
Das Jahr 2015 wird sicherlich erneut ein spannendes und ereignisreiches Jahr werden. Doch was genau erwartet die Wirtschaft im kommenden Jahr? Ich wage fünf Thesen: Das Deutsches BIP wird um 1,25 Prozent wachsen - die Deflation wird in Deutschland kein Thema werden – die europäische Zentralbank wird in Staatsanleihenkauf einsteigen – der Euro bleibt schwach und der Ölpreis erholt sich wieder. Und was heißt das für die Börsen? Auf Jahressicht sehen wir für den DAX nur wenig Potential nach oben. Dennoch sehen wir in ausgewählten Bereichen lukrative Chancen am Aktienmarkt auf uns zukommen.
BIP ist im dritten Quartal 2014 nur minimal gewachsen
Über den Sommer hat sich in diesem Jahr die Konjunkturlage in Deutschland merklich eingetrübt. Nicht nur die Stimmungsindikatoren, auch „harte“ Daten fielen enttäuschend aus. So hat die gesamtwirtschaftliche Leistung (BIP) im dritten Quartal nur minimal zugelegt. Die Gründe für die Abschwächung sind sowohl im außenwirtschaftlichen Umfeld als auch in der heimischen Wirtschaftspolitik zu sehen.

Im Exportgeschäft bereiten uns große Schwellenländer wie Russland und Brasilien sowie einige Euro-Nachbarländer derzeit Sorgen. Dafür ist aber beispielsweise die Nachfrage aus den USA und Großbritannien zuletzt merklich gestiegen. Ein negativer Impuls kam im Jahresverlauf 2014 von den Investitionen: Die deutschen Unternehmen haben wohl vor allem angesichts der internationalen Unsicherheiten ihre Investitionsausgaben eingeschränkt. Dagegen hat die gute Kauflaune bei den Verbrauchern, gestützt durch die Rekordbeschäftigung am Arbeitsmarkt, für einen weiterhin robusten privaten Konsum gesorgt.
2015 profitiert die Konjunktur vom Ölpreis
Im kommenden Jahr dürfte sich die Konjunkturdynamik in Deutschland wieder allmählich beleben. Zwei „externe Helfer“ kommen der deutschen Wirtschaft dabei zugute: Der niedrige Ölpreis und der schwächere Eurokurs. Der dramatische Fall des Ölpreises wirkt auf die deutsche Wirtschaft derzeit wie eine Steuersenkung für Unternehmen und Verbraucher. Bei den Unternehmen lassen die sinkenden die Energiekosten die Gewinne steigen, bei den privaten Haushalten wächst unerwartet die reale Kaufkraft der Einkommen.
Meilensteine der Ölpreisentwicklung
Die ersten gewinnbringenden Erdölbohrungen finden Mitte des 19. Jahrhunderts statt. In dieser Zeit entstehen auch die ersten Raffinerien. Bis 1864 steigt der Ölpreis auf den Höchststand von 8,06 Dollar pro Barrel (159 Liter); inflationsbereinigt müssen damals im Jahresdurchschnitt 128,17 US-Dollar gezahlt werden. In den folgenden Jahrzehnten bleibt der Preis auf einem vergleichsweise niedrigen Level, fällt mitunter sogar, bedingt etwa durch den Erfolg der elektrischen Glühlampe, durch die Öl im privaten Haushalt nicht mehr zur Beleuchtung nötig ist.
Mit dem Erfolg des Automobils zu Beginn des 20. Jahrhunderts steigt die Öl-Nachfrage rasant; speziell in den USA, wo der Ford Modell T zum Massenprodukt wird. 1929 fahren insgesamt 23 Millionen Kraftfahrzeuge auf den Straßen. Der Verbrauch liegt 1929 in den Staaten bei 2,58 Millionen Fass pro Tag, 85 Prozent davon für Benzin und Heizöl. Die Preise bleiben allerdings weiter unter fünf Dollar pro Fass (nicht inflationsbereinigt), da auch mehr gefördert wird.
In den 30er Jahren kommt die Große Depression, die Unternehmenszusammenbrüche, Massenarbeitslosigkeit, Deflation und einen massiven Rückgang des Handels durch protektionistische Maßnahmen zur Folge hat. Während der Weltwirtschaftskrise verringert sich die Nachfrage nach Erdöl und der Preis sinkt auf ein historisches Tief. 1931 müssen bloß noch 0,65 Dollar pro Barrel gezahlt werden (inflationsbereinigt etwa zehn US-Dollar). So billig sollte das schwarze Gold nie wieder sei.
Nachdem sich die Weltkonjunktur erholt hat, steigt der Preise für Öl wieder, bleibt aber konstant unter fünf Dollar pro Barrel. Für die Jahre zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Ölkrise im Herbst 1973 spricht man deshalb vom „goldenen Zeitalter“ des billigen Öls.
In den 70er und 80er Jahren kommt der Ölpreis in Bewegung. Als die Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) nach dem Krieg zwischen Israel und den arabischen Nachbarn im Herbst 1973 die Fördermengen drosselt, um politischen Druck auszuüben, vervierfacht sich der Weltölpreis binnen kürzester Zeit. Zum Ende des Jahres 1974 kostet ein Barrel über elf Dollar (inflationsbereinigt fast 55 US-Dollar). Dies bekommen auch Otto-Normal-Bürger zu spüren: In Deutschland bleiben sonntags die Autobahnen leer, in den USA bilden sich Schlangen vor den Tankstellen.
