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Konjunktur Die Weltwirtschaft verliert an Schwung

Hohe Schulden belasten das globale Wachstum. Das setzt die Notenbanken unter Druck. Droht als Nächstes eine Geldkrise?

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Illustration Gestapelte Containern im Hamburger Hafen Quelle: dpa

Deutschland ist ökonomisch so stark, dass das Ausland zuweilen vor Neid erblasst. „Ist es irgendeinem Land jemals so gut gegangen?“, fragte jüngst das US-Wirtschaftsmagazin „Bloomberg Business“ – um sogleich mit der Aufzählung der wirtschaftlichen Erfolge selbst die Antwort zu geben. Tiefststand bei der Arbeitslosigkeit, Höchststand bei der Beschäftigung, Einnahmeüberschüsse im Staatshaushalt, Miniinflation und kräftige Lohnsteigerungen. Es könnte kaum besser laufen.

Verglichen mit anderen Ländern, steht die deutsche Wirtschaft da wie ein Solitär. Denn wohin man auch schaut, in allen großen Ländern hat sich die Konjunktur zuletzt eingetrübt. In den USA, in China und in Großbritannien stockt das Wachstum, in Frankreich ist es noch nicht einmal angesprungen. Hoffnungen, die globale Geldschwemme der Notenbanken werde die Weltwirtschaft wie Phoenix aus der Asche auferstehen lassen, entpuppen sich als Tagträumerei.

So kreditwürdig sind die Eurostaaten
Das Centrum für europäische Politik (CEP) hat die Kreditfähigkeit der Euro-Staaten analysiert. Einen besonders intensiven Blick haben die Wissenschaftler auf Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Portugal und Spanien geworfen. Das Resultat: die Probleme, die zur Euro-Krise geführt haben, bestehen weiterhin - und haben sich sogar auf weitere Länder ausgeweitet. Quelle: dpa
Die Kreditfähigkeit von Spanien nimmt erstmals seit Einführung des Euros zu. Die Ampel für Spaniens Kreditwürdigkeit steht auf grün, das CEP vergibt beim Schuldenindex eine Wertung von 2,3. Ein positiver Wert des CEP-Default-Indexes bei gleichzeitigem gesamtwirtschaftlichen Finanzierungsüberschuss bedeutet: Das Land benötigt in der betrachteten Periode keine Auslandskredite, es steigert daher seine Kreditfähigkeit. Diese positive Entwicklung dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Land noch weitere Konsolidierungs- und Reformmaßnahmen umsetzen muss, um die in den Krisenjahren drastisch angestiegene Staatsverschuldung und die hohe Arbeitslosigkeit zu reduzieren. Quelle: dpa
Auch für Irland steht die Ampel auf grün. Der ehemalige Krisenstaat hat, wie die kontinuierliche Zunahme der Kreditfähigkeit seit 2010 zeigt, die Krise überwunden. Der Schuldenindex beträgt 6,7, ist also deutlich positiv. Aufgabe muss es nun sein, die Investitionen, die auf fast Null gesunken sind, zu steigern, um die Wirtschaft wieder voran zu treiben. Quelle: dpa
Für Portugal zeigt die Ampel dagegen rotes Licht: Zwar erodiert die portugiesische Kreditfähigkeit noch immer. Der ununterbrochene Anstieg des Schuldenindexes seit 2011 zeigt jedoch, dass Portugal erhebliche Anstrengungen unternommen und Anpassungen bewältigt hat. Derzeit beträgt der Index -2. Unbeschadet dieser positiven Entwicklungen ist es allerdings fraglich, ob Portugal bereits ohne weitere Finanzhilfen auskommen wird, wenn das Anpassungsprogramm Mitte 2014 ausläuft. Quelle: dpa
Auch Italien gehört zu den Ländern mit einer "verfestigten abnehmenden Kreditfähigkeit", wie es beim CEP heißt. Die seit 2009 zu beobachtende Erosion der Kreditfähigkeit von Italien dauere an. Gegenüber 2012 habe sich der Verfall beschleunigt. Es sei fraglich, ob sich dies auf absehbare Zeit ändere. Denn die hierfür notwendigen Reformen und Konsolidierungsmaßnahmen seien von der italienischen Regierung bisher nicht ergriffen worden. Quelle: dpa
Ganz mies ist die Lage in Griechenland: Mit einem Wert von -9,8 hat Griechenland die schlechteste Kreditwürdigkeit aller 31 untersuchten Staaten. Die Kreditfähigkeit des Landes verfällt weiter und zwar deutlich schneller als die aller anderen Euro-Länder. Die Wiedererlangung der griechischen Kreditfähigkeit ist nicht absehbar, die Ampel steht auf dunkelrot. Quelle: dpa
Eine negative Überraschung kam in diesem Jahr aus dem Norden Europas: Belgien und Finnland weisen im ersten Halbjahr 2013 erstmals eine abnehmende Kreditfähigkeit auf. Da beide Länder noch über Auslandsvermögen verfügen, ist die Schuldentragfähigkeit allerdings noch nicht unmittelbar bedroht, die Ampel zeigt gelb-rot. Der CEP-Default-Index liegt im Falle Belgiens bei -0,5, bei Finnland beträgt er -0,1. Ein negativer Wert kann auf zwei Arten entstehen: 1. Die Nettokapitalimporte übersteigen die kapazitätssteigernden Investitionen. Das Land konsumiert über das im Inland erwirtschafteten Einkommen auch einen Teil des Nettokapitalimports. Die Volkswirtschaft verschuldet sich folglich im Ausland, um Konsumausgaben finanzieren zu können. 2. Kapital verlässt das Land, so dass der gesamtwirtschaftliche Finanzierungssaldo positiv ist. Gleichzeitig jedoch schrumpft der Kapitalstock. Das Land verarmt. Quelle: dpa

