Konjunktur Wie kräftig wird der Wirtschaftsaufschwung?

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Grafik: Exporte der Euroländer

Doch nun ist Hektik bei den Experten ausgebrochen. Hastig werden Meetings einberufen, um die Prognosen zu revidieren – diesmal nach oben. Die Sorge, die globale Stimmungsaufhellung der vergangenen Wochen könne sich als Erwartungsblase entpuppen, hat sich verflüchtigt. Immer mehr Unternehmen beurteilen auch ihre aktuelle Lage günstiger als zuvor. „Ein klares Zeichen, dass sich die Weltwirtschaft erholt“, sagt Ralph Solveen, Leiter des Economic Research der Commerzbank.

Dafür gibt es mehrere Gründe:

Geldpolitik

Mit ihren milliardenschweren Liquiditätsspritzen ist es den Notenbanken gelungen, den drohenden Kollaps des Finanzsystems zu verhindern und das Vertrauen wieder herzustellen. In den USA haben die Währungshüter zudem Staatsanleihen und mit Immobilienkrediten besicherte Wertpapiere gekauft. Das hat die Kurse stabilisiert und die Effektivzinsen niedrig gehalten.

Auch die massiven Leitzinssenkungen zeigen allmählich Wirkung. So schleuste die Europäische Zentralbank (EZB) die Geldbeschaffungskosten für die Geschäftsbanken von 4,25 Prozent im Herbst 2008 auf nur noch ein Prozent nach unten. Das hat die Situation am Interbankenmarkt deutlich entspannt. Der Zinssatz für Dreimonatsgeld (Euribor), der im Oktober 2008 nach der Lehman-Pleite auf knapp 5,4 Prozent in die Höhe geschossen war, liegt jetzt nur noch bei 0,9 Prozent.

Finanzielle Belastungen sind kräftig gesunken

Die finanziellen Belastungen für Unternehmen und Häuslebauer sind dadurch kräftig gesunken. Denn bei vielen kurzfristigen Betriebsmittelkrediten und variabel verzinslichen Hypothekenkrediten orientieren sich die Zinsen am Euribor. Commerzbanker Solveen ist daher überzeugt, dass die geldpolitischen Lockerungen „mit der üblichen Verzögerung von mehreren Quartalen die Konjunktur beleben“. Das gilt auch für China, wo die Notenbank besonders kräftig aufs Gaspedal getreten hatte. Seit Oktober vergangenen Jahres hat sich die Kreditausweitung enorm beschleunigt. Entsprechend hat sich das Wachstum der Geldmenge M2 von 15 auf knapp 29 Prozent fast verdoppelt. Stephen Roach, Asien-Chef der US-Bank Morgan Stanley, fürchtet schon, „das rekordverdächtige Kreditwachstum lege die Saat für eine neue Welle von faulen Krediten und Abschreibungen“.

Auszuschließen ist das nicht. Doch den Machthabern in Peking geht es in erster Linie darum, die Wirtschaft am Laufen zu halten und soziale Unruhen zu vermeiden. Spekulative Blasen nehmen sie dabei in Kauf. Regierung und Notenbank dürften daher erleichtert sein, dass sich die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im zweiten Quartal auf knapp acht Prozent gegenüber Vorjahr beschleunigt hat.

Dass die Notenbanker in den USA, Europa und Asien aus Angst vor Inflation bald wieder auf die Bremse treten, ist wenig wahrscheinlich. In China (minus 1,7 Prozent), den USA (minus 1,4 Prozent) und Deutschland (minus 0,6 Prozent) sinken die Preise. Daher dürfte die Angst vor einem Rückfall der Wirtschaft in die Rezession derzeit die Hauptsorge der Währungshüter sein. „Das spricht dafür, dass die Notenbanken den Fuß noch längere Zeit auf dem Gaspedal lassen“, sagt Solveen.

Finanzpolitik

Auch die umfangreichen Konjunkturprogramme, die die Regierungen im Kampf gegen die Rezession aufgefahren haben, entfalten ihre Wirkung. Da bisher nur ein Teil der Mittel in der Wirtschaft angekommen ist, rechnen Experten zumindest bis Ende dieses Jahres noch mit weiteren kräftigen Impulsen. Wann genau sie wirken, lasse sich wegen der Verzögerungen bei der Umsetzung nicht genau vorhersagen, urteilt Andreas Rees, Deutschland-Chefökonom von UniCredit. Insgesamt geht er aber davon aus, dass das Programm der Bundesregierung einen Konjunkturimpuls von mindestens 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auslöst.

Für die USA schätzen die Ökonomen von Goldman Sachs den Wachstumsschub durch das Konjunkturprogramm der Obama-Administration auf zwei Prozent des BIPs. Im zweiten Halbjahr werde die US-Wirtschaft wieder aus der Rezession auftauchen und der Output im Schnitt um ein Prozent steigen. Für das Gesamtjahr ergebe sich ein Minus von 2,5 Prozent.

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