
Die Konjunkturprognose von Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, kommt schnell zum Punkt: Die europäische Staatsschuldenkrise habe die deutsche Wirtschaft fest im Griff. Die Ausfuhren in die Länder des Euroraums seien rückläufig, Unternehmen würden Investitionen meiden – trotz des sehr niedrigen Zinsniveaus. Die Folge: Das IW sieht sich gezwungen, seine Prognose aus dem Frühjahr zu korrigieren – nach unten. Für das Jahr 2012 wird nunmehr ein Zuwachs beim realen Bruttoinlandsprodukt (BIP) in Höhe von 1,0 Prozent erwartet – im Frühjahr 2012 lag die Prognose bei 1,25 Prozent. Im Jahr 2013 werde die Wirtschaftsleistung um knapp 0,75 Prozent zulegen.
Allerdings: Die Herbstprognose basiert auf der Annahme, dass sich hierzulande infolge der Staatsschuldenkrise in Europa das Investitionsklima nicht weiter verschlechtert. Wahrscheinlich ist das nicht.
Wachstumsprognosen für 2012
Bruttoinlandsprodukt: 1,2*
Arbeitslose**: 6,6
Verbraucherpreise: 1,9
Langfristiger 10-Jahreszins Ende 2012: 2,6
Wechselkurs Euro/Dollar Ende 2012: 1,46
Ölpreis Brent in USD/Barrel Ende 2012: 104
*Angaben in Prozent, reale Veränderungen zum Vorjahr
** in Prozent der zivilen Erwerbspersonen
Bruttoinlandsprodukt: 1,0
Arbeitslose: 6,9
Verbraucherpreise: 1,8
Langfristiger 10-Jahreszins Ende 2012: 2,8
Wechselkurs Euro/Dollar Ende 2012: 1,37
Ölpreis Brent in USD/Barrel Ende 2012: 120
Bruttoinlandsprodukt: 0,6
Arbeitslose: 6,8
Verbraucherpreise: 1,7
Langfristiger 10-Jahreszins Ende 2012: 2,0
Wechselkurs Euro/Dollar Ende 2012: 1,36
Ölpreis Brent in USD/Barrel Ende 2012: 110
Bruttoinlandsprodukt: 0,5
Arbeitslose: 6,8
Verbraucherpreise: 1,8
Langfristiger 10-Jahreszins Ende 2012: 2,7
Wechselkurs Euro/Dollar Ende 2012: 1,35
Ölpreis Brent in USD/Barrel Ende 2012: 105
Bruttoinlandsprodukt: 0,4
Arbeitslose: 6,7
Verbraucherpreise: 1,8
Langfristiger 10-Jahreszins Ende 2012: 2,5
Wechselkurs Euro/Dollar Ende 2012: 1,35
Ölpreis Brent in USD/Barrel Ende 2012: 111
Bruttoinlandsprodukt: 0,1
Arbeitslose: 7,4
Verbraucherpreise: 1,6
Langfristiger 10-Jahreszins Ende 2012: 2,2
Wechselkurs Euro/Dollar Ende 2012: 1,20
Ölpreis Brent in USD/Barrel Ende 2012: 100
Bruttoinlandsprodukt: 0,0
Arbeitslose: 7,2
Verbraucherpreise: 1,7
Langfristiger 10-Jahreszins Ende 2012: 2,7
Wechselkurs Euro/Dollar Ende 2012: 1,35
Ölpreis Brent in USD/Barrel Ende 2012: 116
Bruttoinlandsprodukt: 0,0
Arbeitslose: 6,9
Verbraucherpreise: 1,6
Langfristiger 10-Jahreszins Ende 2012: 2,3
Wechselkurs Euro/Dollar Ende 2012: 1,25
Ölpreis Brent in USD/Barrel Ende 2012: 110
"Die Rezessionsgefahren haben sich angesichts der großen Verunsicherung über die Währungsunion deutlich erhöht", sagt auch Hüther. "Wir können deshalb nicht ausschließen, dass bei einer Eskalation in Europa über mehrere Quartale die gesamtwirtschaftliche Aktivität schrumpfen kann."
"Griechenland braucht eine Dekade"
Hüther übt scharfe Kritik an den Euro-Krisenländern. Diese hätten "über eine lange Zeit über ihre Verhältnisse gelebt", die öffentliche Verschuldung sei in einigen Staaten "außer Kontrolle". Für die deutsche Exportwirtschaft sind das keine guten Nachrichten. Schließlich gehen fast 40 Prozent der deutschen Exportgüter in die Länder der Euro-Zone. Doch Wachstum ist hier nicht in Sicht. Im Gegenteil: Die Absatzmärkte in Südeuropa werden noch weitere Jahre schrumpfen, insbesondere Griechenland bleibt das Sorgenkind.
Im Interview mit der WirtschaftsWoche malt Hüther ein düsteres Szenario. "Die Aufgabe, vor der Griechenland steht, braucht eine Dekade". Griechenland habe nicht nur ein Solvenzproblem. "In Griechenland mangelt es am Staatsaufbau. Die politische Klasse hat jahrzehntelang versagt", unterstreicht der Instituts-Chef.