Konjunktur Düstere Prognose des IWF: Es geht sogar noch pessimistischer

Energieengpässe und der Krieg in der Ukraine haben einen negativen Einfluss auf die Wachstumsprognose. Quelle: REUTERS

Auf vorsichtige Erholung folgte in diesem Jahr schnell Ernüchterung: Der Weltwährungsfonds korrigiert seine Schätzung für die globale Konjunktur nun erneut nach unten. Der Ukraine-Krieg und Energieengpässe wirken schwer.

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Die Weltwirtschaft wird nach einer Prognose des Internationalen Währungsfonds (IWF) in diesem Jahr wegen des Kriegs in der Ukraine und der anhaltend hohen Inflation deutlich langsamer wachsen als erwartet. „Auf eine zaghafte Erholung im Jahr 2021 folgten zunehmend düstere Entwicklungen im Jahr 2022“, heißt es in der neuen IWF-Prognose zur Weltwirtschaft. Die Aussichten seien zunehmend unsicher, sagte IWF-Chefvolkswirt Pierre-Olivier Gourinchas am Dienstag. Die Abwärtsrisiken würden dabei deutlich überwiegen. Ein „plausibles Alternativszenario“ halte sogar noch pessimistischere Prognosen bereit, warnte Gourinchas.

Mehrere Schocks haben dem Bericht zufolge die durch die Pandemie bereits geschwächte Wirtschaft getroffen: Die jüngsten Corona-Lockdowns in China hätten zu neuen Problemen für globale Lieferketten geführt, heißt es in dem Bericht. Auch die Auswirkungen des Krieges in der Ukraine auf die großen europäischen Volkswirtschaften seien negativer als erwartet – das spiegele sich vor allem in den Energiepreisen wider. Hinzu komme eine unerwartet hohe Inflation in den USA und den großen europäischen Volkswirtschaften.

In seiner neuen Prognose rechnet der IWF in diesem Jahr nur noch mit einem globalen Wachstum von 3,2 Prozent. Das sind 0,4 Prozentpunkte weniger als noch im April angenommen. Für die Eurozone erwartet der IWF ein um 0,2 Prozentpunkte geringeres Wachstum von 2,6 Prozent. In Deutschland soll das Bruttoinlandsprodukt (BIP) demnach nur noch um 1,2 Prozent wachsen – eine deutliche Herabstufung einer Prognose aus dem Mai. Damals hatte der IWF noch ein Wachstum von rund 2 Prozent für 2023 und 2022 prognostiziert. Diese neuesten Daten für Deutschland hatte der IWF bereits in der vergangenen Woche veröffentlicht.

„Die Inflation bleibt hartnäckig hoch“, heißt es weiter in dem aktuellen Bericht. In diesem Jahr rechnet der IWF in den Industriestaaten mit einer Teuerungsrate von 6,6 Prozent, also 0,9 Prozentpunkte mehr als noch im April angenommen. In Schwellen- und Entwicklungsländern soll die Inflationsrate im Durchschnitt 9,5 Prozent betragen, ein Plus von 0,8 Prozentpunkten. Es werde allgemein erwartet, dass die Inflation bis Ende 2024 in die Nähe des Niveaus vor der Pandemie zurückkehren werde, hieß es in dem Bericht.

Mehrere Faktoren könnten jedoch dazu führen, dass sich die Dynamik nicht verändere und die Inflation hoch bleibe. Ein Faktor seien Schocks bei den Lebensmittel- und Energiepreisen infolge des russischen Angriffskriegs in der Ukraine. Diese Entwicklung könnte einer Stagflation Vorschub leisten. Unter Stagflation versteht man eine nicht mehr wachsende Wirtschaft bei gleichzeitigem Preisauftrieb.

Mit Spannung wird in diesem Zusammenhang auch die neue Zins-Entscheidung der US-Notenbank Fed am Mittwoch erwartet. Fed-Chef Jerome Powell hatte bereits einen erneuten großen Zinsschritt von 0,75 Prozentpunkten in Aussicht gestellt. Die Rekordinflation hatte auch die Euro-Währungshüter zu einem höheren Tempo bei ihrer ersten Zinserhöhung seit elf Jahren gezwungen. Die EZB kündigte in der vergangenen Woche an, dass die Leitzinsen um 0,50 Prozentpunkte steigen. Die Zentralbanken sollten diesen Kurs beibehalten, bis die Inflation eingedämmt ist, sagte Gourinchas vom IWF.

Die jüngste Senkung der globalen Konjunkturprognose des IWF um 0,4 Prozentpunkte geht dem Bericht zufolge vor allem auf die unvorhersehbaren Folgen des Kriegs in der Ukraine zurück. So könne es zu einem „plötzlichen Stopp der europäischen Gasimporte aus Russland“ kommen. Auch könnte es schwieriger als erwartet sein, die Inflation zu senken. Die strengere Geldpolitik als Reaktion auf die hohe Inflation könnte für Schwellen- und Entwicklungsländer eine Schuldenkrise zur Folge haben. Diese Staaten könnten aufgrund höherer Zinsen ihre Kredite schwerer zurückzahlen. Auch erneute Corona-Ausbrüche und damit verbundene Lieferkettenengpässe seien ein Risikofaktor für die Weltwirtschaft.

Die EZB will steigende Risikoprämien für die Staatsanleihen von Schuldenstaaten verhindern. Das unterhöhlt die Währungsunion.
von Hans-Werner Sinn

Die neue Prognose spiegele das nachlassende Wachstum in den drei größten Volkswirtschaften der Welt - den Vereinigten Staaten, China und dem Euroraum – wider, was erhebliche Auswirkungen auf die globalen Aussichten habe, hieß es weiter. Der IWF betont allerdings, dass die Prognosen außerordentlich unsicher seien. Sie beruhten aktuell auf der Annahme, dass es zu keiner weiteren unerwarteten Verringerung der Erdgaslieferungen aus Russland an das übrige Europa komme. Auch gehe man davon aus, dass die Inflationsentwicklung einigermaßen stabil bleibe.

„Es besteht jedoch ein erhebliches Risiko, dass sich einige oder alle dieser Grundannahmen nicht bewahrheiten“, mahnt der IWF. „In einem plausiblen Alternativszenario, in dem einige dieser Risiken eintreten, einschließlich einer vollständigen Unterbrechung der russischen Gaslieferungen nach Europa, wird die Inflation steigen und das globale Wachstum weiter auf etwa 2,6 Prozent in diesem und 2 Prozent im nächsten Jahr zurückgehen“, sagte Gourinchas.

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Der IWF warnt außerdem vor einer sich verschärfenden Nahrungsmittelkrise. Die weltweiten Lebensmittelpreise hätten sich zwar in den vergangenen Monaten stabilisiert, seien aber immer noch viel höher als im Jahr 2021. Der Krieg in der Ukraine sei der Hauptgrund für den weltweiten Preisanstieg – insbesondere bei Getreide wie Weizen. Außerdem müssten die Impfquoten steigen, da die Pandemie anhalte und neue Varianten drohten. Schließlich erfordere auch der Kampf gegen die Klimakrise weltweit abgestimmte Maßnahmen.

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