erklärte das Bundeswirtschaftsministerium.

Je nach Branche lief die Entwicklung recht unterschiedlich. Die Hersteller von Pharma-Erzeugnissen steigerten ihre Produktion kräftig um 6,4 Prozent. Die gewichtigen Bereiche Kfz und Kfz-Teile sowie Maschinenbau verzeichneten hingegen einen Rückgang um 0,8 Prozent beziehungsweise ein Minus von 0,5 Prozent.

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Die Exporte hatten im April zwar leicht um 1,2 Prozent zugelegt, konnten den Einbruch von März um sechs Prozent bei weitem aber nicht wettmachen. Außenhandels-Präsident Dirk Jandura vom BGA hat gewarnt, dass Firmen und Verbraucher die Folgen der Zinserhöhungen künftig stärker spüren dürften: „Dies wird die Konjunktur abkühlen.“ Die gesamte Wirtschaft schrumpfte Ende 2022 und Anfang 2023 – und damit zwei Quartale in Folge. Fachleute sprechen hier von einer technischen Rezession.

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