
Richtig gute Laune kommt bei Jürgen Reinemuth in diesen Tagen auf, wenn er an der Tankstelle vorfährt. „Einen Euro und zwölf Cent für einen Liter Diesel, wann hat es das zuletzt gegeben?“, freut er sich. Doch die Freude über den billigen Sprit verfliegt rasch, wenn Reinemuth auf die eigenen Geschäfte zu sprechen kommt. Denn die könnten besser laufen. Reinemuth ist geschäftsführender Gesellschafter von Thaletec, einem mittelständischen Hersteller von Spezialtanks für die chemische und pharmazeutische Industrie. Zu seinen Kunden zählen Weltkonzerne wie BASF, Bayer, Dow und Roche.





Nicht, dass die Existenz des 190-Mann-Betriebs aus Thale auf dem Spiel stünde. Der Umsatz steigt leicht, immerhin. Doch das Unternehmen leidet unter dem weggebrochenen Geschäft mit Russland, das für zehn Prozent des Umsatzes stand. „Unsere Kunden in Russland haben aus politischen Gründen alle Aufträge auf Eis gelegt“, klagt Reinemuth. Die Lücke sei kaum durch neue Auftraggeber zu schließen. „Wir müssen unsere Investitions- und Beschäftigungspläne für 2015 daher auf den Prüfstand stellen.“ Allenfalls an den Ersatz alter Anlagen sei zu denken. Die Belegschaft will er halten, wenn es geht.
Die Russland-Krise hinterlässt hässliche Bremsspuren in den Bilanzen vieler deutscher Unternehmen – nicht nur bei Thaletec. Der Absturz des Rubel und die panikartigen Zinserhöhungen der Moskauer Zentralbank sind die Symptome einer Wirtschaft, die sich im freien Fall befindet – die aber immer noch drei Prozent der deutschen Exporte aufnimmt. Nächstes Jahr, so schätzen die Volkswirte der Commerzbank, werden sich die deutschen Ausfuhren nach Russland halbieren, nachdem sie schon jetzt um 22 Prozent unter dem Vorjahreswert liegen. Das wird Deutschland 0,3 Prozentpunkte Wachstum kosten, so die Berechnungen der Bank.

Russland-Krise, Absturz des Ölpreises, Mini-Zinsen, Achterbahnfahrt an den Börsen, schwacher Euro, drohende Neuwahlen in Griechenland, anziehende US-Konjunktur – es ist ein wildes Gemisch an Einflussgrößen und unerwarteten Ereignissen, das in diesen Tagen Konsumenten, Unternehmer und Börsianer ratlos macht. Hektisch versuchen die Analysten in Banken und Instituten durchzurechnen, wie sich das alles auf die Konjunktur auswirken könnte. Sicher ist nur, dass alles unsicher bleibt. Und in den Betrieben? Dort erweisen sich die Planungen für 2015 in diesen Tagen so wackelig wie Götterspeise.
Keine idealen Voraussetzungen also für einen nachhaltigen Aufschwung. In einer exklusiven Umfrage des Münchner ifo Instituts für die WirtschaftsWoche unter rund 500 Unternehmen aus Industrie, Bau, Einzelhandel und Dienstleistungen zeigt sich die Mehrheit der befragten Manager daher zurückhaltend, was die Geschäftsperspektiven für das nächste Jahr betrifft. Von den Befragten gehen 61 Prozent davon aus, dass die deutsche Wirtschaft 2015 allenfalls langsam wächst, 31 Prozent erwarten, dass sie stagniert, fünf Prozent befürchten gar, dass sie schrumpft.