Weltweiter Kreditzyklus

Dass das weltweite Wachstum stockt, ist in erster Linie eine Folge der Schuldenlast, unter der Bürger, Regierungen, Unternehmen und Banken ächzen. Statt zu investieren und zu konsumieren, stecken sie ihr Geld lieber in die Tilgung der Altschulden. Das bremst die Konjunktur. „Der weltweite Kreditzyklus hat die Schulden in den vergangenen Jahrzehnten drastisch anschwellen lassen, jetzt müssen diese in einem jahrelangen Prozess abgebaut werden“, sagt Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute. „Der Weltkonjunktur steht ein jahrelanger Tiefflug mit vielen Luftlöchern bevor.“

Wie hoch die Schulden weltweit sind, haben die Ökonomen des McKinsey Global Institute in einer aktuellen Studie ausgerechnet: knapp 200 Billionen Dollar gleich 286 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Seit Ausbruch der Finanzkrise sind sie um 57 Billionen Dollar gestiegen. „Eigentlich hätte man erwarten können, dass die Schulden nach der Krise sinken, stattdessen haben sie zugenommen“, wundern sich die McKinsey-Ökonomen. In den USA, der größten Volkswirtschaft der Welt, haben Bürger, Banken und Unternehmen ihre Schulden seit 2007 zwar zurückgefahren. Doch im Gegenzug ist der Schuldenberg des Staates kräftig angeschwollen. Die Schuldenlast aller Sektoren liegt bei 269 Prozent der Wirtschaftsleistung.

Nun dreht die Verschuldung von Bürgern und Unternehmen in Amerika wieder nach oben. Um ihre Gewinne trotz der niedrigen Zinsen zu halten, gehen die Banken im Kreditgeschäft höhere Risiken ein. „Die Banken vergeben Kredite an Kunden mit geringer Bonität und hohen Schulden, zudem lockern sie die Kreditbedingungen“, stellt der Harvard-Ökonom Martin Feldstein fest.

Globaler Schuldenstand nach Sektoren (zum Vergrößern bitte anklicken)

Neuer Subprime-Boom in den USA

Im vergangenen Jahr flossen 41 Prozent aller US-Konsumentenkredite an Kunden mit geringer Bonität (Subprime). Hatten sich vor der Finanzkrise die Bürger für Hauskäufe verschuldet, tun sie es jetzt, um Autos zu erwerben. Seit 2010 hat sich das Volumen der Subprime-Kredite für Autokäufe verdoppelt. Der Pkw-Boom stützt den privaten Konsum, ohne ihn wäre die Wirtschaft im ersten Quartal geschrumpft. „Der Aufschwung in Amerika basiert darauf, dass neue Schulden auf die alten draufgesattelt werden“, kritisiert Frank Hollenbeck, Professor an der Internationalen Universität in Genf.

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