Während der zweiten Ölkrise in den Jahren 1979/1980 zieht der Ölpreis nach einem kurzfristigen Rückgang weiter an. Ausgelöst wird dies im Wesentlichen durch Förderungsausfälle und Verunsicherung nach der Islamischen Revolution. Nach dem Angriff Iraks auf Iran und dem Beginn des Ersten Golfkrieg explodieren die Preise regelrecht. Auf dem Höhepunkt im April 1980 kostet ein Barrel 39,50 Dollar (inflationsbereinigt 116 Dollar).
Die 80er und 90er Jahre sind – abgesehen von dem kurzzeitigen Anstieg verursacht durch den Zweiten Golfkrieg – eine Phase niedriger Ölpreise. Die Industriestaaten befinden sich in einer Rezession und suchten aufgrund vorhergehenden Ölkrisen mit besonders hohen Preisen nach alternativen Energiequellen. Weltweit gibt es Überkapazitäten. Während der Asienkrise 1997/1998 sinkt die Nachfrage weiter. Ende des Jahres 1998 werden 10,65 Dollar pro Barrel verlangt.
Nach Überwindung der Krise wachsen die Weltwirtschaft und damit auch der Ölbedarf schnell. Selbst die Anschläge auf das World Trade Center 2001 sorgen nur für einen kurzen Rücksetzer. Anfang 2008 steigt der Ölpreis erstmals über 100 US-Dollar je Barrel, Mitte des Jahres sogar fast auf 150 Dollar. Ein Grund für den Preisanstieg wist der Boom des rohstoffhungrigen China, mittlerweile zweitgrößter Verbraucher der Welt.
Die globale Finanzkrise und eine schwächelnde Konjunktur sorgen für einen Rückgang der Nachfrage. Gleichzeitig bleibt das Angebot durch die massive Förderung in den USA (Fracking) hoch. Die Folge: Der Ölpreis bricht ein. Ab Sommer 2014 rutscht der Preis für Brentöl innerhalb weniger Monate um rund 50 Prozent auf 50 Dollar. Erst im Februar 2015 erholte sich der Ölpreis leicht und schwankt um die 60 Dollar je Barrel.
Im Mai 2015 hatten sich die Ölpreise zwischenzeitlich erholt. Die Sorte Brent erreichte mit einem Preis von 68 US-Dollar je Barrel ein Jahreshoch. Von da aus ging es bis September des Jahres wieder steil bergab auf 43 Dollar. Nach einer Stabilisierung zwischen September und November nahm der Ölpreis seine wieder Talfahrt auf. Am 15. Januar hat der Ölpreis die 30-Dollar-Marke unterschritten.
Nach unseren aktuellen Berechnungen dürfte die ölpreisbedingte Entlastung insgesamt im kommenden Jahr in Deutschland etwa einen halben Prozentpunkt der Wirtschaftsleistung ausmachen. Der überwiegende Teil davon dürfte in zusätzlicher Nachfrage und damit einem Wachstums-Plus resultieren. Der schwächere Euro wiederum stärkt die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der EWU-Unternehmen im internationalen Handel. Die Vorteile hieraus zeigen sich – anders als beim Ölpreis – aber erst in der etwas längeren Frist.
Als ersten Hinweis auf eine bevorstehende konjunkturelle Erholung lässt sich die Wende der letzten Wochen bei wichtigen Stimmungsindikatoren interpretieren – wie etwa beim ifo-Geschäftsklima oder den ZEW-Konjunkturerwartungen. Dabei wird der private Konsum auch im kommenden Jahr die zentrale Stütze für die heimische Nachfrage bleiben. Die Investitionsausgaben werden sich dagegen nur ganz allmählich wieder erholen. Die deutschen Ausfuhren dürften 2015 – gestützt auf eine recht dynamische US-Wirtschaft und eine Erholung in wichtigen Schwellenländern – etwas schneller wachsen als in diesem Jahr. Unter Berücksichtigung des lebhaften Importwachstums geht vom Außenhandel insgesamt 2015 aber kaum ein positiver Einfluss auf die Gesamtwirtschaft aus. Alles in allem ergibt sich für das kommende Jahr eine gesamtwirtschaftliche Wachstumsrate von 1,3 Prozent.
Energiepreise und Inflation werden sinken
Der Schwächeanfall des Ölpreises drückt auch in Deutschland auf die Energiepreise und dämpft die Inflationsrate weiter. Derzeit bewegt sich die Teuerungsrate für den privaten Verbrauch deutlich unter der Ein-Prozent-Marke, um den Jahreswechsel dürfte sie sogar noch etwas weiter sinken. Eine deflationäre Entwicklung mit dauerhaft sinkenden Preisen ist hierzulande aber dennoch nicht zu erwarten. Dafür sorgen schon allein die kräftigen Lohnsteigerungen, die keine „Deflationsmentalität“ wie in Japan aufkommen lassen.
Im kommenden Jahr dürfte die Inflationsrate in Deutschland vielmehr wieder etwas anziehen. Während der vor allem über den Ölpreis importierte Abwärtstrend allmählich auslaufen wird, verstärken sich die binnenwirtschaftlichen Teuerungsimpulse. Die Lohnstückkosten dürften, bedingt auch durch den Mindestlohn, beschleunigt zunehmen, und die Steigerung der Wohnungsmieten setzt sich vor allem in den Ballungsräumen weiter fort. Insgesamt dürfte die Teuerungsrate leicht von 0,8 Prozent 2014 auf 0,9 Prozent im Jahresdurchschnitt 2015 ansteigen.