Konjunktur Wie kräftig wird der Wirtschaftsaufschwung?

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Welthandel

Grafik: Trendwende der Wirtschaft

Nachdem die Ausfuhren im Winterhalbjahr kollabierten, zeigen sich nun erste Erholungstendenzen. Ein Grund dafür ist, dass die Banken, die nach dem Lehman-Schock die Außenhandelsfinanzierung auf Eis legten, die Geschäfte wieder aufgenommen haben. „Die Finanzierungsschwierigkeiten im Außenhandel scheinen überwunden“, sagt David Mackie, Europa-Chefvolkswirt der US-Bank JP Morgan.

Das zeigt sich vor allem in Asien, wo der weltweite Aufschwung startete. Die Exporte Südkoreas und die Auslandsaufträge Taiwans haben bereits die Hälfte ihres Absturzes seit Herbst 2008 wettgemacht. In Japan haben Exporteure etwa ein Viertel des Einbruchs wieder aufgeholt. „Das Austrocknen der globalen Handelsfinanzierung wirkte wie eine Zollmauer“, sagt Mackie, „jetzt wird sie wieder eingerissen.“

Für die nächsten Monate schließt der JP-Morgan-Ökonom deshalb eine V-förmige Erholung des Welthandels nicht aus. Bis Frühjahr 2010 dürften die Exporte Eurolands rund ein Drittel ihres Einbruchs wettgemacht haben, glaubt er. „Deutschland“, sagt Mackie, „wird zum Outperformer in der Währungsunion.“ Für die nächsten Quartale hält er daher Wachstumsraten von etwa einem Prozent in Deutschland für realistisch. Wegen des hohen Schwungs, mit dem die Wirtschaft dann in das nächste Jahr startet, könnte das Plus im Gesamtjahr 2010 locker über zwei Prozent liegen.

Lagerzyklus

Lagerzyklus: In den vergangenen Monaten haben die Unternehmen alles darangesetzt, ihre übervollen Lager abzubauen. Mittlerweile sind sie wieder auf Normalmaß geschrumpft, in manchen Betrieben sogar darunter. In den nächsten Wochen müssen die Unternehmen ihre Produktion daher hochfahren, um die Nachfrage zu bedienen. „Die Wende im Lagerzyklus ist typisch für den Beginn eines Konjunkturaufschwungs“, sagt Commerzbanker Solveen. Heißt das also, dass die Weltwirtschaft vor einem fulminanten Comeback steht und sich ein nachhaltiger Aufschwung breitmacht?

Experten haben da ihre Zweifel. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass die Dynamik nach einem überraschend kräftigen Auftauchen aus der Rezession im nächsten Jahr schon wieder nachlässt“, sagt UniCredit-Ökonom Rees. Der Aufschwung werde einen W-förmigen Verlauf aufweisen, ohne dass die Wirtschaft wieder in die Rezession rutscht.

Tatsächlich stehen mehrere Faktoren einem ungebremsten Höhenflug der Weltwirtschaft entgegen. So dürfte die Anstoßwirkung von den Lagerinvestitionen nachlassen, sobald sich die Regale der Betriebe wieder gefüllt haben. „Lagerimpulse wirken im Schnitt vier Quartale, dann ebben sie wieder ab“, weiß Commerzbanker Solveen. Daher ist es nicht ungewöhnlich, dass der Aufschwung nach einem kräftigen Anfangsspurt eine gemächlichere Gangart einlegt. „Eine Erholung ist kein steiler Gipfelsturm“, konstatiert Solveen.

Arbeitskräfte gehortet

Daran werden auch die Konjunkturprogramme nichts ändern. Im Gegenteil. Fallen die künstlichen Stimulanzien weg, erschlafft auch die Konjunktur wieder. Beispiel Abwrackprämie: Nach dem Run auf die Autohäuser in den ersten Monaten dieses Jahres hat das Interesse am subventionierten Autokauf wieder nachgelassen. Spätestens wenn die Prämie Ende des Jahres ausläuft, dürfte die Autoindustrie in ein Nachfrageloch fallen, fürchten Experten. Zu einer Bremse für den Aufschwung könnte auch der Arbeitsmarkt werden. Obwohl sich die Erholungszeichen mehren, setzen die Betriebe beim Personal den Rotstift an. Zu kräftig der vorangegangene Einbruch der Produktion, zu gering die aktuelle Auslastung der Maschinen, als dass sie ihr Personal in absehbarer Zeit wieder voll einsetzen könnten.

Während in anderen Ländern bereits eine Entlassungswelle nach der anderen durch die Betriebe gerollt ist, haben die Unternehmen in Deutschland – gestützt auf die staatlich generös subventionierte Kurzarbeit – massenweise Arbeitskräfte gehortet. Auf rund 1,4 Millionen schätzt die Bundesagentur für Arbeit die Zahl der Kurzarbeiter im Juli. Selbst wenn die Konjunktur in den nächsten Monaten kräftig anzieht, wird die Auslastung der Maschinen noch lange unter dem Stand aus den Boomjahren 2006 und 2007 bleiben. UniCredit-Ökonom Rees rechnet daher damit, dass in den nächsten Monaten rund 500.000 Kurzarbeiter in die Arbeitslosigkeit fallen werden. Bis zum Sommer nächsten Jahres werde die Zahl der Arbeitslosen von derzeit rund 3,5 auf 4,5 Millionen steigen.

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