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Konjunktur Die deutsche Wirtschaft im Sog der Euro-Krise

Die Rezession in Europa zieht jetzt auch Deutschland nach unten. Der Abschwung droht. Die EZB ist machtlos, denn Europa braucht Reformen in den Krisenländern. Die aber sind nicht in Sicht.

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Vor allem Deutschland wird unter der heutigen Entscheidung der Europäischen Zentralbank leiden. Mit den sinkenden Zinsen steigt die Furcht vor den negativen Nebenwirkungen der Politik des billigen Geldes.
von Mark Fehr, Saskia Littmann, Tim Rahmann

Eigentlich ist Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), kein Anhänger düsterer Szenarien. Doch am Donnerstag vergangener Woche malte Europas oberster Währungshüter ein Bild mit vielen dunklen Wolken. „Die Lage am Arbeitsmarkt ist schlecht“, sagte Draghi in der slowakischen Hauptstadt Bratislava, wo die EZB über die Geldpolitik beraten hatte. Zudem habe sich die pessimistische Stimmung in Europas Wirtschaft ausgedehnt. Daher habe sich die EZB entschlossen, den Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf nunmehr 0,5 Prozent zu senken. „Die Zinssenkung“, so Draghi, „soll die Erholung im weiteren Jahresverlauf unterstützen.“

Die Sorgen der Währungshüter um Europas Konjunktur sind begründet. In den Südländern der Euro-Zone schrumpft die Wirtschaft ungebremst. Kriselnde Banken, geplatzte Immobilienblasen und höhere Steuern halten die Konjunktur im Würgegriff. Nun droht der Krisenvirus auf die Kernländer der Währungsunion überzugreifen. In den Niederlanden und Finnland geht die Wirtschaftsleistung schon zurück, Frankreich wird dem Club der Rezessionsländer bald beitreten.

Nur in Deutschland scheint die Wirtschaft den Wogen der Krise noch zu trotzen wie ein Fels in der Brandung. Noch. Doch damit könnte es bald vorbei sein. Denn die Laune in den Unternehmen hat sich auch hierzulande spürbar eingetrübt. Wichtige Frühindikatoren wie der ifo-Geschäftsklimaindex und der Einkaufsmanagerindex für die Industrie haben nach unten gedreht. Auch der Earlybird-Frühindikator, den die Commerzbank exklusiv für die WirtschaftsWoche ermittelt, hat seinen Aufwärtstrend beendet. In vielen Betrieben sinkt die Auslastung von Maschinen und Anlagen, die Personalchefs halten sich mit Neueinstellungen zurück.

So ist der Ausblick bei Banken, Autoherstellern & Co.
Container im Hamburger Hafen Quelle: dpa
Maschinenbau Quelle: dpa
Ein Kabel Quelle: dpa
Zeitungen Quelle: dpa
Ein Flugzeug Quelle: dpa
Chemieindustrie Quelle: dpa
Arzt Quelle: dpa

Die Aktienkurse klettern

Die Teilnehmer an den Finanzmärkten scheint das jedoch nicht sonderlich zu beunruhigen. Die Aktienkurse klettern, als befände sich Deutschland mitten im Boom – obschon Analysten die Gewinnerwartungen für wichtige Dax-Unternehmen nach unten korrigiert haben. Auch die Bürger lassen sich ihre Laune von den schlechten Nachrichten aus der Unternehmenswelt bisher nicht verderben. Der von der GfK ermittelte Index für das Konsumklima kletterte im April auf 6,0 Punkte. Für Mai prognostizieren die Nürnberger Konsumforscher einen weiteren Anstieg auf 6,2 Zähler – den höchsten Wert seit Ausbruch der Finanzkrise 2007.

Experten rätseln daher, ob die Konjunktur nur von einer „vorübergehenden Frühjahrsmüdigkeit“ befallen ist, wie der Chefökonom der US-Investmentbank Morgan Stanley, Joachim Fels, glaubt, oder ob „eine erneute Abschwungphase einsetzt“, wie Jan Poser, Chefökonom der Schweizer Bank Sarasin, meint.

Fakt ist, dass die Kehrtwende der Frühindikatoren sowie die zuletzt enttäuschenden Daten zur Produktion die Auguren auf dem falschen Fuß erwischt haben. Anfang des Jahres hatten die meisten Experten noch eine kräftige Belebung für dieses Jahr vorausgesagt. Grund dafür war die Beruhigungspille, die EZB-Chef Draghi den Märkten im Sommer vergangenen Jahres verabreicht hatte. Sein Versprechen, den Euro um jeden Preis zu retten, hatte die Börsen in Jubellaune versetzt und den akuten Krisenmodus an den Finanzmärkten beendet. Anlagegelder kehrten in die Währungsunion zurück, die Zinsen für die Staatsanleihen der Krisenländer sanken.

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